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SP-Bundesratswahlen

Wir sind ganz unserer Meinung

Die drei Anwärterinnen aufs höchste Amt der Schweiz präsentierten sich am Donnerstag in Liestal der Basis. Ein Abend der (lokalpatriotischen) Einigkeit.

11/25/22, 12:18 AM

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Die SP Bundesratskandidatinnen Elisabeth Baume-Schneider, Staenderaetin SP-JU, Eva Herzog, Staenderaetin SP-BS und Evi Allemann, Regierungsraetin SP-BE, links nach rechts,.nach einem oeffentlichen Hearing, am Montag, 21. November 2022 im Neubad, dem ehemaligen Hallenbad der Stadt Luzern, in Luzern. Die SP-Kandidatinnen Herzog, Allemann und Baume-Schneider kandidieren fuer die Nachfolge der zurueckgetretenenÊ Bundesraetin Simonetta Sommaruga und praesentieren sich an oeffentlichen Anhoerungen. Mit den vier oeffentlichen Hearings, welche die Partei in dieser Form zum ersten Mal durchfuehrt, will die SP den Parteimitgliedern und der Bevoelkerung die Moeglichkeit geben, die Bundesratskandidatinnen kennenzulernen. (KEYSTONE/Michael Buholzer)

Elisabeth Baume-Schneider (Jura), Eva Herzog (hier!) und Evi Allemann (Bern). (Foto: Keystone/ Michael Buholzer)

Politik ist ein hartes Geschäft. Und nichts ist härter als Bundesratswahlen. Hier gibt es alles zu gewinnen. Und ebenso viel zu verlieren. Am Donnerstagabend ist von Konkurrenzkampf aber wenig zu spüren bei den Genoss*innen in Liestal. Draussen leuchten Weihnachtslichter von den Bäumen. Drinnen im vollen Saal des Kulturhotels Guggenheim legen Schweinwerfer warmes, rotes Licht auf die drei SP-Bundesratskandidatinnen, die sich hier der Basis präsentieren – und sich eigentlich fast überall einig sind. 

Nur einmal droht die Stimmung kurz zu kippen. Ein junger Mann aus dem Publikum fragt die Basler Kandidatin Eva Herzog, sie habe sich doch als junge Frau für einen «Weltladen» eingesetzt. Doch jetzt gleise sie Steuersenkungen auf, welche laut der NGO Alliance Sud den Ländern des Südens Geld entziehe. «Wie geht das auf?»

«Das meinst du nicht»

Eva Herzog tut, was sie bei kritischen Fragen gerne tut: Sie antwortet mit Ironie und technischer Politkompetenz. Und verweist auf Sozialabgaben, die sie im Rahmen von Steuersenkungen rausgeholt hat. «Ich weiss jetzt nicht, von welcher Steuerreform du sprichst», sagt sie zum jungen Mann: «Im Kanton Basel-Stadt haben wir die untersten Einkommen steuerbefreit. Das meinst du nicht. Auch haben wir die Prämienverbilligung im Rahmen einer Steuerreform erhöht. Das meinst du nicht.» Er meine wahrscheinlich die Unternehmenssteuerreform. Diese sei eine Folge der Abschaffung von Steuerregimes, die in der OECD nicht mehr erlaubt seien. Wenn Unternehmen den Hauptsitz hier hätten, würden sie auch hier besteuert. «Man kann jetzt sagen, diese Firmen müssen den Hauptsitz im globalen Süden haben. Aber das hat mit dem Abzug von Steuergeld nichts zu tun.»

Es geht um die OECD-Mindeststeuer. Ab 2024 sollen Unternehmen ab einem Umsatz von über 750 Millionen Euro mindestens 15 Prozent Steuern zahlen. Die SP will, dass die Einnahmen an den Bund fliessen. Doch Eva Herzog macht sich im Ständerat, zusammen mit Bürgerlichen, dafür stark, dass 75 Prozent bei den Kantonen bleiben. Der Grund: Ihre Kollegin, die Basler Regierungsrätin Tanja Soland, will etwas vom Geld zurück an Novartis und Co. fliessen lassen, damit diese trotz höherer Steuern nicht abwandern.

In der SP sorgt das über die Kantonsgrenze hinweg für Auseinandersetzungen. Die Baselbieter Nationalrätin Samira Marti kritisierte im September noch auf Twitter:

Aber eben, seit in der SP ein Bundesratssitz zu gewinnen ist und die Region mit Eva Herzog nach 50 Jahren endlich wieder einmal Chancen hat, herrscht in der Region lokalpatriotische Einigkeit: Herzog kann das. Herzog soll das. Sowohl Jusos, die sich selbst gerne als den linken Stachel im Fleisch der Sozialdemokratie bezeichnen, als auch viele Bürgerliche (mit Ausnahme von LDP-Nationalrätin Patricia von Falkenstein) haben sich noch so gerne eingespurt. Wenig zu spüren vom häufig beklagten, fehlenden überparteilichen regionalen Zusammenhalt.

Zurück ins Hotel Guggenheim: Eva Herzog positioniert sich als Politikerin der Gleichstellung («Frauen muss man nicht anders behandeln als Männer. Sie sind nicht weniger wert.»). Die Berner Regierungsrätin Evi Allemann betont mehrmals, sie sei seit 25 Jahren in Ämtern und macht sich fürs Klima stark («Es braucht Investitionen in den öffentlichen Verkehr und Erneuerbare.») und die jurassische Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider präsentiert sich als Sprachrohr der Armutsbetroffenen und der Menschen auf dem Land und erntet mit ein paar pointiert linken Aussagen Szenenapplaus. Wo würde sie sparen? «In der Rüstungsindustrie.» Welches Land würde sie als Bundesrätin gerne besuchen? «Sicher nicht Amerika.»

«Jositsch braucht es nicht»

Und obwohl, oder gerade weil dieser Abend eine reine Werbeveranstaltung ohne die übliche Kritik und Gegenwehr ist, sieht man sehr glückliche Sozialdemokrat*innen im übervollen Saal. Eine Frau flüstert ihrer Sitznachbarin zu: «Toll. Wir haben drei so kompetente Frauen.» Und eine andere sagt nachher: «Daniel Jositsch braucht es gar nicht.»

Sogar ein wenig Ehrfurcht in dieser «Alle-Menschen-sind-gleich»-Partei kommt auf. Die Baselbieter SP-Präsidentin Miriam Locher,  welche die Diskussion moderiert, sagt: «Ich fühle mich extrem geehrt, eine zukünftige Bundesrätin hier vorne am Pult zu haben.» Nach dem Podium schwärmt eine andere Sozialdemokratin einem Journalisten vor: «Herzog war deutlich die Kompetenteste.» 

Bei Bundesratswahlen (und auch sonst) entscheidet, aber bekanntlich nicht nur, Kompetenz. Welche zwei Frauen die nationale SP-Fraktion am Samstag auf das Ticket setzt, hängt auch von Sympathien, regionaler Herkunft und Machtspielen ab.

** Auf Telebasel kann man das Hearing nachsehen **.

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