Basler Blindenheim in neuem Gewand

Das seit 125 Jahren bestehende Blindenheim Basel wandelt sich zur Zeit stark und erhält im kommenden Jahr ein neues Gebäude. Die Betriebsorganisation heisst Irides, das Tätigkeitsfeld wird ausgeweitet.

Blindenheim Basel Visualisierung
Für rund 100 Millionen entsteht der Neubau des Blindenheims Basel (neu Irides) an der Kohlenberggasse in Basel.

Beim Basler Blindenheim zeichnen sich Veränderungen ab – fast still und heimlich, möchte man sagen. Die markanteste und sichtbare Neuerung ist der im kommenden Jahr bezugsbereite Neubau an der Kohlenberggasse, der zusammen mit dem Landerwerb satte 100 Millionen Franken kostet.Gleichzeitig wird in der Stiftung Blindenheim Basel laut über eine Erweiterung des Tätigkeitfeldes nachgedacht. Sehbeeinträchtigung ist zwar immer noch Schwerpunkt, aber der Fokus verschiebt sich stärker auf Mehrfachbeeinträchtigungen.

Die AG firmiert unter dem ungewöhnlichen Namen Irides. Bajour sprach mit Pierre Jaccoud, Präsident der Stiftung Blindenheim Basel, über die Umwälzungen dieser traditionsreichen Basler Institution.

Herr Jaccoud, warum rücken Sie von einem Namen ab, der in Basel Tradition hat und bestens verankert ist?

Wir rücken nicht ab von diesem Namen. Die Stiftung Blindenheim, die die Finanzierung sicherstellt, behält ihren Namen. Dieser Name ist sehr wertvoll, gut verankert und hat ein positives Image.

Aber betrieblich ändern Sie den Namen, was ist Ihre Erklärung?

Der Begriff «Heim» ist in der heutigen Zeit nicht mehr positiv besetzt. Wir haben uns deshalb zu einer Zweiteilung entschieden:  Zum einen gibt es die Stiftung, die auf der traditionellen Schiene weiterfährt, zum anderen den Betrieb mit neuem Namen, der sich an den Marktbedürfnissen orientiert.

Irides - woher der Name?

Irides ist die Mehrzahlform von Iris. Der Name ist eine Reverenz an die Iris des Auges und des Sehens und weist auf den Ursprung der Institution hin.

Das Blindenheim Basel

Das Blindenheim Basel bietet Wohnungen für Menschen mit Hör-Sehbehinderungen und für diese Arbeitsplätze an. Im Blindenheim Basel flechten Menschen mit Sehbehinderung traditionellerweise Körbe, restaurieren Stühle mit Geflechten und binden Besen und Bürsten. Am Spalenberg 2 führt Irides den Laden «Ybligg». Ausserdem existiert seit rund 20 Jahren eine spezialisierte Pflegeabteilung.

Zur 125-jährigen Geschichte des Blindenheims ist kürzlich eine detailreiche Arbeit erscheinen, verfasst von der Sozialhistorikerin Sabine Braunschweig («Arbeiten und Leben im Basler Blindenheim», GGG Neujahrsblatt, zu kaufen bei der GGG an der Gerbergasse 24, 4. Stock (Eingang zum Schmiedenhof), 32 Fr. Auch als Hörbuch.

Die Aufteilung in Betriebsorganisation und Stiftung dürfte mit dem Wandel in der Gesellschaft zusammenhängen? Erzählen Sie uns.

Ja, das ist sehr spannend. Der Wandel hat schon bei der Gründung des Blindenheims vor 125 Jahren angefangen. Man rückte damals vom Prinzip der Almosen ab. Mit der Institution des Blindenheims entstand für Menschen mit einer Sehbehinderung erstmals die Möglichkeit, ein würdigeres, etwas selbständigeres Leben führen zu können. Dieses Leben war zwar noch immer stark bevormundet, aber es war ein erster, zaghafter Schritt. In den vergangenen paar Jahren fand nochmals ein entscheidender Wandel statt, und zwar im Bereich der Sozialpolitik und der Finanzierung: Heute werden Gelder an Subjekte, an Menschen, ausgerichtet, und nicht mehr an Objekte, sprich: Institutionen. Das ist in den Köpfen noch nicht überall angekommen, aber wir werden das in unserer Institution konsequent umsetzen. Wir sind nur dazu da, Dienstleistungen anzubieten, die die Betroffenen benötigen, um ein eigenständiges, würdiges Leben führen zu können.  

Auch die Pflegeabteilung wurde ausgebaut. Wie kam es dazu?

Begonnen hatte das Blindenheim mit einer Werkstatt, dann kam ein Wohnheim dazu. Über die Zeit wurde die Lebenserwartung höher, auch Menschen mit einer Sehbeeinträchtigung wurden älter und möglicherweise zu Pflegefällen. Das war früher nicht der Fall. Wollten wir diese Menschen einfach in das Spital oder in irgendeine Pflegeinstitution verpflanzen? Nein! In den vergangenen rund 30 Jahren haben wir selbst eine spezialisierte Pflegeabteilung aufgebaut und wurde sogar zu einem Schwerpunkt. Die Abteilung für betreutes Wohnen wird im Neubau 24 Plätze belegen.

Grundriss Basler Blindenheimneubau
Visualisierung des geplanten Blindenheimneubaus an der Kohlenberggasse nach Stockwerken.

Diesen kann Irides 2024 an der Kohlenberggasse beziehen. Was sind die Anforderungen an die Architektur?

Es wird ein sehr spezielles Gebäude, das auf die Bedürfnisse der Seh- und Hör-sehbeeinträchtigten Rücksicht nimmt. Nebst der heute ohnehin verlangten Barrierefreiheit wird hier auf eine besondere Lichtführung Wert gelegt. Es gibt nirgendwo irritierendes direktes Blendlicht. Selbst die Akustik spielt eine wichtige Rolle. Denn Blinde orientieren sich stark auch stark mit dem Gehör. Sie hören, wo sie sich im Raum befinden. Dabei spielen die Wandoberflächen eine Rolle.

Ist es denkbar, dass sich das Tätigkeitsfeld der Stiftung oder der Betriebsgesellschaft weiter ausweitet?

Wir haben den Stiftungszweck schon vor einigen Jahren  erweitert, auch im Hinblick auf die Integration der Sehbehindertenhilfe. Sehbeeinträchtigung ist immer noch der Schwerpunkt aber der Fokus verschiebt sich immer mehr auf Mehrfachbeeinträchtigungen. Wir bieten auch die Altersbetreuung an. 

Wie wird der Neubau finanziert?

Zusammen mit dem Landkauf kommt das laufende Arealentwicklungsprojekt langfristig auf rund 100 Millionen zu stehen. Der aktuelle Neubau allein kostet rund 50 Millionen. Unsere Herausforderung ist, dass wir aufgrund der neuen Gesetzeslage keine Staatsbeiträge mehr bekommen. Es gibt vom Staat einen Anteil an der Pflegepauschale, die teilweise für Abschreibungen auf dem Gebäude verwendet werden müssen. Wir sind die ersten, die einen Neubau eines Alters- und Pflegezentrums vollumfänglich alleine finanzieren müssen. Bislang mussten wir nie eine Sammelaktion machen. Wir setzen unser angespartes Kapital ein und wir haben zum Glück noch immer das grossartige Basler Mäzenatentum und die stille, aber nachhaltige Unterstützung der Basler Bevölkerung.

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