Vielfalt für Basler Ohren

Radio X feiert 25 Jahre: Danielle Bürgin, Hanna Girard und ehemalige X-ler*innen schwelgen in Erinnerung. Bajour hat das Radio auf dem Dreispitz besucht, wo Communities zusammenfinden, Musiktalente entdeckt werden und unzählige Journalist*innen entspringen.

Radio X
Die einladende Werkstätte von Radio X auf dem Campus Dreispitz. (Bild: Lisa Gallo/Bajour)

Schon 25 Jahre ist es her, dass Radio X zum ersten Mal an Autoradios und Schweizer Haushalte gesendet hat. 1998 hauchte zum ersten Mal ein*e Moderator*in «Mehr Kontrassschhht» in ASMR-Manier in ein Radio X-Mikrofon. Ein Kontrast zu sein – laut Duden ein starker, ins Auge springender Gegensatz – zur lokalen Radiolandschaft, war und ist das erklärte Ziel von Radio X. Damals wurde von hochmodernen Studios geträumt, wo dieses Kontrastprogramm entstehen sollte. Heute treffen wir Co-Programmleiterin Danielle Bürgin in eben so einem. «Wir sind ein netzwerkbasiertes Radio, lassen unterschiedlichste Stimmen zu Wort kommen und bieten ein breites Musikprogramm an», erzählt Bürgin. Vor allem die gelebten Werte wie Authentizität, Integration, Selbständigkeit und dem Gegenüber auf Augenhöhe zu begegnen, würden dies ermöglichen. 

«Leute sollen offen, musikinteressiert, kulturaffin sein und auch eine tolerante Wertehaltung haben»
– Danielle Bürgin

Zurzeit sind beim Radio 12 ausgebildete Personen und drei Auszubildende an der Journalist*innenschule fest angestellt. «Etwa 150 freiwillige Sendungsmachende stellen einen wichtigen Pfeiler von Radio X dar», sagt Bürgin. Sie entwerfen Sendungen auf Ukrainisch, Spanisch oder Farsi und agieren so als Plattform für diverse Communities in und rund um Basel. Das rund 1.2 Millionen-Budget von Radio X besteht zu 60 bis 70 Prozent aus staatlichen Radio- und Fernsehabgaben. Die restlichen Mittel stammen aus Projektkollaborationen und sind selbst erwirtschaftet. So ist beispielsweise die Afrika-Sendereihe Schwarz/Weiss spezifisch finanziert und an einen Anti-Rassismus-Auftrag geknüpft. «Auch Gelder von privaten Stiftungen und Gönner*innen machen einen wichtigen Teil aus», fügt Bürgin an.

Danielle Bürgin Radio X
Danielle Bürgin in ihrer vertrauten Umbegung. (Bild: Lisa Gallo/Bajour)

Als Co-Programmleiterin arbeitet Bürgin erst seit ein paar Jahren für Radio X. Vor sieben Jahren war sie als Musikchefin dazugestossen und fühlt sich, wie sie sagt, «abseits vom Mainstream» sehr wohl. Dass das Radio auch heute eine Chance in Basel darstellt, dafür wären die X-Gründer*innen verantwortlich gewesen. Sie hätten sich für die partizipativen, integrativen Strukturen von Radio X, die noch heute bestehen und das Radio ausmachen, eingesetzt. Die Gründer*innen Nicole Bertherin, Thomas Jenny und Linda Muscheidt Burri sitzen heute noch im Stiftungsrat von Radio X. «Wir geniessen hier grosse kreative Freiheiten. Journalist*innen dürfen über Themen berichten, die bei einem Sender, der mehr auf Kommerzialität achten muss, nicht möglich sind. Auf der anderen Seite bedeutete das, dass Journalist*innen selber in die Gänge kommen müssen», erzählt Bürgin. Dieser Typ Mensch, der freier arbeiten oder lernen und sich dabei kreativ austoben möchte, ziehe Radio X als Arbeitgeber an.

Auch das Publikum von Radio X zeichne eine Offenheit aus. «Wir sind ein Medium, wo man musikalisch und kulturell viel entdeckt.» Mit rund 10’000 Songs im Programm – bei anderen Radios rotieren etwa 600 Lieder – begegnen Hörer*innen automatischen ihnen bisher unbekannte Stücke. «Leute sollen offen, musikinteressiert, kulturaffin sein und auch eine tolerante Wertehaltung haben», dann wäre gemäss Bürgin das Radio X-Programm genau das richtige.

Jeden Tag aus der Komfortzone



Als Ausbildungsplattform verstand sich Radio X schon früh. Hanna Girard, ehemalige Auszubildende im Radiolehrgang, erinnert sich gerne an die Zeit zurück. «Ich bin durch Zufall da gelandet. Und dann sind plötzlich vier Jahre vergangen.» Sie habe von Beginn an gelernt, mit den Menschen, statt über sie zu sprechen. «Das habe ich mitgenommen. Ich bin am liebsten auf Reportage, draussen bei den Leuten», sagt Girard. Auch wertvoll sei das Grundvertrauen, dass den jungen Leuten bei Radio X entgegengebracht werde. Girard habe häufig gehört: «Natürlich kannst du das! Und es kommt gut».

