BVG-Reform: Hast du den Durchblick?
Am 22. September stimmt das Schweizer Stimmvolk über eine Reform der beruflichen Vorsorge ab. Die BVG-Reform will Renten sicherer finanzieren und die Situation von Teilzeitangestellten und Personen mit tieferen Löhnen verbessern. Gegner*innen der Vorlage sprechen jedoch von einem «Renten-Bschiss»: Versicherte würden zwar mehr in die Pensionskasse einzahlen, dafür aber weniger Rente erhalten (mehr Details zur Vorlage hier). Laut der neuesten repräsentativen Umfrage lehnen 51 Prozent der Befragten die Reform ab, 42 Prozent sind dafür. Interessant: In einer ersten Umfrage lehnten mehr Männer als Frauen die Vorlage ab, nun ist die Zahl der Frauen im Nein-Lager aber gestiegen, sagt das Forschungsinstitut GFS Bern, das die Umfrage im Auftrag der SRG durchgeführt hat. Und das, obwohl Frauenverbände argumentieren, die Reform sei zwar «ein Kompromiss» (profitieren würde vor allem die Finanzbranche, zeigt die Republik auf), sie wäre aber ein «grosser Fortschritt» gegenüber der heutigen Situation. Die Vorlage ist so komplex, dass selbst Expert*innen an ihre Grenzen kommen. Wie hast du’s?
economiefeministe.ch hat ein sehr gutes Faktenblatt zur BVG Reform gemacht. Man kann es von dieser Website herunterladen: https://economiefeministe.ch/bvg-reform-2024-schlechter-statt-besser-fuer-frauen/
Schade
Reformen dienen erfahrungsgemäss meistens dem Zweck, dass im Prinzip alles beim Alten bleiben kann. (R)echt schwierig kann es werden, wenn nicht verstanden wird, was gemeint ist. Oder wenn nicht drin ist, was drauf steht. So wie übrigens auch bei der Biodiversitäts-Initiative. Wo es vor allem um mehr Geld und um mehr Technokratie geht. Gefragt ist aber die Umwandlung von der agroindustriellen zur organischen oder gar biodynamischen Landwirtschaft. Alles andere ist Symtombekämpfung. Und eine solche ist auch mit der BVG-Reform geplant. Schade, dass bei an sich wichtigen Themen somit keine Entwicklung möglich ist.
„Still confused, but …“
Ich habe mich jetzt tatsächlich auch durch den (gewohnt wertvollen) entsprechenden Beitrag in der REPUBLIK „gekämpft“. Mein Fazit: „Es ist schwierig“ - und ich glaube, das liegt gerade auch an der Vorlage und an den vielen Fragezeichen, die eine Annahme der Reform mit sich brächte (Wer und wieviele würden nun tatsächlich profitieren? Wer und wieviele müssten bei Annahme der Reform wieviel mehr bezahlen? Etc.). Im Moment festigt sich eher mein vorher noch weniger rationaler Eindruck, dass die Vorlage zu kompliziert und zu überladen ist … und dass letztlich vermutlich die „Falschen“ am meisten profitieren werden. Andererseits ist unbestritten, dass jenen angeblich 77‘000 Arbeitnehmerinnen, die mit ihrem reltiv tiefen Lohn dank der Reform einer Pensionskasse beitreten könnten, dieser Beitritt zu gönnen wäre. Deshalb 2. Fazit: „We are still confused, but on a much higher level“ …
Es ist – leider – eine arg unsolidarische Abbauvorlage
Als ich erstmals hörte, tiefere Löhne würden nun auch versichert und Teilzeitstellen wären per Gesetz auch berücksichtigt (also als Teil einer Norm), war mein erster Gedanke: endlich! Dafür würde ich auch als Kulturpolitikerin kämpfen. Aber nein! Gerade für mittlere und mitteltiefe Erwerbseinkommen wär's: mehr Bezahlen, weniger Rente. Nicht mit uns! Leider täuscht die Debatte darüber hinweg, dass wirklich tiefe Einkommen eh nicht dabei wären. Wir müssen die AHV dazu hinbringen, dass der Auftrag unserer Verfassung erfüllt wird: allen auch mit Rente ein würdiges Leben ermöglichen!
