Kann ein guter Bundesrat ein guter Vater sein?

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Michelle Isler
Michelle Isler
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Ueli Keller
08. November 2022 um 07:54

Guter Vater oder guter Politiker?

Im bestehenden System scheint die Wahrscheinlichkeit gross, dass ein Bundesrat weder ein guter Vater noch ein guter Politiker sein kann. Weil zu vieles grundsätzlich nicht richtig und zweckmässig organisiert ist.

Eine junge Mutter im Bundesrat? Oder: Worum es bei dieser Debatte wirklich geht. (Um viel mehr.)

Schweizer Medien überbieten sich gerade mit Artikeln, die sich der Frage widmen, ob eine Mutter Bundesrätin sein kann, ob eine ebensolche Forderung dumm und/oder diskriminierend ist, warum das überhaupt eine Rolle spielt und so weiter. (Das wird nun wochenlang so gehen, stellen Sie sich drauf ein.)

Besonders berührt - auf verschiedene Arten - hat mich dabei NZZaS-Chefredakteur Jonas Projer, der mir in seinem Kommentar erklärte, warum Männer wie Frauen halt einfach NICHT alles haben könnten, und auf den Schmerz verwies, den man spürt, wenn man immer nur noch zu schlafenden Kindern heimkommt. (Ich vermute, der mehrfache Vater spricht hier aus Erfahrung, darum hat mich sein Kommentar eben nicht nur rasend wütend, sondern auch traurig gemacht.)

Zur Sache.

Worum es hier geht: um Macht. Und vor allem um die Frage, was die entscheidenden Kriterien sein sollen, nach denen eine Gruppe jemandem eine öffentliche Anführerposition zugesteht - in Organisationen, Firmen, Politik. Diese Kriterien sind NICHT, wie gerne behauptet wird, vollständig objektiv messbar - vor allem nicht im Vornherein, wenn jemandem ein Posten zunächst einmal zugetraut wird. Sie sind auch kulturell festgelegt.

Was gerade passiert - wofür "eine junge Mutter im Bundesrat" auch ein Code ist -, ist dies: Viele Menschen wollen, dass sich die Kriterien ändern. Das ändert die öffentliche Meinung darüber, wer in den Augen vieler Menschen künftig für Posten in Frage kommt. Oder eben nicht.

Das ist nicht trivial. Das ist dramatisch. Es ändert die Machtverhältnisse.

Wie also ändern sich die Kriterien? Und was bedeutet das? Eine kurze Auswahl.

1. Absolute Aufopferung und Abgehärtetsein wird weniger wichtig. Es zählt nicht mehr so sehr, dass man perfektioniert hat, ein Mann (sic) ohne Privatleben zu sein, ohne Verletzlichkeit, ohne Angreifbarkeit. Stattdessen zählt: ein ganzer Mensch sein, auch mal Schwäche zeigen zu können und Verletzbarkeit.

Ist das eine Verschiebung hin zu traditionell weiblich Konnotiertem? Natürlich. (Endlich!) Tut das manchen weh? 100%. Nicht nur verlieren sie die ihnen bislang zugeschriebene Machteignung - sie haben auch noch ihr Menschsein und ihr Privatleben für absolut gar Nichts geopfert. Kein Wunder, wehren sie sich mit allem, was sie haben.

2. Ständige Präsenz, Kontrolle, individuelle Machtdemonstration werden weniger wichtig - stattdessen zählen Organisation, Teamarbeit, Vertrauen und gemeinsame Ergebnisse mehr. Das bevorzugt bestimmte Menschen - darunter, ja, gerade junge erwerbstätige Mütter, die supergut in Organisation, Teamarbeit und Vertrauen sind, sonst wären sie weg vom Fenster. Und es benachteiligt andere. Finde ich das gut: Hell yes. Finden das Leute gut, deren Stärke uneingeschränkte Präsenz war? Hell no.

Lasst euch nicht täuschen: Es geht hier um Macht.

To be continued.

