Die Sommerlesetipps des BuchBasel-Teams
Egal ob im Park, am Rhein oder auf dem Balkon – zu einem perfekten Sommertag gehört ein gutes Buch. Das findet auch das BuchBasel-Team und stellt dir hier seine liebsten Sommerbücher vor.
Dieser Artikel ist am 5. Juli 2022 zuerst im FRIDA Magazin erschienen. FRIDA gehört wie Bajour zu den verlagsunabhängigen Medien der Schweiz.
Liebe Leser:innen Habt ihr eure Badesachen gepackt? Das Velo gepumpt, die Rucksäcke mit Picknick gefüllt, den Koffer aus dem Keller geholt? Ja? Sehr gut! Fehlt nur noch ein Buch, richtig? Voilà, genau deshalb folgen die Tipps des BuchBasel-Teams, bestehend aus Alice Weniger, Valentina Bischof und Marion Regenscheit.
Erzählungen und Kurzgeschichten
Alejandro Zambra, «Bonsai» Vielleicht gehen unsere Ferien diesen Sommer irgendwann vorbei, aber Julios Liebe zu Emilia geht immer weiter. Ein Mini-Roman, der sexy, schön und traurig ist und sich wie ein Anruf eines alten Freundes mitten in der Nacht anfühlt.
Kathleen Collins, «Nur einmal» Intim, sauhässig und bewegend schreibt Collins über das Civil Rights Movement. Alle träumen von einer Welt, in der das Leben nicht entweder schwarz oder weiss ist. Grossartig zum Immer-Dabeihaben und Zwischendrin-Lesen; zum Beispiel auf einer Wartebank in einem unbekannten Bahnhof.
Helene Hegemann, «Schlachtensee» Helene Hegemann gilt als Ausnahmetalent in der deutschsprachigen Literatur. In ihrem neusten Kurzgeschichtenband beweist sie einmal mehr, was für herrlich widersprüchliche Prosa sie schreiben kann. Es gibt Dreier, Pfauen ohne Rad und Männer mit zu viel Ego. Es liest sich wie eine Bestandesaufnahme eines Thirtysomethings, ist voller unsympathischer Figuren und meistens ohne eine Auflösung. Irgendwie verstörend und beglückend zugleich.
Romane
Francesca Reece, «Ein französischer Sommer» Dieses 450-seitige Debüt der in Wales geborenen Autorin liest sich leicht, prickelnd und süffig. Wie Prosecco am Pool – mit Kopfschmerzen am nächsten Tag. Francesca Reece erzählt aus zwei Perspektiven aus dem Leben der jungen Leah, die als Assistentin in der Sommervilla eines erfolgreichen Schriftstellers nach und nach mit dessen Vergangenheit und viel Machismo konfrontiert wird.
Hanna Bervoets, «Dieser Beitrag wurde entfernt» Dieses Buch erscheint zwar erst Ende Juli, aber schaut, dass ihr es pünktlich zum Erscheinen in euren Briefkästen habt. Der neue Roman der niederländischen Autorin Hanna Bervoets erzählt von den Abgründen und den dunklen Seiten von Social Media. Die Hauptfigur Kayleigh arbeitet bei einer Firma, die damit beauftragt ist, Beiträge mit verstörenden Inhalten zu löschen. Psychologisch scharfsinniger erzählt, manchmal sehr direkt und manchmal leise und subtile erleben wir, wie in diesem Roman alle immer ein bisschen verrückter werden. Nach dieser Lektüre verliert Insta für eine Weile seinen Reiz. Deshalb: Nimm ein zweites Buch mit ins Gepäck!
Chris Kraus, «I love Dick» Die Künstlerin verliebt sich nahe LA madly in Dick und während des Lesens merken wir: Es gibt nicht viele Bücher, die das Begehren einer weiblichen Person so radikal und ungeschönt schildern wie dieses. Zwischen Fiktion und Tagebuch liegt der neongrüne Wälzer in der Strandtasche.
Leif Randt, «Schimmernder Dunst über Coby County» Es ist nicht Allegro, sondern eher Andagio, aber ähnlich pastellig, wie Randts später erschienener Bestseller. Coby County ist der schöne Ort am Meer, an den alle hinwollen und der seinen Bewohner*innen ein emanzipiertes Wohlstandsleben verspricht. Klingt fast zu perfekt, non?
Victor Jestin, «Hitze» Während seine Altersgenossen bei Rekordhitze feiern, trinken und unbedingt noch ein Mädchen klarmachen wollen, taumelt der 17-jährige Léonard alleine und übermüdet durch die letzten Stunden seiner Sommerferien auf einem französischen Campingplatz. Die Nacht zuvor steckt ihm in den Knochen: Er hat einem Jungen reglos beim Selbstmord zugesehen.
FRIDA ist das neue Kulturmagazin der Schweiz, das wöchentlich den Kulturstoff liefert, den es zum Leben braucht.
