«Wir brauchen mehr Farbe!»
Die Glunggi finalisieren beim zweiten Cortège ihre Graffiti-Laterne. Mit dem Graffiti-Künstler Dest Jones und Pippi Langstrumpf als Motiv wird der Wunsch nach mehr Farbenfrohheit ausgedrückt.
Hätten sich die Glunggi einen passenderen Startpunkt für den zweiten Cortège aussuchen können als den Picassoplatz? Denn was diese Clique betreibt, ist schliesslich eine Hommage an die Kunst. Die Rücken ihrer Goschdym sind so farbenfroh wie die Gemälde von Pablo Picasso. Auch ihre Laterne ist eine Leinwand.
Zur Erinnerung (Bajour berichtete bereits): Noch beim Morgestraich sah die Laterne der Glunggi ganz anders aus, sie blieb dunkel und zeigte kein Motiv. Und auch die Glunggi selbst waren noch komplett schlicht in weiss.
Noch immer sind einige der Glunggi weiss gekleidet, aber das wird sich heute ändern. Wie schon am Montag wird das Sujet der Glunggi Stück für Stück während des Cortège finalisiert: Die Drummler*innen und Pfyffer*innen werden mit bunten Farben aus Spraydosen besprüht. Und auch die Laterne hat ihren Look erst am Cortège erhalten.
«Sowas gabs einfach noch nicht, deshalb sind auch alle so begeistert von der Idee»
– Olivier Dolder, Obmaa der Glunggi
Die Laterne ist das Projekt des Basler Künstlers Philipp Tschanz. Sein Sprayer-Namen Dest Jones gehört zu den ganz grossen in der Schweizer Graffiti-Szene, die er in den 90ern mitgeprägt hat. Für die Glunggi sprayt er nun Pippi Langstrumpf auf die eine Seite der Laterne und auf die andere eine bunte Silhouette von Basel.
Wir haben die Glunggi schon am ersten Cortège begleitet, wie sie ihr Sujet umsetzen.
Dest Jones, warum hast Du Dich für Pippi Langstrumpf als Motiv entschieden?
Ich habe überlegt, wie man das Sujet «Farbe» umsetzen könnte für die Laterne, sodass man es auch schnell während eines Cortèges sprayen könnte. Mir kam dann die Villa Kunterbunt von Pippi Langstrumpf in den Sinn. Sie steht für mich als Figur für eine Freigeistigkeit, welche die Glunggi auch mit ihrem Sujet zum Ausdruck bringen wollen. Ich habe also eine Comic-Karikatur von ihr gezeichnet und das Äffchen auf dem Kopf ersetzt durch einen Farbeimer. Ich denke auch, mit Pippi Langstrumpf kann man keinen Skandal auslösen.
Hat die Angst vor einem möglichen Skandal denn einen Einfluss auf das künstlerische Motiv gehabt?
Man muss als Künstler heutzutage schon überlegen, was man malt, um nicht ins Kreuzfeuer zu kommen. Was nicht heisst, dass ich nicht verstehe, dass gewisse Gruppen sich für mehr Sensibilität einsetzen. Aber ich hoffe, dass die Empörung irgendwann wieder eine kleinere Rolle spielen wird.
Rastalocken und Winnetous sind dieses Jahr ein grosses Thema. Wegen der Kritik an kultureller Aneignung.
Ich habe vor Jahren auch schon Winnetou und Old Shatterhand auf Laternen gemalt, damals wurde das nicht kritisch zur Kenntnis genommen.
Du bist bereits geübt im Laternenbemalen. Wie bist Du zur Fasnacht gekommen?
Ich bin Basler, dadurch war ich schon immer Teil der Fasnacht, einfach als Konsument und nicht als Aktiver. Durch meine Arbeit als Künstler bin ich irgendwann angefragt worden, den Ueli auf die Terrasse der Fischerstube zu sprayen. Das ist die Stammbeiz der Schnurebegge, die mich dann anfragten, ihre Laterne für 2015 zu malen. Wahrscheinlich ist es unausweichlich, als Basler Maler irgendwann eine Laterne zu malen.
Kann man Laternen denn besprayen?
Nein, klassische Laternen lassen sich nur mit dem Pinsel bemalen, weil das Material so filigran ist. Als Künstler nutze ich alle Arten von Werkzeugen beim Malen, auch wenn meine Wurzeln beim Graffiti in der Teenagerzeit liegen. Die Sprühdose ist einfach schneller als ein Pinsel, deshalb eignet sie sich für die Performance mit den Glunggi.
Beim Yystoo für den Cortège am Mittwoch müssen die Glunggi erstmal mithelfen: durch kräftiges Schütteln. Wärmepads sind gefragt. Weil es so kalt ist, müssen die Sprühdosen warmgehalten werden. Sonst funktionieren sie nicht so gut wie gewollt, erklärt Tschanz, während er sie mit den Wärmepads in einer weissen Box versorgt, die gleich im Vortrab mitgezogen wird.
Dann geht es wieder los: Hinten reihen sich die Pfyffer*innen ein, die bereits durch ihre besprühten Rücken die Blicke auf sich ziehen. Besprüht werden jetzt beim Cortège noch die Rücken der Drummler*innen. «Ich hoffe, du hast ein bisschen blau für mich», sagt einer kurz vorher noch zu Tschanz. Die Drummler*innen besprühen sich gegenseitig, werden aber von «Farbmanager» Tschanz instruiert.
Wer dran ist, verstaut zunächst seine Trommel unter einem Tuch auf der Laterne, damit das Instrument nicht auch Farbe abbekommt. Und dann werden die Drummler*innen zur Leinwand.
Sind sie fertig, schnappen sie die Trommel und es geht im fliegenden Wechsel weiter. Gleichzeitig widmet sich Tschanz der Basler Silhouette, die er in bunten Farben zum Leuchten bringt. Bei den Stopps sprayt Tschanz den Feinschliff seiner Pippi Langstrumpf.
Die Glunggi derweil nutzen die Pausen, um sich mit den Farben noch mehr auszutoben: Mit einer Schablone sprayen sie ihr Logo auf die Goschdym. Und mit Farbpulver werden noch mehr Akzente gesetzt.
Was direkt auffällt: Alle haben massig Spass an der Farbexplosion. Spielerisch ist das Sujet schonmal ein voller Erfolg. Aber warum überhaupt Farbe als Sujet für den Cortège?
«Wir brauchen mehr Farbe»
– Karin Schärz, Sujet-Kommission Glunggi
Karin Schärz von der Sujet-Kommission der Clique erklärt, dass es nunmal einfach mehr Farbe brauche. Gleichzeitig steht die Farbe für die Glunggi auch für eine Offenheit und Respekt voreinander – und passt damit bestens ins Jahr. Durch Farbe zusammenfinden statt zu spalten. Ob das wohl auch Pablo Picasso gefallen hätte?
Und so sieht das Endresultat aus:
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