Lieber Staat, her mit dem Corona-Chlütter

Bange Frage: Reicht das Geld des Staates, um auch noch einen zweiten oder dritten Lockdown abzufedern? Erstens Ja! Und zweitens ist das die falsche Frage.

Werner Vontobel
(Bild: Unsplash / Bajour)

Die zweifelnden Stimmen häufen sich. Vor alle die NZZ mahnt immer wieder, dass das «staatliche Füllhorn» bald leer sei, dass wir «das Fuder überladen» oder die «Kosten auf die kommenden Generationen abwälzen». Doch mit Metaphern kommen wir nicht weiter. Da muss man schon genauer hinschauen:

Was genau ist das Füllhorn? Das Fuder? Was sind die Kosten?

Das Füllhorn ist die Produktionskraft unserer Wirtschaft. Letztes Jahr hat sie Güter und Dienstleistungen im Wert von rund 730 Milliarden Franken hergestellt. Hätten wir auch die Arbeitslosen beschäftigen können, wäre es deutlich über 750 Milliarden gewesen.

Das Fuder sind die Konsum-Ansprüche, die wir an das Füllhorn stellen. Letztes Jahr haben wir 640 Milliarden selbst beansprucht. 90 Milliarden gingen in den Exportüberschuss. So gesehen hat die Schweiz ihr Fuder seit bald 40 Jahren nie mehr überlastet. Das Füllhorn wäre froh, wenn es mehr gefordert würde.

Und die Kosten? Nun, sie entstehen dadurch, dass wir das Fuder wegen Corona in diesem Jahr noch weniger belasten: Wir reisen weniger, gehen weniger ins Restaurant, ins Theater, in die Disco.

Bisher ist der Konsum etwa um 17 Milliarden geschrumpft. Aufs Jahr gerechnet dürften fast 25 Milliarden sein. Für den Normalverdiener sind das Einsparungen, Geld auf der hohen Kante. Für unsere Landsleute, die in den betroffenen Branchen beschäftigt sind oder waren, sind das – oft drastische – Einkommenseinbussen. Für den Staat sind das Kosten, denn wenn er die Einkommenseinbussen nicht ausgleicht, droht ein Teufelskreis – noch weniger Konsum, noch mehr Arbeitslosigkeit, Zukunftsängste Einsparungen.

Der Staat verschuldet sich – erst mal

Diesen Teufelskreis hat der Staat gestoppt indem er den Opfern des Lockdowns und unserer (erzwungenen) Sparsamkeit Geld geschenkt oder vorgestreckt hat. Das Geld also, das die (finanziellen) Nutzniesser der Pandemie, die Corona-Gewinner, gespart haben.

Idealerweise müsste der Staat genau dieses Geld durch eine Sondersteuer wieder eintreiben. Dann wäre alles wieder im finanziellen Lot. In der Praxis ist das kaum umzusetzen. Zudem wäre es gefährlich, durch neue Steuern den Aufschwung zu gefährden. Also ist es das kleinere Übel, wenn sich der Staat vorerst mal verschuldet und die Steuern erst später erhöht.

Werden dadurch die kommenden Generationen belastet? Nein. Sie erben ja die Guthaben der Corona-Gewinner*innen gegenüber dem Staat und den Corona-Verlierer*innen, die sich zum Überleben verschulden müssen. Wenn die Corona-Gewinner*innen ihre Guthaben später wieder abbauen müssen, ist das in Ordnung. Von einer «Belastung der kommenden Generationen» zu reden, ist einfach nur .... na ja, eine dumme NZZ-Metapher. Leider eine, die einige bürgerliche Politiker*innen offenbar zu ernst nehmen. So haben National- und Ständerat letzte Woche einen Mieterlass für KMU verworfen. 

Schulden? Nicht bei uns!

Anders in unserer Region: Basel-Stadt kennt seit Monaten eine solche Dreidrittelslösung. Und auch Baselland führt sie jetzt ein. Zwar war die Regierung ebenfalls gegen eine solche (kantonale) Unterstützung von Beizer*innen und Lädelibesitzer*innen. Und sie war auch gegen eine Härtefall-Untersützung à fonds perdu. Aber die Stimmbevölkerung und das Parlament haben sich durchgesetzt.

Diese Solidarität aus der Bevölkerung verwundert nicht. Schliesslich haben auch die (rein finanziellen) Corona-Gewinner*innen ein Interesse daran, dass «ihre» Kneipe, «ihre» Disco, «ihr» Fitnessclub nach der Pandemie immer noch da ist. Die vorübergehende Verschuldung des Staates stellt sicher, dass das Füllhorn wieder liefern kann, sobald die Pandemie endlich überwunden ist.

Das Leben soll ja weitergehen. Das Fuder will wieder beladen werden.

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Werner Vontobel ist gebürtiger Basler und einer der bekanntesten Wirtschaftsjournalisten der Schweiz. Auf Bajour bringt er sich regelmässig zu volkswirtschaftlichen Themen, konjunkturpolitischen Grundsatzdebatten und ökonomischen Sinnfragen ein.

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