Die Produktionsleiter*innen geben auf
Das Produktionsdock organisiert die grossen Theaterproduktionen in der Freien Szene. Nun wollte es mehr finanzielle Unterstützung und Planungssicherheit. Bekommen hat es das gleiche Budget wie bisher. Jetzt wird der Betrieb eingestellt.
Sieben Jahre lang hat das Team vom freien Produktionsbüro Produktionsdock den Theaterschaffenden in der Region den Rücken frei gehalten. Sie haben Gastspiele geplant, Arbeitsverträge aufgesetzt, Verhandlungen geführt, Requisiten organisiert und Werbung gemacht. Kurz gesagt, sie haben all die profanen Notwendigkeiten übernommen, die den kreativen Künstler*innen weniger liegen, aber massgebend sind, damit aus einer Projektskizze ein gelungener Theaterabend wird.
Nun fehlt dem Verein die nötige finanzielle Unterstützung, um den Betrieb zuverlässig weiterzuführen. Deshalb hat sich das Produktionsdock entschieden, auf Ende 2024 zu schliessen.
Das Produktionsbüro betreut rund 20 Gruppen und organisiert einige Festivals in Basel und der ganzen Schweiz. Darunter sind unter anderem Antje Schupp, Beatrice Fleischlin, Ariane Andereggen, Stephan Stock, das Theaterfestival Basel, das Tanzfest Region Basel oder die Treibstoff Theatertage.
Diese Betreuung reduziert das Team nun Schritt für Schritt. Sofort eingestellt werden das kostenlose Beratungsangebot, das Coworking und der Material- und Technikpool.
«Unter diesen Bedingungen können und wollen wir den Betrieb nicht mehr weiterführen.»Bernhard la Dous, Co-Geschäftsleiter von Produktionsdock.
«Ausschlag zur Schliessung gab ein Förderentscheid der Abteilung Kultur Basel-Stadt«, heisst es in der Medienmitteilung. Das freie Produktionsbüro wurde in den vergangenen Jahren jeweils für das folgende Jahr im Rahmen einer Finanzierung als Pilotprojekt mit rund 30’000 Franken von der Abteilung Kultur gefördert. Ende 2023 hatte der Verein auf mehr Planungssicherheit gehofft und eine Förderung von total 125’000 Franken für 2,5 Jahre beantragt. Das Gesuch wurde zwar bewilligt, allerdings nur in reduziertem Umfang. Das Budget wurde auf 45’000 Franken gekürzt und auf 18 Monate beschränkt.
«Unter diesen Bedingungen können und wollen wir den Betrieb nicht mehr weiterführen», sagt Bernhard la Dous, Co-Geschäftsleiter von Produktionsdock.
«Die Situation war schon immer prekär. Von den vier Gründungsmitgliedern bin nur noch ich übrig geblieben. Wir haben ein grosses Thema mit der Arbeitsbelastung. Viele haben das Team bereits verlassen», führt er aus. Eine zuverlässige Finanzierung hätte dem Team die Möglichkeit gegeben die hohe Arbeitsbelastung fair zu entlöhnen. «Unsere Löhne liegen 30–40 Prozent unter dem Tarif, den t.punkt (Berufsverband der Theaterschaffenden der freien Szene) empfiehlt. Die jetzige Förderzusage im genannten Umfang manifestiert den aktuellen prekären Zustand und nimmt die Perspektive auf Verbesserung», so la Dous.
Dabei war die Idee eigentlich vielversprechend: Das Produktionsdock wurde auf Initiative der freischaffenden Produktionsleiter*innen Larissa Bizer, Christiane Dankbar, Bernhard la Dous und Franziska Schmidt im Januar 2017 gegründet. Anstatt dass jede*r für sich alleine arbeitet, wollten sie sich zusammentun, um Erfahrungen zu teilen und gemeinsam Strukturen zu entwickeln.
Erfolge und Zuspruch
Sie teilten sich ein Büro, eine Website, die Infrastruktur und die wichtigen Kontakte zu Geldgebern und Gastspielstätten. Ausserdem hat sich das Produktionsdock zum Ziel gesetzt, den Nachwuchs zu fördern.
