«Weil ich muss» – Warum SP-Finanzdirektorin Soland die Steuern senkt
Tanja Soland gilt als Sozialdemokratin mit klar linkem Profil. Doch als Regierungsrätin bereitet sie Steuersenkungen und Pharmasubventionen vor, die mehr nach FDP tönen. Warum? Ein Interview.
Tanja Soland (SP) ist erst seit 1. Februar 2020 Finanzdirektorin. Im Gegensatz zu anderen Regierungsrät*innen fliegt sie mehrheitlich unter dem medialen Radar. Sie wurde nach dem Rücktritt von Eva Herzog während der laufenden Legislatur gewählt. Bei der Erneuerungswahl am 25. Oktober 2020 erzielte sie das beste Resultat aller Exekutivmitglieder (33'175 Stimmen). Davor war Soland Grossrätin, unter anderem als Fraktionspräsidentin. Beruflich hat sie als Anwältin gearbeitet.
Die Themen des Interviews:
- Steuersenkungen für Basler Bewohner*innen
- Subventionen für Roche, Novartis und Co.
- Der Sparwille der Basler Regierung
- Kostenmiete und Rendite in der Wohnpolitik
Tanja Solands Büro ist am Fischmarkt 10, im vierten Stock. An der Glastür hängt ein Foto von ihrer Hündin Canela, darunter steht: «Achtung, Bürohund.» Das Körbli im hellen Büro der Finanzvorsteherin ist leer.
Tanja Soland, wo ist Canela?
Sie kommt jeweils am Montag und Freitag. Heute ist sie nicht da.
Sie haben sich Canela während des Wahlkampfs zur Regierungsrätin angeschafft. Unter anderem, damit Sie einen Grund haben, den Kopf aus den Akten zu nehmen. Nützt’s?
Ja, ich finde schon. Sie muss laufen gehen. Da kann ich nicht einfach sagen: Geht nicht, ich arbeite. Das Spazieren hilft mir beim Nachdenken.
Dürfen die anderen Mitarbeiter*innen auch den Bürohund mitnehmen?
Ja. Am Anfang gab es einzelne Personen, die mich gebeten haben, es den anderen Mitarbeiter*innen zu verbieten.
Das können Sie nicht machen, als Chefin.
Nein, für alle gelten dieselben Regeln: Man darf den Hund mitnehmen, wenn die Kolleginnen und Kollegen rundherum einverstanden sind und wenn sich das Tier bei direktem Kundenkontakt in ein Büro zurückziehen kann. Lustigerweise haben meine Mitarbeitenden mittlerweile Mühe, wenn ich Canela nicht mitbringe. Sie haben sogar etwas für ihren Geburtstag geplant.
Viele Linke haben sich erhofft, dass Sie linker regieren als Ihre Vorgängerin, Eva Herzog. Wo würden Sie sich einordnen auf einer Skala von 1-10? 1 wäre theoretisch ein SVP-Regierungsrat, 10 eine Basta-Regierungsrätin, beides gibt es ja nicht in unserem Kanton.
Das ist eine schwierige Frage. Meine Meinungen haben sich nicht geändert, aber meine Rolle. Als Regierungsrätin bin ich für die ganze Bevölkerung zuständig, nicht nur für linke Menschen. Einmal bin ich bei einer 7, einmal bei einer 2.
Bei einer 2? Das ist aber nahe der SVP.
Wenn der Grosse Rat mir einen Auftrag gibt, setze ich das nach bestem Wissen und Gewissen um.
So wie bei den Steuersenkungen, die Sie angekündigt haben? Wer wird davon profitieren? Hohe oder tiefe Einkommen?
Zum Teil liegen konkrete Vorschläge vor, die ich umsetzen muss, da habe ich keinen Spielraum. Beispielsweise die Gemeindeinitiative aus Riehen.
Die Gemeindeinitiative will, dass alle Familien 300 Franken weniger Steuern pro Kind zahlen.
Die Regierung wird deshalb schauen, dass Familien mit Kindern sicher profitieren.
Gemäss einer Studie im Auftrag der Handelskammer sind in Basel-Stadt vor allem obere Einkommen stark belastet. Eine FDP-Motion fordert deshalb, dass der Steuerfuss gesenkt wird.
Ich möchte, dass alle Bewohner*innen im Kanton etwas davon haben. Wenn wir nur die Oberen entlasten, gibt es ein Referendum und dann hat das Vorhaben keine Chance.