Krimis
Andrej Kurkov, «Samson und Nadjeschda» Seit Kurkovs Roman «Picknick auf dem Eis» (auch ein Krimi) gilt er als einer der wichtigsten zeitgenössischen ukrainischen Autoren. «Samson und Nadjeschda» ist der erste Fall von Samson und spielt in 1919 in Kiew. In den Wirren nach der Russischen Revolution stösst Samson, gerade zur Vollwaise geworden, beinahe durch Zufall zur neuen sowjetischen Polizei. Sein erster Fall ist gleich äusserst mysteriös: Ein abgeschnittenes Ohr, ein Knochen aus reinem Silber und ein Anzug aus feinem englischem Tuch geben ihm Rätsel auf…
Donna Leon, «Milde Gaben, Commissario Brunettis einunddreissigster Fall» Zu Donna Leon und ihrem Commissario Brunetti muss ich nicht viel schreiben, oder? Für alle, die sie wie ich, sehr gerne bei uns am Festival zu Gast haben möchten: Sie wird leider nicht kommen. Commissario Brunettis einunddreissigster Fall lohnt sich aber trotzdem: Wie wir als regelmässige Leser:innen bereits wissen: Brunetti ist sehr hilfsbereit. Diesmal droht ihm aber genau dies zum Verhängnis zu werden. Was als Freundschaftsdienst beginnt, beschäftigt schon bald die halbe Questura. Zum Glück hat Brunetti ein gutes Gespür für die Grauzonen des menschlichen Verhaltens und er findet eine vielversprechende Fährte.
Donna Leon, «Milde Gaben, Commissario Brunettis einunddreissigster Fall», Diogenes
Jo Nesbø, «Messer» Kennt ihr die Harry Hole-Reihe von Jo Nesbø? Es gibt alle Bücher bis auf seinen neusten Roman «Messer» als Hörbuch auf Spotify. Ich bin deshalb derzeit etwas im Klinsch: Warten bis auch «Messer» als Hörbuch erscheint? Oder doch lesen? Weil ich mich noch nicht entschieden habe, kann ich noch gar nichts zum zwölften Harry-Hole Fall sagen. Empfehlen möchte ich es trotzdem. Schliesslich ist Harry in den letzten Jahren sowas wie ein Freund geworden.
Sachbücher
Marina Rumjanzewa, «Auf der Datscha Eine kleine Kulturgeschichte» Eine kleine Kulturgeschichte über die Tradition der Datscha und wie die Datschinski (z. Dt. Sommergäste – ja, das könntest Du sein!) in den Tag hinein leben und im verwucherten Grünen ausserhalb der heissen Stadt zusammenkommen.
Marina Rumjanzewa, «Auf der Datscha Eine kleine Kulturgeschichte», Surhkamp
Clemens J. Setz, «Die Bienen und das Unsichtbare» Wer Entdeckungsreisen in ungewöhnliche Sprachwelten mag, wird das Buch lieben: Von Esperanto, Klingonisch, Volapük, Blissymbolics bis Lojban, spürt Clemens Setz in seinem unverkennbaren Erzählton Kunstsprachen und ihren Anekdoten nach. Gelungen ist ein kritisches Sachbuch, das zugleich poetische Sprachkunst ist und wirklich ein fantastisches, alle Gattungsgrenzen sprengendes Buch – was will man mehr?
Clemens J. Setz, «Die Bienen und das Unsichtbare», Suhrkamp
Lyrik
Maria Stepanova, «Mädchen ohne Kleider» Maria Stepanova beschwört mit ihren drei Gedichtzyklen eine Welt von Schutzlosigkeit und leeren Hüllen. Immer ist da ein weiblicher Körper und ein Betrachter. Immer ist da eine schroffe Realität und Unterdrückung. Intensive Bilder also, die vor Augen führen, was Poesie vermag: ein stiller Protest, der Verwundbarkeit und Zeitgeist in wortgewaltige Sprache zusammenbringt.
Warsan Shire, «Haus Feuer Körper / Bless the Daughter Raised by a Voice in Her Head» (zweisprachige Ausgabe Englisch-Deutsch) Warsan Shire schreibt Texte für Byoncé und für die New York Times. Und ohne es zu wissen, bist du bestimmt schon Texten von der somalisch-britischen Autorin begegnet. Ihre Texte sind poetisch und sinnlich, aber auch aktuelle Gegenwartsbeschreibungen: Es geht um Vertreibung, Gewalt und Diskriminierung. Ein Buch, das ich in Etappen lesen musste, weil die einzelnen Gedichte und Aussagen nachhängen. Ich empfehle es deshalb als Zweitbuch, das neben einem süffigen Roman für Bodenhaftung sorgt.
Warsan Shire, «Haus Feuer Körper / Bless the Daughter Raised by a Voice in Her Head», Fischer
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