Die letzte Clique

Wenn die Guggen und Cliquen nach dem Ändstraich einkehren, beginnt der Aufmarsch der Stadtreinigung. Eine sehenswerte Show.

Wischmaschinen
Ändstraich, vörwärts, marsch! (Bild: Jan Soder)

Der Donnerstagmorgen ist – passend zum am Vorabend getrunkenen Waggis – bittersüss. Kurz vor 4:00 Uhr setzen die Guggen, Cliquen und Ziigli zum letzten Marsch an. Ändstraich. Die Einen liegen sich wehmütig in den Armen, die Anderen rauchen erschöpft die erste post-Fasnacht-Zigarette oder suchen Zuflucht im Stammlokal. Draussen in der Kälte marschiert die letzte Clique: die Stadtreinigung. Fein abgestimmt im Gleichschritt.

Ufem Seibi unten am Kohlenberg treffe ich Stefan Pozner, Gebietsleiter bei der Stadtreinigung. Dort wird – genauso wie beim Rest der Fasnacht – geduzt. Stefan drückt mir eine orange Weste in die Hand. Ob ich möchte oder nicht, ich werde als Teil der Stadtreinigung wahrgenommen. Um ehrlich zu sein, gefällt mir das aber ganz gut. Es zeigt sich schnell, dass die Mitarbeitenden mit Bewunderung bei ihrer Arbeit beobachtet werden. «Sogar eine Schneeschneuze», höre ich ein Staunen. Später wird mich eine Passantin im Vorbeigehen fragen, wann die Drämmli hier wieder fahren. «Um sechs sollte das wieder möglich sein», werde ich fast schon mit einer Prise Stolz antworten.

StefanPozner
Stefan Pozner, Gebietsleiter der Stadtreinigung. (Bild: Jan Soder)

Im Regen diskutieren Stefan und ich über seine elfte Fasnacht bei der Stadtreinigung. Nach so vielen Jahren kennt er die Fasnacht und die Fasnacht kennt ihn. Immer wieder unterbricht uns jemand, um zu grüssen. Man kennt und schätzt die Arbeit von Stefan und seinem Team. Das ist nicht selbstverständlich. Schliesslich hat die Stadtreinigung als Vollstreckerin des Fasnachtsendes keine einfache Rolle. «Einige sind froh, dass es vorbei ist, andere trauern nach und dann sind wir schon auch mal die Bösen.» Für allfällige Zwischenfälle stehe die Polizei bereit, gebraucht habe sein Team sie aber nie. 

«Einige sind froh, dass es vorbei ist, andere trauern nach und dann sind wir schon auch mal die Bösen.»
Stefan Pozner

Das Zusammenspannen mit der Stadtgärtnerei und den BVB ist hingegen essenziell für eine erfolgreiche Endreinigung. Hinzu kommen freiwillige Helfer aus dem gesamten Tiefbauamt, die an der Fasnacht mit anpacken. «Es geht nur miteinander», meint Stefan. Insgesamt sind so 280 Mitarbeitende während der Fasnacht im Einsatz. Nach dem Ändstraich sind 210 von ihnen mit 70 Fahrzeugen unterwegs, um die Abfallberge weg zu räumen. 360 Tonnen Räppli und Co. kommen dieses Jahr, verteilt auf die drei Tage, auf die Waage. Im Vergleich zu den Vorjahren ist das eine hohe Zahl. Grund dafür ist der Regen während des Morge- und Ändstraichs, welcher das Gewicht wesentlich in die Höhe getrieben hat. 

Radlader
Es geht nur miteinander. (Bild: Jan Soder)

Während unseres Gesprächs muss Stefan kurz sicherstellen, dass alles organisiert ist und die Maschinen auf Position sind. Auf dem Barfüsserplatz ist wenige Minuten vor 4:00 Uhr noch wenig von ihnen zu sehen. Wischfahrzeug, Radlader und Schneepflüge stehen hinter den Ecken oben am Kohlenberg und am Steinenberg. «Jetzt kommen wir dann aus allen Löchern heraus.» 