«Alleinstehende oder ältere Personen profitieren nicht von Gratis-Kitas.»
Was ist mit den Familien mit geringem Einkommen? Ein Viertel der Basler Bevölkerung zahlt keine Steuern.
Darauf haben wir mit Steuersenkungen keinen Einfluss.
Sicher? Beim Steuerkompromiss hat man Steuern gesenkt, dafür aber auch mehr Prämienverbilligungen erhöht, damit auch Armutsbetroffene etwas bekommen.
Solche «artfremden» Sachen werden wir nicht in die Steuersenkungsvorlagen reinpacken. Die Situation ist eine andere als damals.
Können die Wähler*innen es nachvollziehen, wenn eine sozialdemokratische Regierungsrätin als eine der ersten Amtshandlungen gleich Steuersenkungen verspricht?
Ich hoffe, sie verstehen es, weil ich muss. Ich habe Vorstösse aus dem Grossen Rat, die ich umsetzen muss. Und der Kanton Basel-Stadt hat strukturelle Überschüsse (im 2022 sind 72 Millionen Franken budgetiert, Anm. der Red.). Es entspricht daher einer gewissen Logik. Zudem muss ich sagen: Der Vorstoss Herter ist gerecht, weil er alle betrifft.
Balz Herter von der Mitte fordert, dass man die Krankenkassenprämien von den Steuern abziehen kann. Ein altes Anliegen, das die SP immer bekämpft hat.
Alle zahlen Krankenkassenprämien. Wenn ich dagegen fordere, dass die Kita für alle im Kanton gratis ist, haben nur die Menschen mit Kindern etwas davon. Alleinstehende oder ältere Leute, die es vielleicht auch nicht einfach haben, profitieren nicht. Das ist auch ein Teil der sozialen Gerechtigkeit, die man nicht unterschätzen sollte.
Die Initiative für Gratis-Kitas, die Sie als ungerecht bezeichnen, stammt von der SP. Ziel ist es, Frauen die Erwerbsarbeit zu erleichtern. Erreicht man das auch mit tieferen Steuern?
Ja, es gibt einen Vorstoss von Mark Eichner (FDP), der fordert, dass man die Betreuungskosten von den Steuern abziehen kann.
Aber die Menschen, die Prämienverbilligungen kriegen und keine Steuern zahlen, haben nichts davon. Das sind Leute mit kleinem Portemonnaie – klassisches SP-Klientel.
Für sie haben wir auch einen Vorschlag, aber darüber darf ich nicht sprechen, weil er noch nicht verabschiedet wurde.
Wenn ich Ihnen zuhöre, bekomme ich den Eindruck, dass Ihnen die bürgerlichen Steuersenkungsvorstösse lieber sind als die Gratis-Kitas der eigenen Partei.
Zu der Initiative für Gratis-Kitas kann ich nicht viel sagen. Die Regierung ist bekanntlich an einem Gegenvorschlag. Sicher ist: Heute zahlen die tieferen Einkommen weniger Kitabeiträge als hohe. Gutverdienende würden dafür von einer Steuersenkung profitieren. Die beiden Vorschläge haben miteinander zu tun, die Regierung denkt die Geschäfte zusammen, deshalb kommen wir zuerst mit der Steuersenkung und später mit dem Gegenvorschlag zur Kita-Initiative.
«Andere Länder zahlen Fachkräften aus dem Ausland Sozialbeiträge, um attraktiv zu sein. Das goutieren die Schweizer*innen nicht.»
Ist es der richtige Moment für eine Steuersenkung? Eigentlich hätten Sie dieses Jahr die dritte Senkung der Unternehmenssteuerreform umsetzen wollen. Aber jetzt mussten Sie diese wegen der Pandemie und der kurzzeitigen Rezession in der Schweiz verschieben.
Das haben nicht wir entschieden, sondern das steht im Gesetz – es ist ein Automatismus.
Der Automatismus hat einen politischen Zweck: Man muss sich eine Steuersenkung leisten können. Nicht?
Im Gesetz ist fix geschrieben, dass der nächste Senkungsschritt der Unternehmenssteuerreform nicht umgesetzt werden kann, wenn das Schweizer Bruttoinlandprodukt in zwei Quartalen hintereinander negativ ist. Aber wenn man es sich anschaut, sieht man: Wir hatten in Basel keine breite Rezession, nur einzelne Branchen wie die Gastronomie hat gelitten und die ist für die wirtschaftliche Lage im Kanton nicht so relevant. Wir hätten die Steuersenkung problemlos umsetzen können.