._.
08. November 2022 um 10:10

of course he can

Ein Krönchen in Sachen "präsent sein" würde ein guter BR als Vater vielleicht nicht bekommen. Aber ein guter Vater kann er trotzdem sein. Gute Väter geben ihren Kindern Liebe, interessieren sich für sie und stossen sie nicht weg. Das ist jobunabhängig. Sonst müsste man auch darüber sprechen, ob gute Ärzte, CEOs, oder im allg. Väter, die viel arbeiten gute Väter sein können.

foto2020pinocovino
Anita Fetz
08. November 2022 um 08:21

Ja klar, aber den Kindern wünsch ich es nicht

Bundesrätin sein ist heute ein 7/24h Knochenjob. Mit internationalen Verpflichtungen, epischen Kommissions- und Parlamentssitzungen in einem rabiaten öffentlichen Umfeld und darum mit immer mehr nötigem Personenschutz. Mit einem Partner, der alles zu Hause übernimmt, einer Generalsekretärin und einem Stab, welche das operative Geschäft managen, ist vieles möglich. Das Problem: keine kantonale Regierungsrätin, kein CEO eines Konzerns ist öffentlich so exponiert, wie ein Mitglied des Bundesrates. Und das werden die Kinder immer und überall zu spüren bekommen: im persönlichen Umfeld, in der Schule, im Sportverein, einfach überall. Egal wie gut die Unterstützung ist.

Pascal Pfister
Pascal Pfister
angefragt durch Bajour

Ein guter Vater vielleicht, aber ein präsenter wohl nicht.

Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass man ein präsenter Vater sein kann als Bundesrat. Ein guter Vater vielleicht, aber Kinderbetreuung im Alltag aufzuteilen, ist nicht realistisch. Der Punkt ist doch: Diese Frage wird immer gestellt, wenn es um Frauen geht. In dem Fall müssen Männer halt auch mal die gesamte Betreuungsarbeit übernehmen – 50:50 reicht da nicht.

Hannes Gassert
Hannes Gassert
angefragt durch Bajour

Das Gremium muss reformiert werden

Das ist eine harte, aber gute Frage: So wie der Bundesratsjob heute definiert ist - Arbeitszeiten von 5 Uhr morgens bis 23 Uhr nachts, und das Ganze 6 Tage die Woche - lässt sich das nicht mit einem Familienleben vereinbaren. Man muss das Gremium grundlegend reformieren. Bereits alt Bundesrat Adolf Ogi hatte vorgeschlagen, die Arbeit der 7 Departemente auf 9 zu verteilen. Die Zeichen verdichten sich: Es muss etwas getan werden.

Egal, ob die Frage auf Männer oder Frauen zutrifft. Sie ist falsch gestellt. Denn wir müssten uns fragen, wie ein BR Amt aussehen sollte, das Beruf und Familie vereinbar macht. Braucht es vielleicht 9 statt 7 Regierungsmitglieder auch hinsichtlich der gestiegenen Aufgaben?

Moritz Leuenberger
Moritz Leuenberger
angefragt durch Bajour

Die öffentliche Präsenz des Vaters ist Gift

Nein, ein Bundesrat kann niemals ein guter Vater sein. Aber nicht deswegen, weil er zu wenig zu Hause sein kann. Ab einem gewissen Alter sind die Kinder noch so froh, wenn die Eltern nicht ständig um sie herum sind. Das ist es nicht. Jedoch ist die öffentliche Präsenz des Vaters (Sie fragen mich ja nur nach dem Vater und nicht nach der Mutter, nicht dass ich einen Vorwurf wegen Gender Ungerechtigkeit erhalte!) Gift für ein Kind in jedem Alter. In der Schule werden sie gehänselt, die Lehrerinnen und Lehrer machen vor der ganzen Klasse Bemerkungen über den Vater. Auf dem Pausenplatz wird gehänselt, von Kindern mit Eltern in anderen Parteien. In den Medien werden die Väter kommentiert, es gibt anonyme Briefe, Stalker, die vor der Türe stehen. Ein Kind wird nur noch auf seinen Vater reduziert. Es kann gar keine soziale Selbstständigkeit entwickeln. Die Öffentlichkeit erwartet, ein Bundesrat soll ein guter Landesvater sein. An seine eigene  Familie denkt sie weniger. 

