Dear passengers, hier spricht Ihr Pilot: Es sieht schlecht aus!

Die Flugbranche kracht während der Corona-Krise in ein tiefes Loch. Wie geht es Pilot*innen, wenn sie nicht fliegen können? Zwei von ihnen erzählen.

Kenny Fischer, Pilot bei der Helvetic, als er während Corona-Zeiten in den Flieger gestiegen ist
Kenny Fischer, Pilot bei der Helvetic, als er während den Corona-Einschränkungen in den Flieger gestiegen ist.

Vor den Schaltern am Flughafen stehen Menschen an – zumindest die, die sich noch trauen, zu fliegen. Sie halten Abstand, tragen Maske und schauen sich angespannt um. Wer muss in Quarantäne, wer kehrt aus einem Risikogebiet zurück? Ist es wirklich sicher, in ein Flugzeug zu steigen?

So in etwa sieht es derzeit wohl an den meisten Flughäfen aus – auch am Basler Euroairport. Viele Menschen sind verunsichert, verzichten lieber auf eine Flugreise. Viele Flüge wurden in den vergangenen Monaten ganz gestrichen. Das zeigt sich auch in den niedrigen Passagierzahlen des Euroairports

Die Passagierzahlen des Euroairports Basel 2019 (blau) und 2020 (rot) im Vergleich
Die Passagierzahlen des Euroairports Basel 2019 (rot) und 2020 (blau) im Vergleich. (Bild: Euroairport)

Mehr als 600'000 Passagiere weniger sind im September im Vergleich zum Vorjahresmonat mit dem Flugzeug verreist. Diese Zahlen betreffen auch die beiden Basler Piloten Kenny Fischer und Christoph Ryhiner. Fischer fliegt für die Airline Helvetic, Ryhiner für die Lufthansa, die auch ab Basel abhebt. Wie geht es Piloten in Zeiten, in denen Reisen Tabuthema ist?

«Ich vermisse das Fliegen und die Unbeschwertheit.»
Christoph Ryhiner, Pilot Lufthansa

Ryhiner ist in Kurzarbeit. «Nach dem Lockdown im März bin ich erst im Juli wieder geflogen», sagt er. Davor musste er aber noch einmal in den Flugsimulator. Das sei normal, wenn man über eine längere Zeit nicht geflogen sei. Jetzt ist Herbst und Ryhiner steht wieder vor dem gleichen Dilemma wie im Frühling: «Im Oktober bin ich gar nicht geflogen.» 

Auch Fischer wurde im Frühjahr in Kurzarbeit versetzt. Im Sommer habe er aber wieder mehr gearbeitet, denn «ich war in Bern stationiert. Dort bin ich mit Helvetic Airways im Auftrag von flyBAIR geflogen. Da wir dort eine relativ kleine Basis hatten, bin ich verhältnismässig viel geflogen.» Seine Kollegen in Zürich seiene im gleichen Zeitraum viel weniger im Einsatz gestanden. Jetzt, in der Wintersaison, hat aber auch er weniger zu tun. «Im Moment fliege ich durchschnittlich 5 Tage im Monat.» 

«Man ist fast alleine im Himmel.»
Kenny Fischer, Pilot Helvetic

Selbst wenn die beiden im Cockpit sitzen. Es ist nicht dasselbe wie vor der Krise. «Natürlich ist die Arbeit an sich dieselbe», sagt Christoph Ryhiner, aber: «Die Stimmung innerhalb der Crew war ganz anders.» Viele hätten eine lange Flugpause hinter sich gehabt und sich gedacht: Machen wir das Beste daraus. Auch Fischer nimmt das Fliegen jetzt anders wahr. «Man ist fast alleine im Himmel», sagt er. Es sei viel ruhiger auf der Frequenz, «vor allem, weil weniger Flugzeuge am Himmel sind».

Diese himmlische Ruhe ist aber trügerisch. Auf dem Boden sieht es ganz anders aus. Die Flugbranche steckt in einer Notlage. Bei der Lufthansa seien die Probleme «sehr gross», sagt Ryhiner. Die Lufthansa rechnete für November bis Jahresende mit einem Verkehrsaufkommen von unter 20 Prozent des Niveaus von 2019 – und das war noch vor Bekanntwerden des Teil-Lockdowns in Deutschland. «Vor 2024 rechnen wir nicht mehr mit einer anhaltenden Rückkehr der Nachfrage auf das Vorkrisenniveau», schreibt Lufthansa-Chef Carsten Spohr in einer Mitteilung.

«Im Moment würde ich Reisen niemandem wirklich empfehlen.»
Kenny Fischer, Pilot Helvetic

Auch wenn die Flugbranche in der Krise steckt, «im Moment würde ich Reisen niemandem wirklich empfehlen», sagt Kenny Fischer. Und das obwohl im Flugzeug eine geringe Ansteckungsgefahr bestünde. Ähnlich sieht das Christoph Ryhiner, auch wenn er vom Reisen nicht abrät: «Wenn man reisen kann, warum nicht?» 

Das Bundesamt für Gesundheit wählt da klarere Worte und empfiehlt, auf Auslandsreisen, die «nicht notwendig» sind, zu verzichten. 

Beide Piloten sind sich einig: So kann es nicht weitergehen. «Ein zweiter Lockdown und dass sich die Flugbranche nicht erholt, wäre mein absolutes Horrorszenario», sagt Ryhiner. Fischer belastet die Ungewissheit: «Niemand kann wirklich einschätzen, wann das endet. Das ist beängstigend.» Beide vermissen das Fliegen und das Reisen. «Gerade im grauen Winter wäre mir das Fliegen wichtig, denn bei uns in der Branche scheint immer die Sonne», sagt Fischer. 

Trotz den Massnahmen, die Christoph Ryhiner in seinem Beruf einschränken, versteht er, wie notwendig die vom Bundesrat beschlossenen Massnahmen sind. «Es geht um das Gesundheitswesen. Ich möchte nicht entscheiden müssen, wer überleben darf und wer nicht», sagt Ryhiner. Er sei froh, wenn man einen zweiten Lockdown mit den Massnahmen verhindern könnte.

Wie soll es weitergehen?

Kenny Fischer wagt einen Blick in die Zukunft. «Ich hoffe sehr, dass die Reisebeschränkungen auf europäischer Ebene harmonisiert werden und es bald Schnelltests auf Flughäfen geben wird.» Christoph Ryhiner wartet hingegen auf eine Impfung, um das Virus in den Griff zu bekommen. Ihn beschäftigt aber auch die Frage, wie es weitergeht. «Ich befürchte, das wird nicht das letzte Virus gewesen sein, das unsere Welt lahmlegt.» Deshalb müssten wir lernen, damit zu leben, meint Ryhiner.

Fischer ist noch immer in Kurzarbeit, deshalb musste er ausweichen und arbeitet parallel bei der Stöcklin AG. «Man könnte sagen, ich habe das Cockpit gegen einen Gabelstapler eingetauscht.» Aus seiner Sicht dauert es noch, bis sich die Flugbranche von diesem Schock erholt hat. «Fliegen wird in den nächsten Jahren bestimmt anders sein.»

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