Hat die Regierung ein schlechtes Gesetz ausgearbeitet?
Nein, wer hätte schon gedacht, dass eine Pandemie kommt, welche einzelne Branchen derart trifft. Normalerweise geht es in einer Rezession allen Firmen schlecht.
Was würden Sie tun, wenn Sie selbst entscheiden könnten?
Vielleicht hätten wir noch ein wenig abgewartet, was bei der OECD-Steuerreform passiert, bevor wir Steuersenkungen geplant hätten. Das gäbe uns Zeit, herauszufinden, wie wir den Standort attraktiver machen können.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hat beschlossen, dass Mitgliedstaaten für Grosskonzerne bis ins Jahr 2023 einen Steuersatz von mindestens 15 Prozent haben müssen. Basel-Stadt hat aktuell ca. 13 Prozent. Die Erhöhung trifft in Basel-Stadt ungefähr 50 grosse Firmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Franken im Jahr. Der Kanton dürfte so wesentlich mehr Steuereinnahmen bekommen. Die Handelskammer fordert aber, dass man die Mehreinnahmen an Novartis, Roche und Co. in anderer Form zurückbezahlt, damit sie in Basel bleiben.
Sie haben ja bereits ein paar Vorschläge präsentiert: Sie wollen beispielsweise die Pharma subventionieren.
Das habe ich so nie gesagt.
Was haben Sie gesagt?
Die Basler Regierung hat drei Bereiche gefunden, in denen man überhaupt etwas machen könnte, das auch der Pharma etwas nützt. Einer davon sind staatliche Beiträge für Forschung und Innovation. Das machen sehr viele Staaten, Basel-Stadt bislang nicht. Ausser einer Partnerschaft mit dem Augenforschungsinstitut IOB, wo wir die Forschung direkt unterstützen. Die Pandemie hat gezeigt, dass solche Partnerschaften Vorteile haben: Ich weiss nicht, ob wir heute bereits Corona-Impfstoffe hätten, wenn die USA nicht so viel Geld in die Forschung dazu investiert hätten. Wir wollen solche Forschungsgelder prüfen.
Die Novartis hat letztes Jahr 24 Milliarden Gewinn gemacht und Roche 15 Milliarden. Haben sie wirklich Staatsgelder nötig?
(Soland macht eine Pause). Ich denke, man müsste das prüfen: So gibt es beispielsweise Forschungsbereiche, die sich für Privatunternehmen nicht lohnen. Beispielsweise im Bereich seltener Krankheiten oder Impfstoffe, mit denen man kaum Gewinn macht.
… oder bei Antibiotika gegen resistente Keime …
Der Staat könnte dort Geld geben, wo die Forschung keine Investor*innen findet. Die Firmen sagen uns natürlich, dass sie froh sind, wenn sie auch Vorteile haben, wenn sie schon so hohe Steuern und Arbeitskosten zahlen. Sonst sagen sie sich vielleicht: Wir gehen lieber in die USA, dort bekommen wir 10 Millionen Franken. Das ist eine Konkurrenzfrage.
Gut, aber akzeptiert die Pharma dann Ihre Bedingungen? Vielleicht gibt die USA den Firmen einfach einen Blankoscheck, mit dem sie tun und lassen können, was sie wollen.
Wir sind noch in den Anfängen unserer Überlegungen, wir haben noch keine Expertise darin. Basel-Stadt wäre froh, wenn der Bund einen Rahmen vorgäbe.
Das will Bundesrat Ueli Maurer (SVP) aber nicht.
Es kommen Signale.
Haben Sie ihn angerufen?
Wir haben Sitzungen.
Ähnliche Vorschläge habe ich von Luca Urgese und seiner Handelskammer gehört.
Wir sind natürlich im Gespräch mit der Handelskammer und verschiedenen Firmen und loten aus, was für die hiesige Wirtschaft und den Kanton infrage käme. Andere Länder zahlen beispielsweise Fachkräften aus dem Ausland Sozialbeiträge, um attraktiv für Spitzenleute zu sein. Das können Sie bei uns vergessen, das goutieren die Schweizer*innen nicht. Aber wenn man Forschung unterstützt, die allen nützt, ist das sinnvoll.
