Dunkle Zeiten im Restaurant blindekuh
Basels vielleicht unkonventionellstes Restaurant, die blindekuh, pausiert vorübergehend, um die Arbeitsplätze zu sichern. Wie geht der Betriebsleiter mit den Umsatzeinbussen um?
Wie geht es den kleinen Basler Cafés, Restaurants und Lädeli? Wir fragen in dieser losen Serie nach. Wenn du Ideen oder Wünsche hast, wen wir sonst noch porträtieren sollten: Melde dich gern unter [email protected], Betreff «Gärngschee Gwärb».
Brailleschrift auf einem Gemälde und auf Weinetiketten, eine bunt bemalte Doppelseite im Gästebuch sowie zwei grosse, einladende Ledersofas und reihenweise metallene Spinds kennzeichnen den Eingangsbereich der blindekuh Basel. Unter der Treppe gibt ein schmales Fenster an der schwarz getünchten Wand den Blick frei auf die hell beleuchtete Küche mit hübsch platzierten Kräutertöpfen.
Daneben, am Ende eines tiefschwarzen Ganges, versteckt sich das einzige Dunkelrestaurant Basels, eines von zweien in der Schweiz. (Dasjenige in Zürich ist laut Eigenaussage das erste weltweit.) Der Clou: Die Gäste sitzen im Dunkeln und müssen beim Essen auf ihren Geschmackssinn vertrauen.
Betriebsleiter Ralph Bucherer kommt mit zackigen Schritten aus dem Büro geeilt, er musste noch ein paar Büroaufgaben erledigen, dafür hat er jetzt Zeit für ein längeres Gespräch. Bucherer schaut aufmerksam. Er ist einer der wenigen Mitarbeitenden, dessen Augen nicht beeinträchtigt sind. Die meisten Angestellten sind entweder blind oder sehbehindert.
«Normalerweise haben wir 180 Events pro Jahr, in diesem keine dreissig.»Ralph Bucherer, Betriebsleiter blindekuh Basel
Er kommt schnell auf den Umsatzeinbruch zu sprechen: «Unser Eventbetrieb, also die Vermietung der Halle 7, die sonst 65% der Gesamteinnahmen ausmacht, ist über den Frühling und Sommer komplett weggebrochen. Normalerweise haben wir 180 Events pro Jahr, in diesem keine dreissig. Das reisst ein Loch in unsere Kasse.» Der Restaurantbetrieb war während des ersten Lockdowns von Mitte März bis Mitte Mai geschlossen.
Aber gerade für ein Gastro-Konzept, wie es die blindekuh hat, sind solche Unregelmässigkeiten eine existenzielle Bedrohung: Der Betrieb bietet «Erlebnisgastronomie» an, für einmal beim Essen den Fokus auf den Geschmackssinn legen und das Gegenüber nur mit dem Hörsinn wahrnehmen, das ist ein Erlebnis, aber nicht eines, dass man regelmässig jeden Samstag wiederholt. Die blindekuh verzeichnet deshalb kaum spontane Gäste und eher wenige Stammkund*innen.
Das gilt nicht nur für das Restaurant, sondern auch für den Eventbetrieb. Die Halle 7 steht einerseits für Messen zur Verfügung, andererseits für kleine, private Anlässe wie zum Beispiel an Halloween, wie der Blick ins Gästebuch zeigt:
Im Dunkeln einen Tisch teilen während der Pandemie?
Eine weitere Herausforderung sind die hohen Personalkosten: «Am Empfang braucht es eine Person, die die Gäste darauf hinweist, potenziell leuchtende Gegenstände in Spinds einzuschliessen und die Menükarte zu lesen. Dann holt eine Person die Gäste ab und führt sie im Dunkeln zu ihrem jeweiligen Tisch.»
Auch die Umsetzung der Schutzkonzepte erforderte einen kreativen Mehraufwand: «Normalerweise haken sich die Gäste bei der Abholperson ein, das ging natürlich nicht mehr. Stattdessen liessen wir die Gäste mit zwei Blindenstöcken, wie mit Skistöcken, zum Tisch laufen.» Statt an Gruppentische wurden die Gäste an Privattische gesetzt.
«Wir liessen die Gäste mit zwei Blindenstöcken, wie mit Skistöcken, zum Tisch laufen.»Ralph Bucherer, Betriebsleiter blindekuh Basel
Damit ist jetzt vorläufig Schluss. Angesichts der schwierigen Umstände hat Bucherer Mitte November beschlossen, den Betrieb bis Ende Jahr zu pausieren – zum Schutz seiner Angestellten. «Wir wollen keine Leute entlassen! Hier in der blindekuh in Basel arbeiten 29 Personen. Dazu kommen die Mitarbeitenden im Eventbetrieb, schwankend je nach Grösse des Anlasses, sowie im Büro. Deren Stellen gilt es zu schützen. Wenn möglich, werden wir wieder Kurzarbeit beantragen.»
Seine Angestellten stehen hinter ihm, sagt Bucherer: «Die Mitarbeitenden haben vollstes Verständnis für unsere Strategie. Wir hatten sie von Mitte März bis 11. Mai auf Kurzarbeit gesetzt, damit sie wenigstens ein kleines, gesichertes Einkommen haben. Die Löhne in der Gastronomie sind ja generell nicht sehr hoch. Gemeinsam haben wir die letzten Monate die Situation beobachtet. Zum Glück griff in Basel die Dreidrittel-Lösung für die Mieten.» Allen Beteiligten sei bewusst, dass er die Pause nur mache, um Arbeitsplätze zu schützen.
Und wie geht es jetzt weiter? «Wir möchten möglichst viel Luft haben, weil niemand weiss, wie lang es geht.» Ihm sei es wichtig, dass die blindekuh auch in der öffentlichen Wahrnehmung nicht schliesst, sondern pausiert.
Und das obwohl die Zeichen auf Sturm stehen: Auf der Website kommunizierte die Stiftung blindekuh bereits seit dem 14. November, dass sie mit eigenen Mitteln die Restaurants in Zürich und Basel kaum am Leben erhalten könne. Jürg Spielmann, einer der Stiftungsgründer habe mit seinem öffentlichen Spendenaufruf bereits einiges bewegt, sagt Bucherer. Er hofft auf wohlwollende Spender*innen. Und darauf, im neuen Jahr wieder öffnen zu können.
Wollt ihr die blindekuh unterstützen? Hier findet ihr den Link auf die passende Website, dort könnt ihr einen Betrag eurer Wahl spenden. Mehr über die Geschichte und das Konzept der blindekuh erfahrt ihr im Interview mit Stiftungsratspräsidentin Christina Fasser und Gründer Jürg Spielmann.
Übrigens: In Bajours Facebook-Community «Gärn Gschee – Basel hilft» können KMU um Tipps bitten und Infos teilen, wie man durch die Krise kommt.