Aus Erfahrung. Menschen die nie zuhause sind, sind Menschen, die nie zuhause sind. Eine Beziehung lebt nicht vom Geld und Ruhm... sondern von der zusammen verbrachten Zeit. Ein Bundesrat hat die Zeit in sein Amt zu investieren und somit wenig Zeit für die Familie. Aus dem Grund waren Bundesräte bis anhin früher auch immer schon ältere Menschen. Was ich auch besser finde... Lebenserfahrungsmässig anti Lobby und karrieretechnisch sind ältere Menschen meiner Meinung nach besser als Bundesräte.

Esther
07. November 2022 um 13:33

Guter Vater?

100 % Präsenz zu Hause und 100% in der Arbeit geht schlecht. Zudem ist ein Bundesrat der öffentlichen Meinung ausgesetzt und jede:r weiss es besser. Als Kind steht man dazwischen…

Tamara Alù
Tamara Alù
angefragt durch Bajour

Vereinbarkeit erfordert Organisation und Verständnis

Selbstverständlich. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfordert viel Organisation und Verständnis von allen Seiten – geschlechterunabhängig. Die Diskussion zeigt allerdings, dass die Schweiz hier noch Aufholbedarf hat: was für Männer selbstverständlich ist, wird bei Frauen in Frage gestellt. Ich hoffe für unser Land, dass die Person Bundesrätin oder Bundesrat wird, die den bestmöglichen Leistungsnachweis mitbringt – losgelöst von der Diskussion des familiären Umfeldes. Denn schlussendlich ist die Vereinbarkeit ein privater Entscheid der entsprechenden Person.

Sonntagszeitung: Eine Bundesrätin mit kleinen Kindern - geht das?

Solche Diskussionen gibt es nur, wenn eine Frau ein höheres Amt anstrebt. Dass ein Mann nicht qualifiziert sein könnte, weil er kleine Kinder hat, käme niemandem in den Sinn.

Profilfoto Fopp
Andrea Fopp
Bajour

Interessant. Die Mehrheit der Abstimmenden findet (Stand jetzt), dass ein Bundesrat mit der richtigen Unterstützung ein guter Vater sein kann. Was wäre diese richtige Unterstützung? Was braucht man als Eltern im Bundesrat?

Baschi Dürr Teaser
Baschi Dürr
angefragt durch Bajour

Merkwürdige Frage

Auf eine etwas merkwürdige Frage eine kurze Antwort: Ja.

Denke schon, die meisten werden eh in einem Alter BR, wo die Kids schon älter sind. Ich selber würde aber nicht vor Abschluss der Schulzeit an ein politisches Engagement denken, einfach wegen der Exposition. Da hat Leuenberger schon recht.

Urs Peter Schmidt
08. November 2022 um 18:21

Bis zur Selbstaufgabe?

Ich sehe nicht ein, weshalb ein Exekutivmitglied bis zur Selbstaufgabe verfügbar sein muss. Exekutivämter sollten so gestaltet werden, dass die Amtsträger*innen ein Privatleben führen können: Freie Abende, freie Wochenenden, Ferien ohne dauernde Erreichbarkeit. Dann stellt sich auch die Frage nicht, ob jemand in so einem Amt eine gute Mama oder ein guter Papa sein kann.

Hardy Meier
09. November 2022 um 06:22

goot´s no!

Die Entscheidung soll ganz alleine der Kandidatin überlassen werden, bei den Kandidaten tut man das auch. Und wenn sich Herr Leuenberger heute beklagt finde ich das ziemlich schräg, von wegen Landesvater….

heinz
09. November 2022 um 09:13

bundesrat und Familie

Die zeitraubenden Freizeitbeschäftigungen von Herrn Berset (Freundinnen, Sportfliegerei) beweisen, dass kaum ein. Bundesrat an sieben Tagen 24 Stunden nur für sein Land im Einsatz ist. Zudem erlaubt ein Einkommen von einer halben Million Franken pro Jahr die Organisation der Familie so zu gestalten, dass niemand zu kurz kommt. Die SP scheint sich mit ihren Problemen immer weiter von der Wirklichkeit zu entfernen,.

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