Während Sie hier in Basel-Stadt der Pharma den Teppich ausrollen, fordert die SP Schweiz eine stärkere Kapitalbesteuerung und bekämpft Steuersenkungen für Firmen – jetzt ist die Bevölkerung ihr gerade wieder gefolgt und hat die Abschaffung der Stempelsteuer abgeschmettert*.
Solche Fragen wie die Besteuerung der Kapitalgewinne muss man auf Bundeseben angehen. Auf Kantonsebene ist das schwierig.
Reden wir noch übers Geldausgeben. Seit Jahren steigen in Basel-Stadt die Ausgaben. Wird sich das unter Ihnen ändern?
Wenn man einen finanziellen Spielraum hat, kann man auch wachsen. Das hängt auch damit zusammen, dass der Kanton immer attraktiver wird, was wiederum mehr Leute und mehr Firmen anzieht. Das kostet.
Das Bevölkerungswachstum kann nicht der einzige Grund sein. Die Ausgaben werden pro Kopf gerechnet und sind überdurchschnittlich gewachsen. Basel-Stadt hat die zweithöchsten Ausgaben der Schweiz pro Person.
Es ist ein Teil. Wir machen viel für Firmen und Arbeitsplätze und sind ein Zentrumskanton. Wir geben unser Geld nicht nur für die Bevölkerung hier aus, sondern für das ganze Umland.
Bildung und soziale Sicherheit machen die Hälfte der Ausgaben aus, von Letzterem hat das Baselbiet nichts. Welches Sparziel haben Sie sich denn vorgenommen? Die Regierung muss ja jede Legislatur überprüfen, ob der Kanton effizient arbeitet, dieses Mal ist die Digitalisierung dran.
Die Aufgabenüberprüfung hat kein Sparziel in sich. Sie überprüft vor allem die Effizienz: Welche Aufgaben und Arbeitsschritte sind sinnvoll und welche nicht? Bei der Digitalisierung geht es um einen Service Public.
Was heisst das?
Nehmen Sie die Steuererklärung. Die Bevölkerung wächst, also braucht es theoretisch mehr Personal für die Steuerveranlagungen. Wenn man nun aber die Steuererklärungen digitalisiert, kann man auf den Personalausbau verzichten und der Bevölkerung einen zusätzlichen Service bieten.
Sind wir ehrlich: Eine Aufgabenüberprüfung ohne konkretes Sparziel bringt doch nichts. Niemand, nicht einmal bürgerlich geführte Departemente, sparen freiwillig Geld ein.
Die Aufgabenüberprüfung, wie sie jetzt definiert ist, ist halt kein Sparauftrag. Wenn der Grosse Rat das gewollt hätte, hätte er das so definieren müssen.
Sie sind Finanzdirektorin: Könnten Sie nicht selbst ein Sparziel setzen?
Ich könnte es in die Regierung einbringen, dann entscheidet die Gesamtregierung.
Und machen Sie das?
Nein.
Warum nicht?
Weil es keinen Grund gibt, Leistungen abzubauen. Es gibt andere Mittel und Möglichkeiten zu schauen, dass man effizienter wird. Beispielsweise, indem man Anreize bietet.
Was für Anreize?
Sagen wir, ein Departement hat z. B. 1000 Aufgaben. Dann wünscht der Grosse Rat noch 20 oben drauf. Wenn die Regierung diesen vom Parlament gewünschten Mehraufwand erledigt, braucht es Ressourcen. Wenn ich als Vorsteherin meinem Departement sage: Wir überprüfen alle Aufgaben und schauen, ob es überflüssige gibt, damit wir die eingesparten Ressourcen für die neuen Aufgaben nutzen, ist die Motivation gross. Sage ich einfach: «Spart mal», ist die Motivation klein.
Offenbar ist der Spardruck in unserem Kanton dank der florierenden Pharma einfach zu klein.
Wir haben nicht nur so viel Geld wegen der Pharma. Das ist ein Teil. Wir haben auch sehr hohe Erträge aus der Einkommenssteuer und Vermögenssteuer.
Wie ist das Verhältnis?
Insgesamt machen die Unternehmenssteuern rund ein Viertel der gesamten Steuererträge aus. Drei Viertel sind natürliche Personen.
Das habe ich vorher noch nachgeschlagen. Aber Sie können nicht sagen, wieviel davon die Pharmabranche beziehungsweise Angestellte der Pharma zahlen, oder?
Nein.
