Fussball, Fahnen, Vaterland

Wie Trabzonspor, der Gegner des FC Basel in der Europa League, dem türkischen Militär huldigt.

Screenshot

Der FC Basel spielt heute Donnerstagabend in der Europa League gegen Trabzonspor, dem Club aus der türkischen Stadt Trabzon am Schwarzen Meer. Sportlich geht es um wenig, der FCB ist bereits für die nächste Runde qualifiziert und will sich mit einem Sieg den ersten Gruppenplatz sichern. Trabzonspor ist mit einem Punkt aus fünf Spielen abgeschlagen Gruppenletzter.

Auf den Rängen kündigt sich derweil ein ganz anderer, politischer Streit ab. Wie eine Gruppe nicht näher identifizierbarer «Fans des FC Basel» im Vorfeld des Spiels kommuniziert, kommt mit Trabzonspor ein «problematischer Verein» nach Basel.

Als Hintergrund dieser Einschätzung wird unter Anderem ein Video angegeben, dass auf den sozialen Kanälen des Trabzonspor Kulübü verbreitet wurde. Das Video zeigt allerlei Kriegsgerät und türkische Flaggen. Aber schaut selbst.

Auf den englischsprachigen sozialen Kanälen Trabzonspors ist das Video nirgends zu finden, sein Inhalt ist offenbar an ein Publikum adressiert, das türkisch spricht. Wir haben den eingeblendeten Text von mehreren türkischen Muttersprachler*innen übersetzen lassen. Er lautet:

Wir wissen nicht, was Angst ist.

Wir sind die Soldaten der Berge.

Wir haben ein Nest in den Himmel gebaut. An schwindelerregenden Orten.

Wir kennen keine Hindernisse.

Erhabene weite Berge.

Sie (die Berge) geben uns die Hand, wir werden uns nach ihnen strecken.

Lila Wolken in schwarz.

Ich (das Militär) werde den Feind mit meiner Stahlklaue zerschlagen.

Ich bin überall.

der Text im Original:

Korku nedir bilmeyiz. Biz dağların erleri. Yuva yaptık göklere. Baş döndüren yerlere. Engel tanımaz aşarız. Yüce engin dağları. El verir uzanırız. mor siyah bulutlara . Düşmanı çelik pençemle ezerim. Her yerde ben varım.

Unter dem Video steht auf Twitter: Her şart ve koşulda sizinleyiz! («Wir sind mit euch in allen Bedingungen und Konditionen»). Dazu die Hashtags #BarışPınarıHarekatı (Operation Friedensquelle) und #TürkMilletiOrdusununYanında (Die türkische Nation ist bei der Armee).

Auf Twitter und Instagram wurde das Video am 8. Oktober veröffentlicht. Einen Tag später, am 9. Oktober, begann die sogenannte «Operation Friedensquelle», der Einmarsch türkischer Gruppen in Nordsyrien. Der bewaffnete Konflikt dauert bis heute an und hat aus Sicht des türkischen Machthabers Recep Tayyip Erdoğan zum Ziel, eine «Sicherheitszone» entlang der syrisch-türkischen Grenze einzurichten.

Bajour hat im Kontext der Rojava-Demonstrationen hierhier und hier über den Konflikt berichtet.

«Wir lieben Fussball. Wir hassen Faschismus.»

Die Basler Absender des Statements, das die Bajour-Redaktion am Dienstag den 10. Dezember erreichte und dessen Absender als «Einige Fans des FC Basel» unterzeichnen, schreiben dazu:

«Eine faschistische, kriegsfanatische Stimmung hat (…) weite Teile der türkischen Bevölkerung ergriffen, so auch Teile des Fussballs. Krasses Beispiel ist ein vom offiziellen Verein Trabzonspor produziertes und veröffentlichtes Propagandavideo. In diesem wird die Invasion kurdischer Gebiete zelebriert und eine blutrünstige Kriegsstimmung vermittelt. Wir lieben Fussball. Wir hassen Faschismus – egal woher dieser kommt!»

Dass das Video tatsächlich von der Bildabteilung Trabzonspors produziert wurde, lässt sich nicht zweifelsfrei verifizieren. Eine Version des Videos, auf der das Logo des Vereins in der linken oberen Bildecke fehlt, ist allerdings nicht zu finden. Erstaunlich ist, dass im gesamten Video keine einzige Fussball-Szene zu sehen ist. Und trotzdem wurde das Video auf sämtlichen Kanälen des Fussballvereins, aktuell immerhin Dritter der türkischen Liga, verbreitet.

Aber Trabzonspor steht mit der Vermischung von Sport, Patriotismus und militärischen Grüssen nicht alleine da. Im türkischen Fussball hat der türkische Angriff auf die Kurdenmiliz YPG in Nordsyrien eine breite Resonanz erfahren. In Erinnerung geblieben sind vor allem die Bilder von einigen salutierenden Spielern der türkischen Nationalmannschaft. Die Spieler hatten kurz nach Beginn des Militäreinsatzes Mitte Oktober in den EM-Qualifikationsspielen gegen Albanien (1:0 ) und Frankreich (1:1) mit dem militärischen Torjubel europaweit für Empörung gesorgt. Die UEFA hatte daraufhin Sanktionen angekündigt.

Auf den sozialen Kanälen Trabzonspors sind seit dem Kriegsvideo noch einige weitere patriotische Posts aufgetaucht. Unsere türkischsprachige Quelle sagt, der Fussballverein und seine Fans habe eine Geschichte, die eng mit den einfachen Leuten der Region verflochten ist. Seit den Nullerjahren sei der Verein aber immer mehr in den ideologischen Dienst der herrschenden Politik getreten. Andere Kenner*innen der türkischen Fussballszene, die wir befragten, bestätigen diese Version. Ein wichtiger Teil der Anhänger*innen bestehe jedoch noch immer aus der alten türkischen Linken.

Über geplante Aktionen vor oder nach dem Spiel rund um den St.-Jakob-Park steht nichts in der Mitteilung.

___ Zum Thema Soldatengruss in Fussballstadien empfehlen wir diesen Kommentar des Sportjournalisten Florian Raz im TagesAnzeiger: «Da habt ihr den Dreck».

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Bei Bajour als: Reporter und Redaktor

Hier weil: da habe ich die Freiheit, Neues anzupacken und unkonventionell zu arbeiten, ohne über sieben Hierarchiehürden zu springen. Das ist toll. Gleichzeitig macht diese Freiheit natürlich Angst, und das wiederum schweisst zusammen. Darum bin ich auch hier. Wegen des Teams.

Davor: Bei der TagesWoche und davor lange Jahre an der Uni mit Germanistik & Geschichte.

Kann: Ausschlafen.

Kann nicht: Kommas.

Liebt an Basel: Die Dreirosenbrücke. Das Schaufenster des Computer + Softwareshops an der Feldbergstrasse Ecke Klybeckstrasse. Das St. Johann. Dart spielen in der Nordtangente. Dass Deutschland und Frankreich nebenan sind.

Vermisst in Basel: Unfertigkeit. Alles muss hier immer sofort eingezäunt und befriedet und geputzt werden. Das nervt. Basel hat in vielem eine Fallschirmkultur aus der Hölle. Absichern bis der Gurt spannt. Ich bin schon oft aus Versehen eingeschlafen.

Interessensbindung: Vereinsmitglied beim SC Rauchlachs.

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