Verdammi sind die gut

Wenn die Chriesibuebe durch die Gassen ziehen, scheppert es das Moos vom Dach. Was unterscheidet einen guten von einem perfekten Trommler? Wir haben nachgefragt.

Chriesibuebe
Die Chriesibuebe gelten als Crême de la crême der trommelnden Fasnacht.

Sie spielen so gut, dass man scherzt, dass die Chriesibuebe an der Fasnacht nicht mal Alkohol trinken. Ganz streng, damit kein Schlag daneben geht. Stefan Freiermuth, mehrfacher Basler Drummelkeenig, kann nur lachen, wenn man ihn danach fragt. Und wer die Chriesibuebe einen Tag lang begleitet, merkt: Da fliesst auch bei den Buben (und es sind wirklich nur Buben, Maitli gibt’s nur im Vortrab) gar nicht mal so wenig Bier. 

«Aber den Alkohol schwitzen wir raus, während wir spielen. Da kann man gar nicht besoffen werden», sagt René, Chriesibub seit 2005. Er ist Basler, war aber kein aktiver Fasnächtler, bevor er zu den Chriesibuebe kam. Er ist Militärtrommler und kam, wie so viele, durch die militärisch geprägte Schweizer Tambourenszene zu den Chriesibuebe. Die hier organisierten Tambouren gehören zu den besten der Schweiz, sie kommen von überall her, Obmann Marc Hutter beispielsweise aus dem Wallis.

Und mit Mark Reilly ist sogar ein Amerikaner Teil der Truppe, der jedes Jahr extra für die Fasnacht nach Basel reist – um bei den Chriesibuebe zu spielen. Reilly ist in der Militärmusik-Szene eine grosse Nummer, spielte schon im Weissen Haus für US-Präsidenten. Aber die Basler Fasnacht, die so viel bunter sei als die Trommel-Festivals am amerikanischen Karneval, hat es ihm besonders angetan.

Mark Reilly Chriesibuebe
Mark Reilly hat Freude mit seinen «crazy buebe».

Wenn Reilly über die Chriesibuebe spricht, tönt es in seinem amerikanischen Dialekt wie «crazy buebe». Vielleicht sind sie wirklich ein bisschen crazy, so gut wie sie spielen.

Bei den Chriesibuebe ist Trommeln nämlich nicht nur eine Leiden- sondern auch eine Wissenschaft. Sie sind eben nicht nur Fasnächtler, sondern Fulltime-Drummler: Trommelbauer, Tambourinstruktoren, Militärmusiker beim Armeespiel, fast alle noch in anderen Trommler-Vereinen organisiert. Wer die Buebe fragt, was denn das Sahnehäubchen, die cherry on top, ausmache, die einen guten Trommler von einem perfekten unterscheide, dem begegnen Begriffe wie Volumen und Dynamik.

Volumen, ja. Laut sind sie. Und zwar sehr. Als die Chriesibuebe am Rathaus vorbeiziehen, schallt das Echo ihrer Trommelschläge wie Kanonenschüsse aus dem Innenhof zurück. Die Schläge sind so potent, dass auch Schuhsohlen in Schwingung geraten und man zum Teil meinen kann, dass der Boden vibriert. Einige Chriesibuebe haben Ohrenstöpsel drin, um ihr Trommelfell zu schützen. «Wenn nicht das Moos von den Dächern fällt, sind wir nicht laut genug», sagt René.

Lauter als andere Cliquen zu sein, «das war ursprünglich auch das Ziel», erzählt Martin. Er erinnert sich noch gut an die Anfangszeit der Gruppe: Dass da Auswärtige aus der ganzen Schweiz kommen und an der Basler Fasnacht mitspielen, gefiel nicht, Und, verdammi, sie spielen halt richtig, richtig gut. Selbst «Anti-Chriesibuebe-Badges» habe es gegeben, erinnert sich Martin.

Chriesibuebe
Immer im Gleichschritt.

Klar, ein bisschen wollten die Chriesibuebe sicher die Fasnacht aufmischen. Die Provokation liegt ja schon im Namen: In Basel sagt man eigentlich Kirsi. «Chriesi, wie man im Fricktal sagt, da kriegt der Basler Halsweh, wenn er das sagen muss», erklärt Martin, selbst Basler. Passend zum Image vom frechen Ländler das Goschdym, das die ländliche Tracht zeigt, und die schelmische Larve.

Mittlerweile sind die Chriesibuebe etabliert, man hat sich quasi den Respekt erspielt. An diesem Mittag zieht für ein paar Märsche auch ein Gast-Trommler aus einer anderen Clique mit. Viele Mitglieder sind Instruktoren bei anderen Cliquen, so profitieren auch diese vom Knowhow der Chriesibuebe. Und Martin geht sogar so weit, dass die Qualität der Trommler in Basel insgesamt zugenommen hat, seit es die Chriesibuebe gibt: «Wir haben die anderen Trommler schon angespornt.»

Chriesibuebe
Die Frechdachse aus dem Fricktal mit ihren spitzbuebischen Larven.

Es ist nicht nur die Lautstärke, die für Martin entscheidend ist für den typischen Chriesibuebe-Klang: «Der Hienerhut-Effekt entsteht durch die Dynamik zwischen laut und leise.» Es stimmt, das präzise, leise Tippeln im Zusammenspiel mit den heftigen Schlägeln macht die Märsche der Chriesibuebe so besonders komplex. 

Die feinen Klänge kriegt nur hin, wer richtig schlägt: In die Mitte der Trommel, hier bekommt man den vollen Sound. Die Schlegel hält der Profi bestimmt und fest, den rechten in der Faust und den linken zwischen Mittel- und Ringfinger, damit er nicht eiern kann. So flippern die Schlegel in einer hypnotisierenden Geschwindigkeit über das Trommelfell.

Chriesibuebe
Die Schlegel tippeln, hämmern, flippern.

Dabei ist es nicht nur allein die Technik, die einen Chriesibub ausmacht: Auch Pfuus muss man haben, leidensfähig sein. Trommeln, das geht in den Rücken, in die Handgelenke, in die Knie. «Wer zum ersten Mal dabei ist, kann schon Blootere an den Fingern haben», sagt René. Doch wer bei den Chriesibuebe anfängt, hat sich seine Lorbeeren eigentlich schon verdient.

Für die Aufnahmeprüfung muss ein Neumitglied 15 Märsche lernen. Beim Vorspielen vor der versammelten Gruppe im Barabara-Keller wird ein Marsch und ein Vers gezogen und der dann zweimal vorgetragen. Das ist ein grosser Druck, bestätigen einige Mitglieder, aber die Durchfallquote ist nicht so hoch. «Es bleibt immer noch Fasnacht und wir wollen eine Gaudi haben. Wir sind eben nicht so streng, wie man meint», sagt René. 

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