«Die eigene Lebensader abtrennen?»

Vor dem SRF-Gebäude in Basel demonstrieren Hörer*innen gegen den jüngsten Sparplan des Schweizer Rundfunks. Besonders die Dezimierung des Wissenschaftsjournalismus besorgt die Anwesenden.

SRF-Gebäude Meret-Oppenheim-Hochhaus Basel Demo gegen Abbau bei Wissenschaft und Kultur
Vor dem Basler SRF-Sitz am Meret-Oppenheim-Platz geht es rund. (Bild: David Rutschmann)

«Für eine starke SRG» steht auf dem grossen Banner mitten in der Menschenmenge vor dem Meret-Oppenheim-Hochhaus am Basler Bahnhof an diesem lauen Februarnachmittag. Hier, wo die Kultur- und die Wissenschaftsredaktion ihren Sitz haben, hat sich eine hässige Menge versammelt. Es ist Frustration über eine SRG, die mit ihren jüngsten Entscheiden in den Augen der Anwesenden alles andere als stark wirkt.

Die jüngsten Sparmassnahmen beim SRF haben viel Betroffenheit ausgelöst. Unter anderem das «Wissenschaftsmagazin» im Radio und das Gesellschaftsmagazin «G&G» im Fernsehen sollen gestrichen werden. Es entstanden offene Briefe und Petitionen, von Kulturschaffenden sowie besorgter Wissenschaftler*innen und Wissenschaftsmagazin-Hörer*innen. Insgesamt kamen mehr als 27’000 Unterschriften zusammen. Diese gebündelte Kraft wollen die Initiat*innen mit noch mehr Schlagkraft – in Form einer Protestkundgebung – der SRF-Direktion überreichen. 

Hauptsächlich geht es den hier Anwesenden aber um das Wissenschaftsmagazin, das im Radio SRF 2 läuft. Die Sprüche auf den Plakaten («Science Journalism matters», «Tiefgang statt Tiktok») machen das eigentlich deutlich genug. Aber dazu wird vor der Kundgebung ein Beitrag aus der Sendung über die Lautsprecher abgespielt.

Mit Alpsegen gegen den SRF-Abbau

Der Meret-Oppenheim-Platz wird damit quasi zu einem grossen Wohnzimmer, in dem sich all die Fans des Wissenschaftsmagazins nun zum ersten Mal im echten Leben treffen – verbunden durch die Freude am Format. So beginnt auch die Kundgebung mit vorgelesenen Statements von Hörer*innen. Dort schwingt die Frustration mit, welche das Aus der Sendung bei vielen ausgelöst hat. «Wie kann sich eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt so sehr die eigene Lebensader – das, was Qualitätsjournalismus ausmacht – abtrennen?», heisst es in einem Beitrag.

Und Köbi Gantenbein, Mit-Initiator einer der Petitionen, trägt sein Statement sogar direkt in Form eines Sarganserländer Alpsegens – ein melodisches, laut vorgetragenes Hirtengebet aus dem Bündnerischen – vor:

Schon im Vorfeld des Protests gab die SRF-Direktion bekannt, dass sie die Sparmassnahmen nicht zurücknehmen will. Dem Medienbranchen-Magazin persönlich.com sagte die Direktion, dass sie den geplanten Abbau für «vertretbar» hält. Wegen des gesunkenen Budgets sei dieser «unumgänglich». Statt der Direktorin Nathalie Wappler – die laut den Organisator*innen in den Skiferien weile – war am Samstag Rajan Autze, der publizistische Leiter Kultur ad interim, in Vertretung der Geschäftsführung anwesend, um die Petitionen entgegenzunehmen. Er hörte während der gesamten anderthalb Stunden besonnen zu und stellte sich der Kritik – die er jedoch nicht unwidersprochen liess. In einer Ansprache erklärte er, warum diese Entscheidung gefallen sei.

So nimmt er die Kritik aus dem Publikum auf, dass die Absetzung des Wissenschaftsmagazin auf eine Umfrage unter SRF2-Hörer*innen zurückgehen soll, wie sie sich die Gestaltung des Radioangebots wünschen. In der WOZ wird kritisiert, dass bei der Umfrage nur 24 Hörer*innen teilgenommen hätten. Autze entgegnet jedoch, dass man die von einem Forschungsinstitut erhobenen Ergebnisse ernst nehmen müsse. «Das SRF2-Publikum ist eher an Kultur und Klassik interessiert. Es macht doch viel mehr Sinn, solche Wissenschaftsformate dann ins Radio SRF 1 zu verlegen.»

