Auf der Suche nach dem «schöne Räschte»
Schon kurz nach dem Morgestraich hört man ihn, diesen Satz. Ob beim Verabschieden oder wenn man dem Gegenüber mit einem Augenzwinkern wünscht: «E schöne Räschte (gäll?)». Aber ab wann ist das eigentlich angebracht?
Die Frage löst Diskussionen aus. Egal wo eingebracht, es gibt gefühlt so viele Meinungen wie Räppli am Boden. Dass man sich schon ab dem sonnabendlichen Laterneneinpfeiffen e schöne Räschte wünscht, hört man aus ganz radikalen Kreisen. Wobei ich persönlich zu diesem Zeitpunkt eher eine schöne Fasnacht wünsche. Es geht ja erst noch los.
Ab Montag, am Zischtig oder erst wenns dunkelt am Mittwoch?
Die Einen finden am Montag nach dem ersten Riemen könne man bereits diesen schönen Resten wünschen. Ob dabei semantische Unterschiede erörtert werden müssen, bleibt dahingestellt. Es könnte ja sein, man meint den Morgestraich – dieser ist auch zeitlich begrenzt.
Am Dienstag hört man die Abschiedsworte weniger. Vermutlich liegt das am Fasnachts-Zischtig, dem stresslosesten aller Tage. Das Wann und Ob bezüglich Räschte scheint deplaziert – keine*r will dran denken. Es ist die Magie des Dienstags. Schyssdräggziigli und lose Formationen vereinen sich um danach beim nächsten Halt wieder auseinanderzufallen. Man wird sich nochmals sehen.
«Es ist eine eigene fasnächtliche Höflichkeitsform. Man möchte niemanden in die letzten Fasnachtsstunden schicken, ohne die mental stärkenden Worte.»
Und hier ist er der erste Quintessenz: Der «guete Räschte» wird einander von Anfang an gewünscht, weil man nicht weiss, ob man sich noch sieht. Am Dienstag sind die Chancen gross, dass man sich noch begegnet oder sogar gemeinsam einen Riemen zieht. Vom nahenden Resten ist nichts zu spüren.
Es ist eine eigene fasnächtliche Höflichkeitsform. Man möchte niemanden in die letzten Fasnachtsstunden schicken, ohne die mental stärkenden Worte. Aber auch eine nachdenkliche Seite soll sie haben, das Bewusstsein schärfen – dass auch die dreitägige, freiheitliche Schönheit ein Ende hat.
Am Mittwochabend bäumt sich nochmal die ganze Fasnachtsszene auf. Man will nochmal alles richtig auskosten, bevor es dann zu Ende geht. Der Räschte wird fassbar, alles zentriert sich in der Innenstadt. Kräfte sammeln, Aufbruchstimmung und schon liegt man sich nach dem Ändstraich in den Armen.
Melancholie und Nostalgie
Sind denn Fasnächtler*innen solche Pessimist*innen? Nein, im Gegenteil. Man sieht das Glas nicht speziell halbvoll oder -leer. Eher die Fasnacht als Ganzes mit einem weinenden und lachenden Auge – mit dem Bewusstsein nicht den Fünfer unds Weggli gleichzeitig haben zu können. Damit müssen sich Aktive Fasnacht für Fasnacht arrangieren. Ganzjährige Vorbereitungen, ein Morgenstreich, der viel zu schnell wieder vorbei ist und der Rest ist Geschichte.
«Fasnächtler*innen trauern von Anfang an dem Ende nach – nur um sich handkehrum nach dem Ändstreich wieder aufs nächste Jahr zu freuen.»
Ein guter Freund bezeichnet dies als die wahre Melancholie der Fasnacht. Fasnächtler*innen trauern von Anfang an dem Ende nach – nur um sich handkehrum nach dem Ändstreich wieder aufs nächste Jahr zu freuen.
Ich werde den schönen «Räschte» heute Abend meinen Mitfasnächtler*innen wünschen – wenn's dunkelt. Weil ganz ehrlich, wir sehen uns doch sowieso vor dem Schnabel. Und für die, denen ich nicht die Ehre erweisen kann oder konnte:
E schöne Räschte alli zämme!
Du auch? Jetzt Bajour-Member werden.