Basler Medien serbeln – was braucht's?
Eine erneute Schreckensnachricht ereilt die Schweizer Medienbranche: Bei Tamedia, zu der auch die «Basler Zeitung» gehört, werden 290 von 1800 Stellen gestrichen. Es handelt sich um 200 Vollzeitstellen in den Druckereien sowie 90 in den Redaktionen. Letztes Jahr fielen alleine bei den grossen vier Medienhäusern 300 Stellen weg.In Zeiten von stark sinkenden Einnahmen bei gleichzeitig steigenden Kosten und hohem Investitionsbedarf können Zeitungen von Abos und Werbung allein nicht leben. Der Verleger*innenverband Schweizer Medien, der die grossen Printmedien vertritt, appelliert heute an die Politik, die indirekte Medienförderung zu erhöhen. Die Basler Regierung hat sich im April diesen Jahres gegen eine kantonale Medienförderung ausgesprochen.
Regierung soll Auftrag umsetzen!
Im April 2022 hat der Grosse Rat von Basel-Stadt meine Forderung nach einer kantonalen Medienförderung mit deutlichem Mehr an die Regierung überwiesen. Der Regierungsrat war zwei Jahre untätig und will den Vorstoss jetzt abschreiben. Der Grosse Rat muss sich gegen dieses Lethargie wehren und sich für die weitere Bearbeitung des Themas einsetzen. Es ist dringlich!
Informationsarbeit vs Schlagzeilenfastfood
Fast jedes elektronische Medium bietet mir algoritmusgesteuert 'gratis' Schlagzeilenfastfood an, der scheinbar genau auf meine Interessen zugeschnitten ist (in mein Beuteschema passt). Und manchmal bin ich einfach zu übersättigt vom Arbeitstag, von der Informationsflut und den Problemen dieser Welt. Dann kostet es echt Überwindung, ein Abo zu bezahlen. Aber genau da ist der springende Punkt: Wer zahlt denn sonst dafür: Interessenverbände, die meine Meinung beeinflussen möchten? Werbewirtschaft, die meine Aufmerksamkeit heischt, oder Datensammler, die mich besser 'einschätzen' wollen? Das heisst, ich brauche Zusatzmotivation, um mich überhaupt mit andern Themen auseinanderzusetzen: Eine Ahnung, dass es mein Leben betreffen könnte, Hoffnung auf Informationsgewinn, Vertrauen in die solide Recherchenarbeit und, dass es nicht manipulativ ist. Demokratie geht nur mit Menschen, die bereit sind, sich solide informationsbasiert eine Meinung zu bilden. Achtung der Informationsarbeit fördern!
Journalismus darf uns etwas kosten
Eine Massnahme allein reicht nicht, um (Lokal)journalismus eine reale Zukunft zu geben: bei uns allen muss das Verständnis wachsen, dass "wahrheitsgetreue" Berichterstattung und Einordnunngen über das, was um uns herum geschieht, nicht gratis zu haben ist. Also Abo lösen oder als Member ein Medium unterstützen bitte! Zudem braucht es eine staatliche Medienförderung mit einem System, das die journalistische Unabhängigkeit nicht tangiert. Kantone hätten die Möglichkeit, hier verschiedene Modelle auszuprobieren. Das jetzige System der Zustellverbilligung nur von Print-Produkten ist überholt. Also macht vorwärts in Bern, bevor noch mehr Zeitungen sterben oder radikal abgebaut werden!
Einheitsbrei statt Vielfalt: Warum unsere Medienlandschaft dringend neue Impulse braucht!
Die Schweizer Medienlandschaft befindet sich kontinuierlich im Wandel; die Digitalisierung ist nicht zuletzt auch ein Bedürfnis von uns Rezipient:innen. Leider fällt in diesem marktorientierten Spannungsfeld die Medienvielfalt durch Monopolisierung der überlebenden Medienhäuser in Konglomerate wie Tamedia zunehmend weg, was zuletzt in einem uniformen Medienbrei und auf Kosten vieler Arbeitsplätze von klugen und spezialisierten Menschen in unserem Land resultiert. Tamedia benötigt in erster Linie einen Sozialplan, der auch die Angestellten der Druckereien einbezieht. Das System braucht Anreize, um seine Angestellten durch Umschulungen und neue Angebote in die Zukunft mitzunehmen. Demokratietheoretisch ist es enorm wichtig, dass wir als Gesellschaft verstehen, dassMeinungsbildung und Medienvielfalt miteinander zusammenhängen und mündige Bürger bereit sein müssen, diesen Preis gemeinsam zu tragen. Daher sollten marktunabhängige Produkte besser gefördert werden, unabhängig vom Medium.