Unter dem Strich hat der Kanton sehr viel Geld. Ich frage nochmals: Verleitet das die Regierung zum Geldausgeben, wo es nicht nötig ist?
Natürlich, wenn man Geld hat, gibt man es auch leichter aus. Wir sind ein grosser Betrieb und ein Stadtkanton mit Zentrumsleistungen, das kostet. Aber wir geben uns Mühe, effizient zu arbeiten. Aber die Regierung ist auch nicht alleinige Treiberin der Ausgaben, das Parlament gibt uns auch Aufgaben.
Also haben wir auf der einen Seite eine Regierung, die kein konkretes Sparziel formulieren will und auf der anderen Seite ein Parlament, das trotz bürgerlicher Mehrheit (in Finanzfragen) gerne Mehrausgaben beschliesst. Aus unternehmerischer Sicht könnte man sagen: eine Ausgabenpolitik des Schreckens.
Das ist jetzt vielleicht ein wenig überspitzt. Wir haben tatsächlich Geld. Ich kenne das von mir persönlich: Wenn ich mehr Geld zur Verfügung habe, dann gebe ich mehr aus. Wir haben sicher ein paar Leistungen, die wir anbieten, bei denen es aus meiner Sicht nicht so schlimm wäre, wenn wir sie nicht mehr anbieten würden. Aber wir befürworten ja nicht einfach jede Idee für zusätzliche Ausgaben.
Zum Beispiel?
Die gedeckte Radrennbahn, zum Beispiel.
Eine Motion des grünen Velokuriers und Grossrats Jérôme Thiriet.
Das wollte der Regierungsrat nicht. Der Grosse Rat hat ein Hallenbad gefordert, dem nehmen wir uns jetzt an. Aber dann müssen wir nicht auch noch eine Radrennbahn bauen.
Der Grosse Rat hat auch gegen die Rennbahn gestimmt. Aber die Regierung will mehr Wohneigentum. Kürzlich hat die Regierung das Clara Areal gekauft. Wie finanzieren Sie das, erhöhen Sie die Mieten in anderen kantonalen Liegenschaften?
Wieso sollten wir das tun? Das Clara Areal ist kein Verlustgeschäft. Es ist eine Investition, die sich irgendwann trägt. Wir können das Geld wieder reinholen.
Wann?
Das kann ich nicht sagen, wir müssen langfristig denken.
Haben Sie das nicht ausgerechnet, bevor Sie es gekauft haben?
Nein. Wir haben geschaut, ob das Areal eine Rendite hat. Die hat es.
Wie hoch ist sie?
Das weiss ich nicht auswendig.
War die Höhe der Rendite beim Regierungsentscheid nicht so wichtig?
Ja, es ist nicht so, dass wir das Gefühl hätten, es handle sich dabei um eine Milchkuh die man unendlich melken könne. Es ist ein grosses Areal, wo man die Wohnungen und die Mieten schützen kann. Der Wohnschutz ist der Wunsch der Bevölkerung, das hat sie mit dem Ja zur Initiative für einen echten Wohnschutz bekräftigt. Die Wohnungen sind in gutem Zustand, man konnte sie ohne Verluste übernehmen. Der Kauf war wirtschaftlich eine gute Investition, sonst wäre es schwierig mit dem Finanzhaushaltsgesetz zu vereinbaren gewesen.
Wenn Sie sanieren und die Mieten erhöhen würden, könnte der Kanton eine viel höhere Rendite machen. Handelt es sich also um eine indirekte Subvention?
Das könnte man bei jeder Liegenschaft im Eigentum des Kantons sagen. Unser Auftrag ist, dass sich Investitionen nicht nur finanziell, sondern auch gesellschaftlich lohnen. Das ist das, was die Bevölkerung verlangt und im Finanzhaushaltsgesetz steht. Sobald ich einen Miet- oder Baurechtszins erhöhe, bekomme ich böse Briefe.
Gemäss verschiedenen Medien hat der Kanton 200-300 Millionen Franken für das Areal bezahlt. Warum veröffentlichen Sie den Preis nicht?
Das wurde so im Vertrag festgelegt. Es ist oft die Verkäuferschaft, die nicht möchte, dass so etwas publik gemacht wird. Wenn der Kanton als Einziger über unsere Preise Auskunft gibt, verkauft uns niemand mehr Immobilien.
Im Kanton Genf werden Verkaufspreise immer öffentlich gemacht, wenn der Kanton der Käufer ist.