Rajan Autze, Monique Wittwer und Köbi Gantenstein bei der Demo gegen den SRF-Abbau
Rajan Autze nimmt als Vertreter der SRF-Direktion die Unterschriften von den Wissenschaftsmagazin-Hörer*innen Monique Wittwer und Köbi Gantenstein entgegen (von links nach rechts). (Bild: David Rutschmann)

Den gehässigen Zwischenrufen und dem Ausbuhen zum Trotz zählt Autze auf, wie breit das Angebot an Wissenschaftsjournalismus bei SRF weiterhin sein werde – und das dieses mit einem neuen Format im Radio SRF 1 sogar ausgebaut werde (zu Randzeiten jedoch, wird im Publikum moniert). Und dann seien da halt die steigenden Strom- und Lizenzpreise sowie die sinkenden Werbeeinnahmen – und der Teuerungsausgleich, der nicht mehr gewährt wird. 

Letzteres ist ein Entscheid des Bundesrats. Schluessendlich geht es bei dieser Protestkundgebung eben nicht nur um die geliebten Radio- und Fernsehformate, die wegfallen – sondern um etwas Grösseres, nämlich die Schwächung des Service Public. Immer wieder wird gesagt: «Wir zwicken den Sack, aber meinen auch den Esel.» Und der Esel ist Medienminister Albert Rösti. Bevor er Bundesrat wurde, war der SVPler noch Teil des Komitees für die Halbierungsinitiative. Diese will die Serafe-Gebühren von 335 auf 200 Franken senken. «Das sind für jeden von uns zehn Rappen, die wir pro Tag sparen. Aber SRF muss dafür viele Millionen einbüssen», sagt Köbi Gantenbein.

Diese politische Meta-Ebene der Sparrunde zeigt Katja Christ in ihrer Rede auf. Die Basler GLP-Nationalrätin ist Mitglied der Wissenschafts-, Kultur- und Bildungskommission. «Die jetzige Sparrunde wird nicht die letzte sein», sagt sie. Denn ab 2027 soll die Serafe-Gebühr auf 300 Franken gesenkt werden. Sie findet: «Der Service Public wird geschwächt in den Abstimmungskampf der Halbierungsinitiative gehen. Und wenn diese angenommen wird, dann ist er in seiner Existenz gefährdet.»

Und klar, die Zuschauer*innen- und Zuhörer*innenzahlen sinken. «Doch als Politikerin weiss ich: Wenn die Wähler*innenstimmen sinken, darf man sich nicht gleich selbstabschaffen.»

Katja Christ
«Für eine pluralistische Medienlandschaft braucht es eben beides: einen guten Service Public und starke private Medien, die sich ergänzen.»
Katja Christ, GLP-Nationalrätin

Die privaten Medien könnten die SRG eben nicht ersetzen, so Christ. Doch Ihr gelingt es, auch die wirtschaftlichen Zwänge miteinzubeziehen: «Eine tragfähige Lösung zur Förderung von Onlinemedien ist auch wichtig. Für eine pluralistische Medienlandschaft braucht es eben beides: einen guten Service Public und starke private Medien, die sich ergänzen.» Und in dieser Medienlandschaft sei Wissenschaftsjournalismus viel mehr als ein simples Ressort. «Damit wird eine Brücke von den Laboren und Hörsälen in die Wohnzimmer geschlagen. Wer diese Brücke einreisst, schadet der Wissenschaft und schwächt die Demokratie.»

Eben weil die politische Komponente so eine Tragweite hat, verwundert es nicht, dass sich im Publikum auch viele in Basel parteipolitisch aktive Gesichter finden – hauptsächlich von SP, Grünen und Grünliberalen. Ansonsten ist das Publikum mehrheitlich weisshaarig, aber auch einige Familien sind hier. 

Auch Jugendliche sind die Hörer*innen von morgen

Das Bild eines überalterten Radiopublikums ist genau jenes,, das auch für den Entscheid der Sparmassnahmen ausschlaggebend war. Um diesem Bild entgegenzutreten, tritt für den letzten Redebeitrag eine Mutter ans Mikro. Sie höre regelmässig mit ihren sechs Kindern das Wissenschaftsmagazin. Mit Verve unterstreicht sie, dass Jugendliche und junge Erwachsene (die werberelevante Zielgruppe) vielleicht nicht immer Interesse an langatmigen, journalistischen Formaten haben. «Da hat man andere Sachen im Kopf. Aber wenn ihre Eltern sie daran heranführen, dann finden sie im späteren Erwachsenenleben den Zugang dazu.» 

Ihre Rede wird mit grossem Applaus belohnt. «So eine könnten wir in der GLP gebrauchen», flüstert eine Grossrätin. Daniel Ordas – ebenfalls von der GLP und Moderator der Kundgebung – hat bereits am Anfang neckisch behauptet, «die Redaktion» habe ihm gerade bestätigt, dass es 12’000 Teilnehmer*innen seien. Später erhöht er auf 30’000 und am Schluss auf 50’000 – und will mit dieser absichtlich falschen Behauptung zeigen, warum Journalismus und Faktenchecks wichtig sind. Realistischerweise waren es wohl rund 300 Leute bei der Demo.

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David Rutschmann

Das ist David (er/ihm):

Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitik. Way too many Anglizismen.

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