Vorgeschmack auf die ESC-Demo

Mehrere tausend Menschen demonstrierten am 1. Mai unter dem Motto «Solidarität statt Hetze». Während die Gewerkschaften auf dem Barfüsserplatz ein friedliches Fest feierten, fiel der revolutionäre Block mit pro-palästinensischen Sprayereien und fliegenden Tomaten auf.

1. Mai 2025
Pro-palästinensische Slogans und Symbole waren dominant vertreten am diesjährigen 1. Mai. (Bild: Michelle Isler)

Wenn sich Pyro-Gestank mit dem Duft gebratener Würste mischt, riecht es nach erstem Mai. Der Tag der Arbeit wurde am Donnerstag in Basel traditionsgemäss mit einer kämpferischen Demo von Gewerkschaften, linken und kommunistischen Parteien sowie anderen Gruppierungen wie dem revolutionären Block gefeiert. Bei sommerlichen Temperaturen blieb es grösstenteils friedlich in der Stadt.

Noch zu Beginn der Demo am Messeplatz im Kleinbasel zeigte sich, dass in diesem Jahr wie immer bessere Arbeitsbedingungen und der antikapitalistische Klassenkampf im Zentrum stehen – das offizielle Motto der Demo lautete «Solidarität statt Hetze – gemeinsam stark».

Gewerkschaften 1. Mai 2025 Solidarität
Das offizielle Motto der Demo: «Solidarität statt Hetze» (Bild: Michelle Isler)

Auch pro-palästinensische Slogans nahmen einen grossen Platz ein. Am Messeplatz, wo in knapp zehn Tagen viele Events im Rahmen des Eurovision Songcontest stattfinden werden, schwenken Demonstrant*innen palästinensische Fahnen, auf den Boden hat jemand mit Kreide in grossen Lettern «Israel aus ESC – No Art for Apartheid» geschrieben. Einige tragen die Kufiya als Zeichen der Solidarität mit Palästina. Auch israelkritische Plakate sind zu sehen: Auf eines ist die israelische Flagge gemalt mit dem Spruch «Borderless Supremacism», auf einem anderen steht «Das 11. Gebot: Israel darf alles».

Während sich der lange Zug – die Polizei geht von rund 2500 Teilnehmer*innen aus, die Gewerkschaften von mehr als 5000 – in Richtung Mittlere Brücke bewegt, werden im vorderen Bereich, den der revolutionäre Block dominiert, Slogans wie «Viva, viva Palästina», «Free, free Palestine» und «No more Intifada» gerufen.

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Der revolutionäre Block zündete mehrere Pyros. (Bild: Michelle Isler)

Im hinteren Teil laufen mit einigem Abstand Mitglieder von SP, Basta, Grünen und Gewerkschaften wie der Unia oder der IGA. Sie fielen auf mit Trillerpfeifen, Akkordeon-Musik und Bannern für z. B. Bildung, Soziales und Gesundheit.

Nachdem auf der Mittleren Brücke Halt für eine kurze Rede gemacht wurde, geht es weiter in Richtung Marktplatz. Waren bisher lediglich Pyros gezündet worden, ändert sich jetzt die Stimmung im vorderen Teil des Demozugs. Es werden wie schon vor Demostart rote Schals verteilt, die sich einige über Mund und Nase ziehen. Manche holen Sticker hervor und kleben sie an Strassenschilder. Alle haben Pro-Palästina-Bezug wie «Basel for Palestine», der Slogan «From the river to the sea» ist auch zu lesen. Kurz danach riecht es nach Farbe: Eine Handvoll Vermummter hat den Zaun vor der Globus-Baustelle besprayt.

