Nostalgie um den Preis politischer Weitsicht?
Die Diskussion um Erhalt oder Abriss des Roche-Baus 52 zeigt das Basler Dilemma zwischen nostalgischer Verklärung und der unternehmerischen Freiheit des Pharma-Giganten beispielhaft auf. Am Ende braucht es vor allem Raum für Entwicklung, kommentiert Chefredaktorin Ina Bullwinkel.
Wenn Gebäude sprechen könnten, würde sich der Bau 52 wohl laut wundern, was so besonders an ihm sein soll, dass sich aktuell viele entweder für seinen Erhalt oder für seinen Abriss ins Zeug legen. Vor einem Monat schlug die Mehrheit der Bau- und Raumplanungskommission vor, den alten Roche-Bau stehen zu lassen – entgegen des von Roche und Regierung erarbeiteten Bebauungsplans – und wirbelte damit politisch einiges an noch nicht vorhandenem Baustaub auf.
Mittlerweile gibt es zwei Petitionen. Die eine wurde von Architekt*innen, Denkmalpfleger*innen und Stadtentwickler*innen lanciert und fordert anstelle eines Abrisses eine nachhaltige Sanierung und eine Umnutzung des Gebäudes. «Innovation ist Renovation, nicht Abbruch!» lautet ihr Slogan. Der Bau 52 ist aus Sicht der Initiant*innen ein «Zeuge vergangener Zeiten» und gelte als «schutzwürdig».
Die Bürgerlichen wollen die Pharma um keinen Preis vergraulen – in Zeiten von drohenden US-Zöllen und Abwanderungsdiskussionen nicht unberechtigt.
Die Schutzwürdigkeit sei zwar unbestritten, findet die FDP Basel-Stadt, die Initiatorin der zweiten Petition im Bunde, die Schutzfähigkeit sei aber von mehreren unabhängigen Gutachten klar verneint worden. Ein Erhalt sei nur mit tiefgreifenden Eingriffen in die Substanz möglich und wirtschaftlich sowie klimapolitisch nicht sinnvoll. Die Liberalen wollen deshalb die Abrissbirne sehen, damit etwas Neues entstehen kann. Die Gegner*innen hingegen bewerten die Sanierung als weniger problematisch, das Bewahren des Alten als die innovativere Lösung und auch als besser fürs Klima.
Wer hat recht? Wenn es in Basel um die Pharma geht, dann geht es eigentlich auch immer um die Frage, wie viel der Kanton ihr entgegenkommen sollte – oder auch nicht. Neben der Dankbarkeit für den Wohlstand, den er in die Region trägt, schaut vor allem die Linke gern extra kritisch hin. Und die Bürgerlichen schlagen die Hände überm Kopf zusammen, wollen sie die Pharma um keinen Preis vergraulen – in Zeiten von drohenden US-Zöllen, Abwanderungsdiskussionen und der Suche nach neuen Wachstumsstrategien nicht unberechtigt.
Wie sehr will eine Stadt am Alten festhalten oder aus Prinzip auf Sanieren statt Neubau setzen und wie sehr will sie Neues wagen und den Wandel zulassen?
Bei der Diskussion um die Zukunft des Baus 52 geht es also auch um Grundsätzliches: Wie sehr will eine Stadt – aus nostalgischen Gründen – am Alten festhalten oder aus Prinzip auf Sanieren statt Neubau setzen (der Wohnschutz lässt grüssen) und wie sehr will sie Neues wagen und den Wandel (innerhalb eines privaten Unternehmens wohlgemerkt) zulassen? Ist es zeitgemäss, der Roche eine Sanierung aufzuzwingen oder ist es zeitgemäss, Unternehmen – zu einem grossen Teil – selbst entscheiden zu lassen, wie ihre Investitionen in die Zukunft aussehen?
«Wenn Bebauungspläne einseitig durch den Kanton festgelegt werden, dann besteht die Gefahr, dass am Ende gar nichts Neues entsteht», sagte SP-Regierungsrat Kaspar Sutter gegenüber der bz. Es sei wichtig, dass sich die Roche in Basel entwickeln könne, meint er und stellt sich damit klar auf die Seite des Teams Abrissbirne.
Die Bewohner*innen einer Stadt müssen architektonisch und politisch schon auch einiges aus- und mit der Entwicklung mithalten.
Es ist interessant, dass gerade jetzt eine Debatte über einen möglichen Abriss aufkeimt – gut 50 Jahre nachdem Basels altes Stadttheater unter lautem Protest gesprengt wurde und für einen Neubau – für viele zu Beginn nichts anderes als ein hässlicher Betonklotz – weichen musste. Damals liess die Regierung mit der Sprengung Taten sprechen. Der Entscheid des Bundesgerichts stand noch aus.
Nun rät niemand der Roche, ihr Gebäude heimlich in die Luft zu jagen. Aber es ist unbestritten: Die Bewohner*innen einer Stadt müssen architektonisch und politisch schon auch einiges aus- und mit der Entwicklung mithalten. Zumindest dann, wenn es Raum für Entwicklungen und unternehmerische Freiheit geben soll. Sonst wird dieser Raum anderswo gesucht. Der alte Spruch, wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit, war selten passender. Das hat nichts mit einem vermeintlichen Einknicken vor der Pharma zu tun, sondern mit politischer Weitsicht.