Dass sich etwas tut, ist einigen Passant*innen dennoch aufgefallen. Sie bleiben stehen und warten gespannt. «Es ist halt schon faszinierend», kommentiert Stefan. «Um fünf Uhr wird hier der Grossteil weg sein.» Um 6:00 Uhr sollen die Trämli wieder durch die Innenstadt fahren. «Das kann man jetzt kaum glauben, aber es wird so sein.» Dass der Himmel ausgerechnet in den letzten Stunden der Fasnacht Wasser lässt, spielt der Stadtreinigung nicht wirklich in die Karten. «Ein bisschen Feuchtigkeit hilft, das ist nicht schlecht. Aber jetzt ist es doch eher zu viel.» Dennoch ist der Gebietsleiter überzeugt: «Wenn’s losgeht, geht es ratzfatz.» 

Wischer
Aadie Räppli, aadie Fasnacht. (Bild: Jan Soder)

Kaum haben Cliquen und Guggen den Platz geleert, rollen die Maschinen der Stadtreinigung aus ihren Ecken hervor und legen los. Mit Besen werden leere Becher, Bierdosen und Orangenüberbleibsel an den Strassenrand gewischt. Der Laubbläser befördert das papierene Räpplilaub vom Trottoir auf die Strasse. Dort wird das feuchte Gemisch aus Glasscherben, Kartongeschirr und Räpplipflotsch von den Wischmaschinen eingesogen und zur Mulde gefahren. Jeder Besenschwung scheint perfekt auf den nächsten abgestimmt. Schlag auf Schlag, Ton auf Ton. «Eingespielt wie ein Orchester», meint ein Passant. «Ich finde das super, das sieht nämlich keine Sau.» 

Die Show der Stadtreinigung wird bestaunt, als wäre es eine begnadete Clique. Die letzte. Goschdym? Die leuchtend orangen Jacken. Ladäärne? Die orange blinkenden Lichter der Maschinen. Sujet? Dräggwägg. Vielleicht schauen die Passant*innen aber auch nur so zahlreich hin, weil sie die Fasnacht noch nicht ganz loslassen wollen, ihrem eigenen Dreck noch ein wenig wehmütig nachtrauern wollen. Seibi, oh Seibi, sauber sollst du sein(i).

Laterne
Die orange blinkende Ladäärne der Stadtreinigung. (Bild: Jan Soder)

Nach 20 Minuten wird die erste volle Mulde Richtung Kehrichtverbrennung abtransportiert. Das Publikum verzieht sich. Die Passiven nachhause, die Aktiven ins warme Innere des Braunen Mutz. Die Angestellten der Stadtreinigung hingegen müssen noch eine Weile im Regen ausharren. Für sie ist es der Schlusssprint eines dreitägigen Marathonlaufs. «Heute sind alle froh, dass es vorbei ist.» Gegen Mittag wird der Grossteil der Arbeit erledigt sein. Um 11:15 Uhr kommen dann alle Mitarbeitenden zusammen zum Helfer*innenmahl. «Danach ist fertig.» 

Das Einkehren haben sich die Mitarbeitenden bis dahin mehr als verdient. Ihre Arbeit eindrücklich, ihr Einsatz respektabel, ihre Show sehenswert. Um 6:00 Uhr fahren die Drämmli wieder durch die Innenstadt. Am Mittag merkt man kaum, dass wenige Stunden zuvor noch Fasnacht war. Die Abfallberge sind weg. Die Begeisterung für das, was die Stadtreinigung, die letzte Clique des Ändstraichs, an den Tag legt, bleibt. Nur noch 363 Dääg bis zum nächsten Mal. 

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Das ist Jan (er/ihm):

Nachdem er einen 1-Mann-Musikblog führte, stiess Jan für fünf Monate als Praktikant zu Bajour. Währenddessen moderierte er die lokale Radiosendung BSounds auf Radio X. Nun ist er neben dem Studium bei Bajour als Briefing-Schreiber und Beat-Beauftragter tätig.

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