Ein Beispiel dafür ist die Senderreihe «HörboX», die beliebig gestaltbar ist. «Wenn du eine richtig gute Idee hast, darfst du auch ganz allein eine einstündige Sendung gestalten. Ich habe zum Beispiel eine über Frauen aus vier Generationen gemacht, die allein reisen. Dabei habe ich viel gelernt - Sendungen zu konzipieren zum Beispiel. Oder auch am Redaktionstisch die eigenen Ideen zu verteidigen», erinnert sich Girard. Denn auch das habe dazugehört. «Es hiess nicht nur ‹super, mach!›, sondern auch ‹Wieso ist das jetzt wichtig?› und ‹Weshalb möchtest du das so machen?›» Im Redaktionsalltag des Basler Regionaljournals, wo sie heute arbeitet, könne sie all das Gelernte gut gebrauchen.

Hanna und Claire Radio X
Live von der Buchbasel 2018. Hanna (links) und Co-Programmleiterin Claire Micallef. (Bild: zVg/Dominik Asche)

Vom Netzwerk und Kontrastprogramm habe sie auch als Auszubildende profitiert. Durch den Austausch mit den unterschiedlichsten Menschen habe sie Basel nochmals neu kennengelernt. Jeder Tag sei wie ein kleines Abenteuer gewesen und sie habe viele interessante Subkulturen kennengelernt. Darunter versteht Girard mehr Kontrast. Das komplementäre Musikprogramm, die Sendungsmacher*innen aus zig verschiedenen Ländern, die auf dem Sender eine starke Stimme haben, würden für sie Radio X ausmachen «und deshalb finde ich Radio X so wichtig für die Basler Medienlandschaft».

Das Fest zum zwanzigjährigen Bestehen vor fünf Jahren gehört zu Girards Highlights: «Wir haben zum 20. Geburtstag von Radio X eine wöchige Spezialsendung am Basler Hafen gemacht. In der Gestaltung des Inhalts waren wir sehr frei und haben dann ein ‹Piratenradio› konzipiert: mit speziellem Musikprogramm, Interview und Talks. Das war mega cool.»

Hanna Girard
Hanna macht heute als SRF-Reporterin die Strassen unsicher. Hier am Vogelgryff 2023. (Bild: zVg/Dominik Asche)

Auf das Radio X-Fest vom Samstag, 22. April, freut sich Girard sehr. Das musikalische Programm des Geburtstagsfests hat Danielle Bürgin zusammengestellt. «Alle Acts haben eine Geschichte mit Radio X», sagt sie. Sowohl Manuel Gagneux, die Stimme von Birdmask und bekannt als Zeal and Ardor-Frontmann, als auch glitchbaby standen als Sendungsmacher*innen und Künstler*in im X-Studio. Anna Aaron und das Radio verbindet ein Auftritt bei der Verleihung des Basler Kulturpreises 2018, die Radio X gewann. Die drei Acts sorgen am Radio X-Tag mit Soul, Pop und Electro fürs Musikalische. Wem der Magen knurrt, wird wahrscheinlich auf Hanna Girard treffen. Sie macht die Hot Dogs und freut sich auf ein Schwätzchen zum guten alten Radio X.

Radio X
Basler Namen auch an der Geburtstagsfeier. (Bild: Lisa Gallo/Bajour)

O-Töne aus der Ausbildungsschmiede

Radio X sei eine Art «Kinderstube» von Menschen, so Girard, die teilweise heute noch im Journalismus arbeiten. Wir haben einige dieser ehemalige Radio Xler*innen angeschrieben und sie nach ihren Erfahrungen und Wünschen für die Zukunft von Radio X gefragt.

Martina Rutschmann

«Immer, wenn ich im Auto Radio höre und die Sender durchlaufen lasse, bleibe ich bei Radio X hängen, ohne zunächst zu merken, dass es Radio X ist. Ich hoff, das bleibt auch die kommenden 25 Jahre so!»

Martina Rutschmann, Journalistin und Autorin

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«Im Alter von 11 Jahren habe ich dich getroffen, auf der Frequenz 94,5 Mhz.

Hip-Hop, Drum`n`Bass, Reggae, Rock und Techno in einem Basler Radio? Ich dachte zuerst, es wär` ein Scherz.

Angefixt von diesem «X», blieb ich daran kleben, wie die Karamelschicht im Twix.

25 Jahre nun schon alt, und noch immer total verknallt.

Erstumme bitte niemals, denn DU bist meine erste grosse Radioliebe, von damals.»

