«Eine Sauarbeit»
Die Rolli-Clique provoziert mit einer Laterne zu Fleischkonsum: 120 Saublootere leuchteten darauf zum Morgestraich. Die Laternenmalerin Mirjam «Mimi» Pierig wollte etwas schaffen, «was die Leute ein bisschen aufschreckt».
In 40 Jahren Laternenmalen kann auch mal etwas schief gehen. Mirjam «Mimi» Pierig hat einige Künstler*innen gesehen, die Stellen auf Laternenseiten mit heissem Wasser wuschen – einmal sogar eine Seite rausschneiden mussten – und unter enormem Zeitdruck von neuem angefangen haben.
Ihre persönliche Tragödie hatte das Gesicht von Tina Turner. Stundenlang hatte sie diese auf die Laterne einer Jungen Garde gemalt. Als es an jener Fasnacht geschneit hat, ist das komplette Bild runtergelaufen. Der Lack, den man eigentlich genau für solche Fälle auf die mit wasserlöslicher Farbe gemalte Laterne aufträgt, war nicht deckend. Die Clique hatte Spraydosen verwendet statt mit Farbrollern aufgetragenen normalen Lack. «Ich habe dann nicht mehr für sie gemalt, dafür aber neu die Stammlaterne malen dürfen», erzählt Mirjam.
Sie hat schon viel erlebt als Laternenmalerin. «Man merkt in unserem Metier einen Generationenwechsel.» Früher seien es hauptsächlich Leute mit künstlerischen Ausbildungen gewesen: Maler*innen, Dekorateur*innen oder, wie Mirjam selbst, Grafiker*innen. Jüngere Laternenkünstler*innen haben heute zum Teil Street-Art-Hintergrund. Manche verwenden bereits generative KI, um Impulse oder Teile für die komplexen Bildkompositionen zu erhalten. «KI kann in gewissen Bereichen inspirierend und eine Hilfe sein», sagt sie. «Es wird in den kommenden Jahren wohl eine immer grössere Rolle spielen.»
Mirjam aber ist noch ganz oldschool unterwegs und projeziert ihre selbstkreierten Entwürfe mit Overhead-Projektor auf die Laterne – das ist am einfachsten, um die Proportionen zu übertragen. Und als Künstlerin arbeitet Mirjam «one at a time». «Wenn ich drei weisse Leinwände nebeneinander stehen hätte, kriegte ich die Krise.» Die drei Laternen, die sie dieses Jahr malt, sind alle an unterschiedlichen Orten entstanden.
Ihr Vater kam aus dem Wallis, ihre Mutter aus Bern, sie kam in Basel zur Welt. Klein Mimi wollte pfeifen lernen, aber beide Eltern waren schüchtern und zurückhaltend. Also hatte sie sich eine Zeitung geschnappt und herausgesucht, welcher Cliquenname ihr am besten gefällt: Wiehlmys, dort wollte sie vorstellig werden. Für eine Pfeiferin war sie mit 16 aber recht spät dran.
Als sie dem Pfeiflehrer gesagt hat, dass sie Grafikerin werden wollte, hat er sie zum Laternenmalen mitgenommen – und so durfte sie die kleine Laterne fürs Buschi-Näscht malen. Im nächsten Jahr war’s dann die Junge Garde. Und im Jahr darauf die Stamm-Laterne – sie übernahm von einem alteingesessenen Maler, der im Vorjahr sieben Laternen malen wollte und zum Unmut der Clique mit der ihrigen nicht rechtzeitig fertig wurde.
In den folgenden 40 Jahren hielt sie mehreren Cliquen für viele Jahre die Treue. «Aber irgendwann merkt man, dass beiden Seiten frischer Wind gut tut», sagt sie. Bei den Rolli ist sie jetzt seit acht Jahren dabei. Schon recht früh wird sie in den Sujetfindungsprozess miteinbezogen und bringt Inputs.
So auch beim diesjährigen Sujet: Friss doch dy Hund – eine gnadenlose Abrechnung mit dem Fleischkonsum. Die Clique ist eingekleidet als Armee der Tiere, die sich gegen die Menschen auflehnt – und auf der Vorderseite der Laterne grüsst der Schweine-General mit einem aufgespiessten Menschen-Mittelfinger als Symbol der menschlichen Arroganz und Ignoranz.
«Für die Rückseite wollte ich etwas machen, was die Leute ein bisschen aufschreckt.» Und das ist gelungen: Die 120 leuchtenden Saublootere (sie symbolisieren die von uns «gefressenen Schweine») und in der Mitte ein Schrei einer Schweineseele, waren am Morgestraich ein Eyecatcher.
Seit einigen Jahren sind die «Saublootere» nicht mehr Teil der Basler Fasnacht, früher hat man damit noch Unmaskierten eins ausgewischt. «Es war gar nicht so einfach, die zu kriegen», erzählt Mirjam. Ein Metzger in Muttenz konnte dann behilflich sein. Und so hat Mirjam die Saublootere mit Kupferdraht und kleinen Löchern in der Leinwand montiert – «eine Sauarbeit», sagt sie.
Ob die Tierschutzorgansiation Peta Freude an der Laterne hat? «Für Tierfreunde ist das sicher grausam. Aber wir setzen uns ja genau mit dieser Grausamkeit des Fleischkonsums im Sujet kritisch auseinander», sagt Mirjam Pierig. Sie selbst ist keine Vegetarierin, «noch nicht, aber ich esse wenig Fleisch und Schwein schon ewig nicht mehr».