Media Forward Fund
Die Medienbranche steckt in einer akuten Transformationskrise, die den Zugang der Menschen zu verlässlichen Informationen und damit letztlich die Demokratie bedroht. Es braucht jetzt viel mehr Geld von viel mehr Menschen, um Qualitätsjournalismus bei der Entwicklung von tragfähigen Geschäftsmodellen zu helfen. Die öffentliche Hand hat hier eine wichtige Rolle, es muss aber sichergestellt sein, dass der Staat nicht entscheidet, welches Medium wieviel Fördergeld erhält, weil sonst die Unabhängigkeit in Gefahr gerät, siehe die Skandale im Österreich. Mit dem Media Forward Fund gibt es nun einen Fonds für die Schweiz, Deutschland & Österreich, der zunächst mit Mitteln von 11 Stiftungen, darunter der Stiftung Mercator Schweiz, der Volkart Stiftung und der Stiftung für Medienvielfalt, Medien in dieser Krise unterstützt. Das Angebot ist, dass die kantonale Medienförderung staatsfern über den Fund angeboten wird, und weitere private Geldgeber einen Weg haben, Journalismus zu unterstützen.
Es braucht ein Umdenken
Meine Vermutung ist, dass auch auf diese Frage eigentlich die einfache und gleichzeitig äusserst schwere «Antwort» gegeben werden sollte: es braucht ein Umdenken im System. Weg von dieser Gewinnoptimiereung, die nur die Gewinne der «Grossen», der Konzerne und der im Toplohnbereich sich Festklammernden bedient. Hin zu einer Befreiung aus diesen Zwängen. Mehr Genügsamkeit. Gesetze und Rahmenbedingungen, die dies ermöglichen. Aber dazu zuerst die Bereitschaft, einen Wechsel überhaupt zu wollen. Diese Zeichen müssten deutlich «von Oben» kommen, nein, nicht vom Himmel ;). Und es betrifft viele Lebensbereiche. Das kann «weh tun», denen, die bisher so profitierten. Da ich nicht darauf warten will, versuche ich in meiner kleinen Welt das umzusetzen, was geht. Viele Kleine sind zusammen auch mehr.
Qualitätsjournalismus bleibt eine tragende Säule der Demokratie
Dass der TX-Konzern Qualitätsjournalismus im gleichen Atemzug mit einem Stellenabbau in den Redaktionen nennt, ist ja per se schon ein Hohn. Qualitätsjournalismus braucht mehr Journalist:innen, und diese müssen mehr Zeit haben für ihre Recherchen und Hintergrundsanalysen. Aus meiner Sicht ist ganz klar, dass unser wertvolles demokratisches System nicht um eine staatliche Förderung des Journalismus herumkommen werden. Natürlich darf diese nicht für Dividenden an die Aktionäre von Konzernen draufgehen. Gute journalistische Arbeit ist unerlässlich für das Funktionieren der Demokratie.
In einem Märchen sagt die Ziege: Ich bin so satt und mag kein Blatt. Ob es vielleicht mehr Medien gibt, als es braucht?
Transparenz bei Dividenden
Ich wäre dafür das man die Dividenden offenlegt und die bei negativer Auswirkung zurückzahlt.
Sonst hätte Bajour nicht gegeben
... wenn die Information an Kantonal- und Nationalebene gut genug wäre, würden wir Bajour nicht brauchen. :-) Digitale Technologien wollten schon immer Papierinformation drängen, nun gelingt es auch besser, weil wir ein Überfluss an Information auch haben. Und die sogenannten Sozialmedien, die nur das "hic et nunc" werben, leisten einen bedeutenden Beitrag gegen die News von gestern, gegen unsere eigene Geschichte, die plötzlich veraltet und uncool erscheint. Trotzdem einen schönen Tag, wünsche ich euch. Simone