Finn Rasmussen, Radiomoderator und Sprecher

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«Als secondo bini bi Radio X wie inere Art Matrix gsy. Ich ha plötzlich gmerkt, hey shit, s gitt dr Türkischi Pasquale, dr Britischi, dr Tamilischi usw. D Magie vo Radio X isch, nit die viele kulture wo uffenandr träffe, sondern das jede genau so dörf sy, wiener isch. Das ergitt schlusändlich das fabelhafte produkt wos sitt 25 Joor scho gitt. 

Ich ha s X immer wie ne grosse Internationale Flughafe beschriebe, du triffsch die ganzi Wält in e Paar qm. 

Ich wird Radio X für immer dankbar sy, dank Radio X hani mi ins Radio mache verliebt und kha’s bis hütt, nüm los loh. Radio is King und Radio X isch s Schloss. ❤️»

Pasquale Stramandino, Senior Project Manager bei Monami, Creator und Darsteller

Beatrice Kern

«Da darf man einfach ausprobieren, auch wenn man überhaupt keine Ahnung hat vom Radio machen.

Da darf man sich die Hörner abstossen.

Da darf man auch gerne mal auf die Nase fallen.

Da darf man sich ganz fest ins Radiomachen verlieben.

Das in etwa macht Radio X für mich aus. Die grosse Ausprobierstube, aus der viele tolle Talente rausgewachsen sind.»

Beatrice Kern, Moderatorin SRF 2 Kultur

Baschi Dürr

«Ich mag mich noch gut an die allererste Zeit von Radio X erinnern: Garagen-Atmosphäre in der damaligen Kirschgarten-Druckerei. Ein Vierteljahrhundert ist es her, als das kleine Team jeweils in die Innenstadt raste, wenn der Sender wieder spukte – und man ansonsten Radio machte, genauso wie man wollte. Während man selbst seither alt wurde, blieb Radio X jung – immer wieder neu erfunden und doch seiner publizistischen und musikalischen Nische treu geblieben. Ich wünsche «meinem» Radio viele weitere Jubiläen mit allen treuen alten und immer neuen jungen Zuhörerinnen und Zuhörer, Macherinnen und Macher!»

Baschi Dürr, Unternehmer und FDP-Politiker

Marcello Capitelli

«Radio X leistet unglaublich wertvolle Arbeit. Dort kriegen Menschen eine Stimme, die sonst überhört werden. Mit Sendungen auf verschiedenen Sprachen konnten beispielsweise zu Beginn der Coronapandemie auch Menschen, die kein Deutsch sprechen oder verstehen, wichtige Informationen bekommen. Gleichzeitig ermöglicht Radio X vielen jungen Menschen niederschwellig den Einstieg in den Journalismus.

Eine lustige und etwas peinliche Geschichte, woran mich meine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen noch heute gerne daran erinnern:

An einem Abstimmungssonntag haben wir aus dem Radiostudio live gesendet und über die nationalen und kantonalen Vorlagen berichtet. Meine Aufgabe war es, mit Politikerinnen und Politikern per Telefon Live-Interviews zu machen. Ich organisierte also ein Interview mit einer Grünen Politikerin und machte mich im Studio bereit. Die Moderatorin moderierte das Gespräch an und stellte mein Mikrofon ein. Ich war wohl nicht ganz bei der Sache, wollte wohl "Grüezi" und "Dangge vielmol, dass si sich Zyt gnoh händ" sagen und heraus kam "Grüezi vielmol". Wir alle, meine Interviewpartnerin, die Moderatorin und auch ich haben alle laut losgelacht. Nach einigen Sekunden haben wir uns wieder beruhigt und das Interview gemacht.

Ein bisschen Spass am Abstimmungssonntag darf ja auch mal sein.»

Marcello Capitelli, SRF-Reporter

Dominik Asche

«Radio X hat meine Liebe zum Storytelling geweckt. Anlässlich zum 20-jährigen Geburtstag von Radio X sendeten wir eine Woche live vom Hafen. Für unsere Poetry Slam Sendung führte ich ein Live-Interview mit Dominik Muheim. Das hat mich glücklich gemacht und in diesem Moment schätzte ich das Radio ganz besonders. Umso verrückter, dass es jetzt schon 5 Jahre her ist.»

Dominik Asche, Digital Produzent Coop und freischaffender Fotograf

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Lisa Gallo

Bei Bajour als: Member & Sales Verantwortliche, FCB-Brieferin

Hier weil: ich Bajour als tolle Arbeitgeberin mit grossartigem Team kennenlernen durfte und davon mehr will.

Davor: Texterin bei Werbeagentur, Fundraising & Kommunikation bei Basler Stiftung.

Kann: Reflektieren.

Kann nicht: Fussballspiel schauen ohne zu kommentieren.

Liebt an Basel: Den Sommer im St. Johann und am Rhein.

Vermisst in Basel: sichere Velowege.

Interessenbindung: keine.

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