Das wusste ich nicht. Natürlich wäre es wünschenswert, man könnte alles offenlegen, aber wenn der Kanton als gleichberechtigter Partner am Immobilienmarkt teilnehmen will, müssen für ihn die gleichen Regeln gelten wie für die anderen auch.
Genf hat ein staatliches Vorkaufsrecht. Wenn zwei Private einen Preis aushandeln, kann der Kanton reingrätschen und die Immobilien zum ausgehandelten Preis kaufen. Würden Sie ein solches Vorkaufsrecht in Basel-Stadt begrüssen?
Das kann ich so nicht sagen. Es gab Aufträge im Parlament, die verworfen wurden. Wenn man mehr Liegenschaften kaufen möchte, würde es sicherlich die Verhandlungsposition des Kantons vereinfachen, wenn er jedes Mal automatisch einbezogen werden würde.
... ca. 3 Arbeitstage in dieses Interview investiert, Praktikant Alex hat ihr geholfen. Macht 1500 Franken Arbeitsaufwand (wenn man den empfohlenen Tagesansatz nimmt, was wenige Verlage sich leisten können). Hilfst du zahlen?
Werden Sie noch mehr Liegenschaften oder Boden im Namen des Kantons kaufen?
Es gibt einen Auftrag im Finanzhaushaltsgesetz und die Bevölkerung hat zum Ausdruck gebracht, dass sie mehr Engagement vom Kanton möchte.
Und Sie haben diesen Auftrag in der regierungsrätlichen Immobilienstrategie noch verdeutlicht.
Ich würde gerne schauen, wie der Kanton Einfluss auf den Immobilienmarkt nehmen kann. Wir sind ein kleiner Player, aber mit Pilotprojekten können wir Investorinnen und Investoren zeigen: Man kann den Mietzins günstig gestalten und trotzdem Rendite erzielen.
Wie?
Wir arbeiten an einem Kostenmietmodell, bei dem wir auch Investorinnen und Investoren einbeziehen.
Kostenmiete heisst: Man berechnet den Mieter*innen nur die eigentlichen Kosten der Wohnung, ohne Rendite obendraufzuhauen.
Im Gegensatz zur normalen Kostenmiete, die durchaus eine gewisse Rendite zulässt, wollen wir die Miete bei unserem Modell an die Belegungszahl und das Einkommen binden. Zieht ein Kind aus, gibt es einen 20-prozentigen Mietaufschlag, so dass die Menschen einen Anreiz haben, grosse Wohnungen freizugeben. Wir probieren das am Hirtenweg beim Wohnbauprogramm 1000+ aus.
Dann verlieren Sie Geld bei Familien. Warum sollte ein*e Investor*in dann Familienwohnungen bauen?
Es ist falsch, dass man mit Kostenmiete kein Geld reinholt, das können wir beweisen. Man muss einfach günstig bauen.
Aber man verzichtet auf einen Teil der Rendite und holt nicht das Maximum raus.
Ja. Aber im Richtplan steht, dass man auf Entwicklungsarealen 30 Prozent günstigen Wohnraum bauen muss. Und wir wissen jetzt: Das ist kein Verlustgeschäft, sondern eine langfristige Anlage.
Eine linke Initiative fordert 50 Prozent gemeinnützigen Wohnraum, etwa auf dem Klybeck. Dagegen ist eine Klage hängig. Was ist billiger, 30 Prozent günstiger oder 50 Prozent gemeinnütziger Wohnraum?
Gemeinnützig heisst nicht, dass es immer günstig ist. Man kann auch teure gemeinnützige Projekte haben. 50 Prozent als Vorgabe sind viel, die Regierung wird prüfen müssen, ob sie einen Gegenvorschlag ausarbeitet.
Ist die Strategie nicht riskant? Der Kanton verzichtet auf Rendite. Was, wenn es den Finanzen nicht mehr so gut geht? Dann sind Sie vielleicht auf höhere Mieteinnahmen angewiesen.
Dann müssten wir uns anpassen. Der Kanton ist wie ein grosses Schiff, das einen Moment braucht, wenn man das Steuer rumreisst. Immobilien sind von Vorteil, weil man sie sofort im Baurecht verkaufen und zu Geld machen kann. Immobilien im Finanzvermögen sind sichere Geldreserven.
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* Anmerkung: das Interview wurde vor der Abstimmung geführt, diesen Satz haben wir nachträglich eingefügt.