Unterstützung muss ernst gemeint sein

Elisabeth Schneider-Schneiter kritisiert die Frauenförderung ihrer Mitte-Partei. Sie habe die Unterstützung der Parteispitze zu wenig gespürt. Die Kritik sollte sich nicht nur die Mitte-Führung zu Herzen nehmen. Ein Kommentar.

Philipp Matthias Bregy, Mitte-VS, rechts, spricht mit Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-BL, links, waehrend der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 29. Mai 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Ein Schwatz zwischen Elisabeth Schneider-Schneiter und Philipp Matthias Bregy während der Sommersession 2024. (Bild: KEYSTONE / ANTHONY ANEX)

Also doch nicht. Die Baselbieter Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter hat am Montagmorgen um 10.30 Uhr auf der Nachrichtenplattform X ihren Verzicht für eine Bundesratskandidatur bekanntgegeben. Laut ihrer kurzen Erklärung steht die Weiterführung ihrer Aussen- und Wirtschaftspolitik dabei im Vordergrund: «Ich sehe mich in der Verantwortung, mich weiterhin im Parlament und mit meinen Mandaten für eine starke Wirtschaft und eine offene und vernetzte Schweiz sowie für eine humanitäre internationale Zusammenarbeit zu engagieren.»

Der Verzicht auf eine Kandidatur ist schade; Schneider-Schneiter wäre in mehrfacher Hinsicht eine gute Alternative zu Bauernpräsident Markus Ritter aus dem Kanton St. Gallen gewesen. Mit der profilierten Europa- und Aussenpolitikerin hätte das Parlament eine veritable Auswahl erhalten: Frau gegen Mann, Gewerbevertreterin gegen Bauernvertreter, urban gegen ländlich. Das Gleiche gilt für die Zürcher Mitte-Nationalrätin Nicole Barandun, die ebenfalls am Montag Nein gesagt hat. Oder für die Luzerner Mitte-Ständerätin Andrea Gmür, die ihren Verzicht schon vergangenen Freitag bekannt gegeben hatte.

So bleiben der Mitte zwei Männer-Kandidaturen für das Bundesratsticket: Neben Ritter hat auch der Zuger Nationalrat Martin Pfister sein Interesse bekundet. Ein männliches Zweierticket, dem es sachpolitisch nicht an Kompetenz fehlt. 

Elisabeth Schneider-Schneiter,
«Viele Frauen spüren die Unterstützung der Parteispitze zu wenig.» 
Elisabeth Schneider-Schneiter, Baselbieter Mitte-Nationalrätin

Doch die Absage von Schneider-Schneiter, die seit 2017 als Präsidentin der Handelskammer beider Basel über ordentlich Führungserfahrung verfügt, ist bemerkenswert. In ihrem Schreiben findet sich im letzten Absatz denn auch ein unübersehbarer Seitenhieb an die Reihen der Männer ihrer Mitte-Partei, wenn sie schreibt: Die Mitte sei gefordert, bei der Besetzung von Spitzenpositionen künftig frühzeitig und nachhaltig Frauen zu berücksichtigen. 

Wollte sie vielleicht doch? Und wurde ausgebootet? So will das niemand bestätigen. Schneider-Schneiter, die 2018 schon einmal für den Bundesrat kandidierte, es dann aber nicht aufs Ticket schaffte, sagt dazu lediglich: «Viele Frauen spüren die Unterstützung der Parteispitze zu wenig.» 

Doch reicht eine Organisation unter den Frauen, um dem Boys Club Kante zu geben und sich ins politische Machtgefüge einzubringen? Wohl kaum.

Es stellt sich die Frage, ob die Mitte in Sachen Frauenförderung anderen Parteien hinterherhinkt? Oder ist gar Noch-Präsident Gerhard Pfister schuld?

Für Bajour war er am Montag nicht erreichbar, aber an der Medienkonferenz betonte er zusammen mit Fraktionspräsident Philipp Matthias Bregy gleichentags, dass die Partei in der Vergangenheit bereits Frauen erfolgreich gefördert hätte. Tatsächlich waren vier der zehn Mitte- respektive CVP-Bundesrät*innen Frauen, (vorausgesetzt man zählt Eveline Widmer-Schlumpf dazu, die von der SVP zur BDP wechselte, welche letzten Endes mit der CVP zur Mitte fusionierte).

