«Noch nie habe ich solche Geschichten gehört»

Am Donnerstag präsentiert die Stiftung Radio Basel das Gewinnerprojekt ihres katalysatOHR-Förderpreises 2021: «Eigentlich seit immer» über frauenliebende Frauen im Alter über 80. Wir haben mit den Autorinnen geredet.

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Die Autorinnen Christina Baron, Corinne Rufli, und Ruth Huber (v.l.n.r.) (Bild: zVg, Collage: Ernst Field)

«Wer sich eine lesbische Frau vorstellt, denkt sicherlich nicht an eine Frau über 80», sagt Christina Baron über ihr Hörstück zu frauenliebenden Frauen im Alter über 80, «wir wollten Sichtbarkeit und Hörbarkeit Frauen dieser Generation schaffen und zeigen, dass die Frauenliebe kein neues Phänomen ist.»

In «Eigentlich seit immer» erinnern sich drei Frauen an ihre Erfahrungen mit Liebe und den gesellschaftlichen Herausforderungen, mit denen sie zu kämpfen hatten. Für die Realisierung haben die Autorinnen Christina Baron, Ruth Huber und Corinne Rufli den Förderpreis katalysatOHR 2021 gewonnen. Heute Donnerstag wird das Hörstück im Rahmen eines Anlasses der Stiftung Radio Basel präsentiert und anschliessend in einem Podium besprochen.

Katalysatohr Logo
Was ist der «katalysatOHR»-Förderpreis?

Die Stiftung Radio Basel hat 20 Jahre lang einen eigenen Hörspielpreis verliehen. 2007 der internationale featurepreis für «deutschsprachige Produktionen gebührenfinanzierter Sender aus Deutschland, Österreich und der Schweiz» lanciert. Seit 2019 wird anstatt diesem der Förderpreis «katalysatOHR» vergeben.

Dort kann man eine Idee für ein Hörstück einsenden und Unterstützung für die Umsetzung bekommen. Diese besteht aus:

  • einem Förderbeitrag von max. 6'000 CHF
  • Unterstützung bei der Produktion
  • die Präsentation des umgesetzten «Hörstücks» am SONOHR-Festival.

Corinne Rufli merkte in ihrem Geschichtsstudium, dass frauenliebende Frauen nirgends vorkommen. «Ihre Geschichten, ihre Lebensweisen, gesellschaftliche und staatliche Repression sind bislang kaum erforscht.» Deshalb widmete sie sich dem Thema in ihrer Forschung und schrieb neben dem erwähnten Porträtbuch auch ihre Lizentiatsarbeit zur ältesten noch lebenden Generation frauenliebender Frauen. «Noch nie habe ich solche Geschichten gehört», hält die Historikerin fest, «jede ist einzigartig, doch sie sind in unserer Gesellschaft nicht sichtbar, so werden uns Vorbilder vorenthalten. Das will ich ändern».

Ähnliches betont auch Christina Baron, die das Hörstück mit Ruth Huber produzierte: «Da ich selbst einen Bezug habe, fällt es mir natürlich eher auf, dass das ein Thema ist, über das viel zu wenig gesprochen wird. Dabei gibt es in fast jeder Familie diese eine alte Tante, die immer mit ihrer ‹besten Freundin› zusammengelebt hat.»

«Jede ist einzigartig, doch sie sind in unserer Gesellschaft nicht sichtbar, so werden uns Vorbilder vorenthalten.»
Corinne Rufli

Seit über zehn Jahren führt Rufli Interviews mit älteren frauenliebenden Frauen, diese eigneten sich gut für ein Hörstück, sagt sie. Das Fehlen von Bildern bringe auch viel Positives mit sich, erklärt Baron. So könne man sich mehr darauf konzentrieren, was gesagt werde. «Wo wird die Stimme leiser, wo gibt es ein Zögern, eine Pause? Alles fällt mehr ins Gewicht.» Auch Rufli findet: «Beim Hören merkt man, wie einmalig diese Aufnahmen sind.»

Über den Förderpreis hatte sich das Dreierteam sehr gefreut. «Es hat uns gezeigt, dass es ein Interesse an diesen Geschichten gibt und dass diese erzählt werden sollen», so Rufli, «es ist auch ein Lohn für meine lange Forschung.» Das Gewinnen des Preises habe es den Autorinnen erleichtert, weitere Förderung zu bekommen, sagt Christina Baron. «Der KatalysatOHR war also wirklich ein Katalysator, um mehr Geld zu finden.»

Jetzt wird freudig auf die Präsentation geblickt. «Als Macherin ist das gemeinsame Hören etwas sehr Schönes», findet Baron, «andere Leute lachen an einer Stelle, die ich nicht lustig fand. Man bekommt mit, was die Zuhörer*innen für Gefühle haben.» Corinne Rufli glaubt, das Publikum werde sehr berührt sein. «Es gibt nicht die lesbische Frau dieser Zeit, sondern ganz individuelle Geschichten und die sind für alle.»

Zum Event:

Wann? Donnerstag, 1. Juni 2023, 19.30 Uhr

Wo? Barakuba, Gundeldingerfeld, Dornacherstrasse 192 in Basel

Beschränkte Anzahl Plätze. Anmeldung wird empfohlen.

Seit 2022 präsentiert die Stiftung Radio Basel die prämierten Hörstücke auch in Basel. Am 1. Juni sind Christina Baron, Ruth Huber und Corinne Rufli zu Gast, die mit ihrem Projekt «Eigentlich seit immer», einem Feature über frauenliebende Frauen jenseits der 80 den katalysatOHR 2021 gewonnen haben.

In der intimen Audiocollage erinnern sich die Frauen, wie sie Liebe gelebt haben, wie sie den gesellschaftlichen Widerständen begegnet sind und ihre inneren Widersprüche ausgehalten haben.

Mit den Autorinnen Christina Baron, Ruth Huber und Corinne Rufli, Moderation: Martina Rutschmann

ab 21.30 Uhr: Barbetrieb und Disco mit DJ Michi Motter

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Ernst hat als Praktikant bei Bajour gestartet, wurde dann vom Studieren abgehalten und als Trainee verpflichtet. Ernst ist mittlerweile aufstrebender Junior-Redaktor für Social Media. Wenn er nicht gerade mit dem rosa Mikrofon in der Stadt rumspringt, Glühwein testet oder Biber jagt, stellt er kluge Fragen in seinem Podcast «Ernsthafte Gespräche». 2024 wurde Ernst vom Branchenmagazin Journalist:in unter die «30 unter 30» gewählt.

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