Es bleibt nicht verfassungskonform
Das ganze Konstrukt mit 2ter und 3ter Säule wurde vorallem dafür gemacht, dass nicht das Volk, sondern Banken und Versicherungen den grossen Reibach machen. Die Pensionkassen machen Milliardengewinne mit Rentengeldern, verzinsen zum Minimalzinssatz, gestehen sich horrende Spesen zu und verteilen die Gewinne per Dividende an ihre Aktionäre. SwissLife ist ein gutes Beispiel: Milliardengewinne mit PK Vermögen auf Kosten von Mietern und Rentnern und schön Dividende ausschütten. SwissLife war mal die Rentenanstalt und eine Genossenschaft... Das stört offenbar immer mehr Menschen. Siehe auch AHV Abstimmung
Den Republik Artikel lesen
Ich habe vor der dem Lesen des Republik Artikels wenig davon verstanden. Jetzt habe ich den Durchblick was wählen.
Lieber den Spatz in der Hand
Die BVG Reform ist kompliziert und letztlich der Kompromiss eines langjährigen Seilziehens. Der entscheidende Fortschritt ist, dass Personen mit tiefen Pensen oder mehreren tiefen Pensen endlich eine Pension erhalten. Die Senkung des Umwandlungssatzes ist unschön, aber unerlässlich, wenn wir nicht wollen, dass die Jungen die alten subventionieren müssen. Daneben gibt es viele Punkte, über die man noch jahrelang trefflich streiten kann. Für mich ist es wichtig, die Fortschritte, die das BVG-Gesetz bringt, jetzt zu sichern und dann von da aus weitere Verbesserungen zu suchen. Wenn das Gesetz abgelehnt wird, sind wir wieder für 10 Jahre oder ehr auf Feld 1.
Die Nein-Kampagne ist auf Falschinformationen aufgebaut!
«Mehr bezahlen, weniger Rente.» Mit diesem Slogan versucht die Linke den politischen Kompromiss der BVG-Reform zu torpedieren. Nur: Diese Aussage trifft auf die Wenigsten zu, wie inzwischen selbst die Gegner zugeben mussten. Rund 85 Prozent der Angestellten betrifft die Senkung des Umwandlungssatzes gar nicht, weil sie überobligatorisch versichert sind. Alle bestehenden Renten bleiben zudem garantiert, womit die rund 1.7 Millionen Rentner ebenfalls keine Abstriche machen müssen. Hingegen erhalten rund 359'000 Personen durch die BVG-Reform eine höhere Rente und ca. 100'000 zusätzliche Einkommen werden durch die BVG-Reform neu versichert. Davon profitieren vor allem Frauen! Liebe Bajour-Leserinnen und Leser, fallt nicht auf das Märchen der Nein-Kampagne rein und stimmt der dringend nötigen Modernisierung der zweiten Säule zu. Sagt ja zur BVG-Reform!
Wo ist der Puck?
Drei Gründe sind für die Schwierigkeiten verantwortlich, die uns das BVG macht: 1. Das System ist historisch gewachsen und will allen Bedürfnissen gerecht werden. Deshalb ist es viel zu komplex. 2. Das BVG regelt lediglich die minimalen Anforderungen an die Pensionskassen. Weil jede in Bezug auf Beiträge und Leistungen wieder anders "gestrickt" ist, ist es fast unmöglich, für alle gültige Aussagen zu machen. 3. Die Lebenserwartung steigt laufend, d.h. das angesparte Kapital muss länger reichen. Deshalb müsste die monatliche Rente eigentlich sinken, weil sonst am Ende des Geldes noch Lebensjahre ohne Rente übrig bleiben. Das ist natürlich nicht akzeptabel. Deshalb müssen heute die Erwerbstätigen zwangsweise die fehlenden Renten finanzieren. Und die Lücke nimmt mit jedem Jahr zu. Das ist total ungerecht und bald nicht mehr zumutbar. Wird das BVG aber jetzt nicht geändert, bleibt das so. Ich als Rentner will und kann das nicht verantworten und stimme deshalb trotz manchen Bedenken Ja.