All das hat auch funktioniert. Der Verein hat im Laufe der Jahre fünf Volontärinnen ausgebildet und beschäftigt mittlerweile insgesamt fünf festangestellte Mitarbeiter*innen. Zusätzlich zum Management von Einzelkünstler*innen hat das Büro auch die Organisation von Festivals und Vermittlungsprojekten übernommen.
Diese Erfolge führen dazu, dass la Dous auch weiterhin an das Konzept eines freien Produktionsbüros glaubt: «Der Ansatz ist komplett richtig und hat sich bis zu einem gewissen Mass auch ausgezahlt», sagt er. Man habe sehr viel Zuspruch aus der Szene und auch aus der Kulturpolitik erhalten. Aber: «Fehlt die finanzielle Förderung zur Deckung struktureller Kosten, funktioniert es nicht. Man kann so etwas nicht alleine durch die Projekte finanzieren.»
Abteilung Kultur bedauert Schliessung
Gleichzeitig zur Kommunikation über die Schliessung von Produktionsdock, verschickte die Abteilung für Kultur eine Medienmitteilung mit dem gesprochenen Förderbetrag für selbstorganisierte Projekträume, Plattformen und Dienstleistungsangebote im Rahmen der «Trinkgeld-Initiative». Von 23 eingereichten Projekten wurden zehn bewilligt. Nachdem sich das Produktionsdock nun zurückgezogen hat, sind es neun, die Gelder erhalten. Insgesamt vergibt die Abteilung Kultur somit eine Fördersumme von 592’500 Franken.
Auf Anfrage schreibt die Leiterin der Abteilung Kultur, Katrin Grögel, die Entscheidung des Produktionsdocks, den Betrieb einzustellen, gelte es zu respektieren, so bedauerlich dies auch sei.
Die Abteilung Kultur wäre der Empfehlung der Jury, die bisherige Unterstützung etwa auf der gleichen Höhe für die kommenden 18 Monate weiterzuführen, gefolgt. «Das Produktionsdock hat sein Fördergesuch nach Erhalt der Förderzusage zurückgezogen und uns kommuniziert, dass sie auf die Förderung verzichten und sich per Ende 2024 auflösen möchte», heisst es weiter.
Künstler*innen sind schockiert
Mit dem Entscheid des Produktionsdocks, seine Tätigkeit einzustellen, verliere die Szene ein Kompetenznetzwerk von erfahrenen Produktionsleitenden, das in den letzten Jahren massgeblich zur Professionalisierung der freien Szene in Basel beigetragen habe, so Grögel. Dies sei auch bedauerlich hinsichtlich der Ausbildungssituation für Produktionsleitende und dem Fachkräftemangel in diesem Berufsfeld.
Produktionsdock hat die Künstler*innen, mit denen sie aktuell zusammen arbeiten, informiert. «Wir gehen davon aus, dass nicht alle unserer Künstler*innen wieder eine Produktionsleitung finden werden», so la Dous. Dafür gebe es im gesamten deutschsprachigen Raum einfach zu wenige Menschen, die diesen Job machen.
Unter den Künstler*innen herrscht grosses Bedauern. Die Regisseurin, Performerin und Autorin Antje Schupp ist schockiert, sprachlos und traurig, wie sie sagt. Sie hat seit der Gründung des Produktionsdock mit dem Team zusammengearbeitet. «Ich konnte als aktive Künstlerin sehen, welche wichtige Arbeit das Produktionsbüro gemacht hat und welches wichtige Standbein sie in Basel sind. Dass sie auf Ende Jahr schliessen, empfinde ich wirklich als Katastrophe, weil ich gar nicht wüsste, wer das auffangen soll.»
Auch der Regisseur und Autor Zino Wey empfindet die Schliessung als enormen Verlust für die ganze freie Szene. «Ich finde es nicht ganz nachvollziehbar, dass es keine Möglichkeit gibt, dass so ein Projekt nachhaltig und ausreichend unterstützt wird», sagt er.
Mit den bereits gesprochenen Stiftungsgeldern möchte das Team einen Leitfaden für Künstler*innen erstellen, die bei der Organisation ihrer Projekte künftig wahrscheinlich auf sich alleine gestellt sein werden.
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