Mehr Frauen in die Landesregierung

Auch Mitte-Frauen-Präsidentin Christina Bachmann-Roth will auf Anfrage nicht von einem «Mitte-Problem» sprechen. Es sei vielmehr ein gesellschaftliches, das sich auch in der Partei zeige. Bachmann-Roth findet es jedoch gut, dass im Rahmen der Kandidierenden-Suche breit gefordert wurde, dass es mehr Frauen in der Landesregierung brauche. Sie sagt: «Nun muss der Druck hoch gehalten werden, auch bei den anderen Parteien.» So habe es beispielsweise die SVP, die mit zwei Sitzen im Bundesrat vertreten ist, noch nie geschafft, eine Frau in das Amt zu hieven. 

Zudem müssten intern Spitzenpositionen auch mit Frauen besetzt werden, findet neben Schneider-Schneiter auch Bachmann-Roth. 

Zu besetzen gilt es auf Juni etwa die Nachfolge von Präsident Gerhard Pfister. Für dieses Amt dürfte sich unter anderen der jetzige Fraktionspräsident Bregy interessieren. Hier forderten die Mitte-Frauen paritätische Mitsprache in der Findungskommission. Frei werden würde dann allenfalls auch Bregys jetziger Posten: das Fraktionspräsidium. Und frei wird eben auch der Sitz von Amherd im Bundesrat, der nun vermutlich mit einem Mann besetzt wird, ausser es kommt zu einer wilden Wahl. 

Bachmann
«Nun muss der Druck hoch gehalten werden, auch bei den anderen Parteien.»
Christina Bachmann-Roth, Präsidentin der Mitte-Frauen

Pfister und Bregy betonten am Montag, dass sich die Mitte in der Vergangenheit immer an die Spielregeln gehalten habe. Ein impliziter Aufruf also an die anderen Parteien sowie die eigene Partei, nicht vom Ticket abzuweichen. 

Der «Boys Club» macht’s

Trotz der bis anhin positiven Bilanz der Mitte, was ihre Bundesrätinnen angeht, bestätigen Exponentinnen der Partei, dass es auch hier einen sogenannten «Boys Club» gibt, der alles untereinander auszumachen scheint. Und das dürfte das Gegenteil eines unterstützenden Umfelds sein, wie es sich Frauen wünschten, um sich zu exponieren.

Bachmann-Roth von den Mitte-Frauen findet, die «Frauen sind so clever, dass sie sich untereinander organisieren». Es waren auch sie, die sich vor Kurzem mit Pfister anlegten, indem sie von ihm eine Untersuchung zum Arbeitsklima im Generalsekretariat forderten. Pfister verzichtete daraufhin auf eine Bundesratskandidatur, auch eine wilde Wahl würde er nicht annehmen, wie er vor den Medien sagte.

Doch reicht eine Organisation unter den Frauen, um dem Boys Club Kante zu geben und sich ins politische Machtgefüge einzubringen? Wohl kaum. Pfister weiss genau, dass er die Frauen braucht. Auch seine Nachfolge sollte sich dem bewusst sein, will heute doch niemand mehr in einer reinen Männerdomäne tätig sein. Demnach sollte nicht nur, aber auch in der Mitte an einem Klima gearbeitet werden, in dem sich Frauen ernsthaft unterstützt fühlen. Dann finden sie auch leichter den Mut und die Energie, sich für ein Spitzenamt wie jenes im Bundesrat oder in der Parteileitung zu bewerben. Nun müssen Taten auf Worte folgen.

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Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

Kommentare

Ines Petersen
03. Februar 2025 um 18:25

Ob Frau od. Mann od. Div. - Die Besten fürs Land in den BR....

Wieso geht die stets hauchknapp-gewählte (trotz höchstem Wahlwerbebudget aller Nationalrät*innen schweizweit) E. Schneider-Schneiter nicht "in den Ring"? Als Frau? SIE weiss warum. Ihre "Die-Mitte"-Family, wie sie sich nennen, ist total zerstritten. Generalsekräterin-Mauscheleien in der Zentrale - Gerhard Pfister mit vielen Freunden und vielen Feinden -auch intern usw. Schneider-Schneiter hätte noch weniger Chancen als bei iher ersten Bundesratskandidatur vor 6 Jahren, welche damals schon heftig bachab ging. Die stärkste und heftigste EU-Turbine (weiblich für EU-Turbo) unter der Bundeshauskuppel, welche alles der EU und der Wirtschaft unterstellt, hat keine Chance und wäre ein denkbar schlechtes Aushängeschlid (was Bundesräte/innen für ihre jeweilige Partei ja stark sind) für die ramponierte "Die-Mitte"-Partei. Die EU zerfällt, der Lack ist ab und der Tanz auf dem gänzenden Brüssler-EU-Parket beendet. Ich finde, die Beste/der Beste muss in den BR - egal ob Frau od. Mann. Einverstanden?