1. Mai 2025
Sprayereien am Zaun der Globus-Baustelle. (Bild: Ina Bullwinkel)

Es wirkt, als sei die Demo heute ein Vorgeschmack auf den 17. Mai. Für den ESC-Finaltag ist ein pro-palästinensischer Protest angekündigt, der sich gegen die Teilnahme Israels am Musikwettbewerb ausspricht. Im weiteren Verlauf der Demo tauchen jetzt immer wieder Sprayereien an Hauswänden, auf Schaufenstern und Werbeflächen auf. Auch hier stets mit Bezug auf Palästina: «Free Palestine» oder «Free Gaza» wird gesprayt. Es gibt auch direkte Verweise auf die Demo am 17. Mai: «ESCalate for Palestine» und «Fuck ESC, free Gaza».

Aber nicht nur Israel wird kritisiert, auch die Grossbank UBS wird angegriffen. Bleiben die Gewerkschaften und linken Parteien für ein Fest mit Reden und Çiğ Köfte beim Barfüsserplatz, zieht es den schwarzen Block weiter zum Bankverein und damit abseits der bewilligten Route. Auf dem Weg dorthin legen einige der Demonstrant*innen an der Spitze des Demozugs Schutzbrillen und Atemschutzmasken an. Nach einer kurzen Pause an der Kreuzung schmeissen Demonstrant*innen Dutzende Tomaten auf das UBS-Gebäude und auch auf die wenigen Polizist*innen in Vollmontur, die vor der Freien Strasse neben Kastenwagen stehen. Sie greifen aber nicht ein. Sowieso waren bisher an diesem Demotag kaum Polizist*innen in Erscheinung getreten. Jeweils drei waren in Warnwesten – mit einigem Abstand – am Anfang und Ende des Demozugs zu sehen. Die Strategie für diesen 1. Mai lag offenbar voll auf Deeskalation.

Tomaten Demo 1. Mai revolutionärer Block
Fliegende Tomaten – erst auf die UBS, dann auf die Polizei. (Bild: Michelle Isler)

Kurz vor dem Tomatenwurf hängen Demonstrant*innen eine Pappfigur mit Elon Musks Konterfei (das den Hitlergruss zeigt) kopfüber an eine Tramleitung. In einer kurzen Rede wird Musk als «reichster Kapitalist der Welt» betitelt. Danach ruft der Block den Slogan «Brecht die Macht der Banken und Konzerne». Der antikapitalistische Protest findet mit dieser Aktion und dem Verbrennen eines kleinen Papp-Panzers, auf dem UBS-, Nato-Logo und Schweizer Flagge zu sehen sind, ihren Höhepunkt. 

Der Demozug biegt in die Elisabethenstrasse zum Theater Basel ein. Via Megafon wird hier laut an den Polizeikessel vom 1. Mai vor zwei Jahren erinnert und das Vorgehen der Polizei kritisiert. Auch der Graue Block erinnert mit Flyern an den Vorfall und weist auf eine aktuelle Strafanzeige gegen die damalige Einsatzleitung der Basler Polizei hin.

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Die Gewerkschaften feiern ein friedliches Fest auf dem Barfi. (Bild: Michelle Isler)

Auf dem Weg zurück zum Barfüsserplatz kommt es immer wieder zu Palästina-Sprayereien. Zum Schluss gibt es noch einmal eine kämpferische Rede, in der die weltweite Ausbeutung durch Grosskonzerne angeprangert wird, während vom Barfi eine Rede zu Arbeitsbedingungen über die Lautsprecher zu hören ist. 

Die Polizei resümiert einen «friedlichen 1. Mai mit vereinzelten Sprayereien» und auch Lucien Robischons Fazit fällt positiv aus. Der Co-Präsident des Gewerkschaftsbunds beider Basel sagt, er habe die Veranstaltung insgesamt als friedlich und respektvoll erlebt. «Die arbeitenden Menschen kamen zusammen, um für Solidarität und Gerechtigkeit zu demonstrieren. Es war ermutigend zu sehen, wie unterschiedlichste Gruppen und Individuen sich vereint haben, um für eine offene und inklusive Gesellschaft einzustehen.»

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