Die Polizei überwacht die Uferstrasse mit sieben Kameras
Die Polizei hat im Nachgang zu den Ausschreitungen auf dem Hafenareal Kameras installiert, ohne die Bevölkerung zu warnen. Gemäss Datenschutzbeauftragten Beat Rudin ist das heikel.
Das Hafenareal wurde während Corona zu einem Hotspot für illegale Partys. Wochenende für Wochenende trafen sich hunderte Jugendliche an der Uferstrasse. Auch aus dem Ausland. In Frankreich herrschte Ausgangssperre, Deutschland hatte die komplette Schliessung verhängt. Irgendwann kippte die Stimmung.
Am 9. Mai wurde ein fünfzehnjähriger Teenager bei einer Massenschlägerei auf dem Hafenareal niedergestochen. Etwa zwanzig Personen waren in die Schlägerei verwickelt. Nach den Ausschreitungen meldete sich Sicherheitsdirektorin Stephanie Eymann (LDP) zu Wort, zeigte sich betroffen und versprach rasche und effektive Massnahmen. Securitas patrouillieren seither am Wochenende auf dem Areal, Autos können es temporär nicht mehr anfahren.
«Wir waren überfordert mit den Scharen an Jugendlichen und haben die Polizei darum gebeten, etwas gegen die Situation am Hafen zu tun.»Klaus Bernhard, Geschäftsleitungsmitglied der BarLandesstelle
Klaus Bernhard ist froh über die Massnahmen. Er ist Mitglied der Geschäftsleitung der Landesstelle, einer der Bars am Hafen. Wegen Corona konnten die Betriebe am Hafen lange Zeit nicht öffnen oder mussten bereits um 23 Uhr schliessen. Und sie wussten nicht recht, wie umgehen mit den unbewilligten Freifluftpartys: «Wir waren überfordert mit den Scharen an Jugendlichen, die jedes Wochenende das Areal belagerten und haben die Polizei darum ausdrücklich gebeten, etwas gegen die Situation am Hafen zu tun.»
Eine Massnahme der Polizei sorgt bei ihm allerdings für Fragezeichen: Überwachungskameras. Die Polizei hat sieben Stück davon an Firmengebäuden installiert und auf die Uferstrasse gerichtet. Da ist kein Schild, kein Hinweis, der Passant*innen darüber informieren würde, dass sie gefilmt werden.
Klaus Bernhard hat sie irgendwann trotzdem bemerkt: «Mir sind die Kameras zum ersten Mal vor ein paar Wochen aufgefallen.» Darüber informiert worden, dass die Polizei nun das Hafenareal überwacht, sei er aber nicht. Bernhard sagt: «Die Polizei reagiert extrem scharf. Ich hätte mir gewünscht, dass wir darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass die Polizei nun auch filmt.»
«Die Kameras sind zu den Zeiten mit hohem Personenaufkommen von jeweils Freitagabend bis Sonntagmorgen in Betrieb. Das ist jene Zeitspanne, in welcher sich erfahrungsgemäss am meisten Personen zu dortigen Partys treffen.»Toprak Yerguz, Sprecher Polizei Basel-Stadt
Beat Rudin, Datenschutzbeauftragter des Kantons Basel-Stadt hat Kenntnis von den Überwachungskameras, sagt aber: «Es stellt sich die Frage nach der Rechtsgrundlage für die polizeiliche Videoüberwachung.»
Laut Polizeisprecher Toprak Yerguz reichen die gesetzlichen Grundlagen gemäss Polizeigesetz für eine Sofortmassnahme aus. Für einen längeren Einsatz von Kameras brauche es ein Reglement. Die sieben Kameras würden «einsatzbezogen betrieben». Konkret heisst das, sie sind nur zeitlich beschränkt im Einsatz: «Die Kameras sind zu den Zeiten mit hohem Personenaufkommen von jeweils Freitagabend bis Sonntagmorgen in Betrieb. Das ist jene Zeitspanne, in welcher sich erfahrungsgemäss am meisten Personen zu dortigen Partys treffen.»
Rudin differenziert: Einerseits erlaube das Polizeigesetz, zur Beweissicherung Teilnehmer*innen einer öffentlichen Veranstaltung aufzunehmen, wenn die konkrete Gefahr besteht, dass Straftaten begangen werden. Und auch das Informations- und Datenschutzgesetz erlaube Videoüberwachung zum Schutz von Personen und Sachen. «An der Uferstrasse ist es tatsächlich schon mehrfach zu Gewalt- und Strafdelikten gekommen, deshalb ist es möglich, dass die Polizei dort eine entsprechend Videoüberwachung einsetzt.»
Aber für die konkrete Umsetzung braucht es ein öffentliches Reglement. Und ein solches gibt es noch nicht. Es ist auf Empfehlung des Datenschutzbeauftragten in Arbeit und soll Rudin in den nächsten Tagen zur Prüfung vorgelegt werden, bevor es von Justitzvorsteherin Stephanie Eymann unterschrieben wird.
«Es reicht nicht, dass die Kameras klar sichtbar sind. Sie müssen erkennbar beschildert sein, damit die Menschen wissen, dass sie überwacht werden.»Beat Rudin, Datenschutzbeauftragter des Kantons Basel-Stadt
Trotz fehlendem Reglement lässt der Datenschutzbeauftragte die Polizei jetzt schon filmen.
Erstens, meint Rudin, hat die Polizei ihm schon zugesichert, dass die Videoüberwachung eingeschränkt wird: Es wird nur am Wochenende gefilmt, die Aufnahmen werden nach einer Woche gelöscht, und es ist eng begrenzt, wer von der Polizei überhaupt auf die Aufnahmen zugreifen darf. «Die materiellen Voraussetzungen des Informations- und Datenschutzgesetzes sind damit eingehalten, es fehlt nur noch die förmliche Verankerung im Reglement», sagt Rudin. Zweitens können auch jetzt schon zu bestimmten Zeiten die Voraussetzungen nach dem Polizeigesetz erfüllt sein. Dann darf die Polizei gestützt darauf Aufnahmen machen.
«Deshalb habe ich darauf verzichtet, zu intervenieren», sagt Beat Rudin. Die Verantwortung liege ohnehin bei der Polizei, «sie muss sich rechtfertigen, wenn sich jemand daran stört».
Müsste die Polizei die Bevölkerung nicht darüber informieren, dass sie überwacht wird? Doch. Das Informations- und Datenschutzgesetz verlangt, dass die Videoüberwachung erkennbar gemacht wird, beispielsweise durch Hinweistafeln. Solche gibt es bislang nicht. Rudin sagt: «Es reicht nicht, dass die Kameras klar sichtbar sind. Sie müssen erkennbar beschildert sein, damit die Menschen wissen, dass sie überwacht werden, bevor sie den überwachten Raum betreten.»
Yerguz von der Polizei interpretiert das Datenschutzgesetz anders, die Schilder brauche es jetzt noch nicht: «Gemäss den gesetzlichen Vorgaben wird die Bevölkerung auf den Einsatz des Videoüberwachungssystems mit Piktogrammen hingewiesen, sobald das Reglement publiziert wurde.» Das stimmt laut Rudin nur, solange sich die Videoüberwachung ausschliesslich auf das Polizeigesetz stützt.