Geh doch in den Europa Park, FC Luzern!
Die Innerschweizer haben offensichtlich keinen Bock aufs Ausland. Sechsmal haben sie die Qualifikation für die Europa League erreicht – und dann versagt. So geht das nicht weiter.
Ich habe selten so wenig Fussball geschaut wie diesen Oktober. Klar, das liegt auch an Corona. Spiele des FCB wurden verschoben, weil Mannschaft und Staff in Quarantäne mussten. FCB-Fans reagierten mit Humor und gaben Spielern neue Namen wie Samuele Camporona oder Eray Cövid.
Corona ist aber nur ein Grund für meine ungewollte Fussballabstinenz. Im Oktober geht die Saison in normalen Zeiten in eine erste wichtige Phase. In der Super League lassen sich erste Tendenzen festmachen: Wer spielt oben mit und wer enttäuscht schon wieder. Vor allem aber spielt der FCB auf europäischem Parkett. Der FCB zeigte im Oktober oft tolle Spiele: Auf Schalke holte er ein 1:1 (2004), er gewann in Rom 3:1 (2010), Streller schoss den FCB gegen Liverpool zum 1:0-Sieg (2014), und Marcel Koller feierte bei Getafe einen bemerkenswerten 1:0-Auswärtssieg (2019). Dieses Jahr? Nichts. Nada. Niente. Kein internationaler Fussball.
Wir haben ja YB, flüstert der objektive Fussballfan ganz schüchtern. Und ich schreie zurück, dass mich das nicht interessiert (in der ersten Bolzplatz-Kolumne habe ich das schon ausführlich dargelegt). Wobei das natürlich nicht ganz korrekt ist. Niederlagen von anderen Schweizer Clubs auf internationalem Parkett haben – gerade in sportlich schwierigen Zeiten des eigenen Clubs – durchaus etwas Tröstliches.
«Es gibt Schweizer Clubs, die sich für Europa qualifizieren, dann aber keine Lust haben mitzuspielen.»
Die Schweiz und Europa: Das ist auch im Fussball eine komische Beziehung. Man möchte aus wirtschaftlichen Gründen irgendwie dabei sein und profitieren, aber dann eben auch nicht so richtig mitmachen. In der Super League äussert sich diese Hassliebe so: Mittelmässige Clubs definieren vor dem Saisonstart folgendes Ziel: Sie wollen um jene Tabellen-Plätze mitspielen, die eine Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb ermöglichen.
Wird dieses Ziel erreicht oder eben nicht, dann fallen alle Schranken. Es wird gefeiert, als hätte man soeben den Titel geholt oder man trauert, als sei man gerade abgestiegen. Und dann passiert etwas Komisches, das ich als das «europäische Paradox der Super League» bezeichnen möchte. Es gibt Schweizer Clubs, die sich für Europa qualifizieren, dann aber offensichtlich keine Lust haben mitzuspielen. Eine Mehrbelastung durch internationale Spiele könne zu einer Schwächung in der heimischen Liga führen, heisst es dann. So ein Blödsinn.
Clubs aus der romanischen Schweiz zogen sich in den vergangenen zehn Jahren mehr oder weniger respektvoll aus der Affäre mit Europa. Der FC Sion spielte einmal in der Europa League-Gruppenphase (2015/16), hatte sich in der Saison 2011/12 das Leben aber selber schwer gemacht (Forfait-Niederlagen gegen Celtic Glasgow, weil nichtberechtige Spieler eingesetzt wurden). Unverständlich und peinlich ist das Scheitern in der Qualifikation zur Europa League gegen den litauischen Verein FK Suduva (2017/18).
Respekt geht ins Tessin: Der FC Lugano spielte zweimal europäisch, beide mal in der Europa League-Gruppenphase (2017/18 und 2019/2020). Kritischer wird es bei Servette, das zweimal in der Qualifikation zur Europa League gegen Mannschaften ausschied, die nicht zu den ganz Grossen zählen (2012/13: Rosenborg Trondheim und 2020/2021: Stade Reims).
Auch wenn YB dieses Jahr am dänischen Meister FC Midtjylland scheiterte, waren die internationalen Auftritte der Berner (und auch jene des FCZ) mehrheitlich ok. Auch der FC St. Gallen präsentierte sich bis auf das peinliche Ausscheiden in der Qualifikation zur Europa League gegen Sarpsborg aus Norwegen (2018/19) ordentlich.
Zu den Sorgenkindern
Tragisch ist das Abschneiden der Grasshoppers. Ihnen gelang es unter anderem gleich zwei Jahre hintereinander, in der gleichen Saison sowohl die Qualifikation für die Gruppenphase der Champions wie auch der Europa League zu verpassen. Lyon und Fiorentina (2013/14), bzw. Lille und Brügge (2014/15) waren zu stark für das Spitzenteam der Challenge League.
Den Vogel abgeschossen aber hat der FC Luzern. Sechsmal erreichten die Innerschweizer in den letzten zehn Saisons der Super League einen europäischen Platz. Nie aber haben sie die Qualifikation für die Gruppenphase der Europa League geschafft. Ok, es waren starke Gegner dabei: Gegen Espanyol Barcelona (2019/20) oder Olympiakos Piräus (2018/19) hätte auch der FCB einen schweren Stand gehabt. Gegen Teams wie Sassuolo (2016/17) oder Genk (2012/13) könnte aber auch ein Mittelfeldclub der Schweiz mal etwas reissen. Keine Entschuldigung gibt es für die Niederlagen gegen Osijek (2017/18) und das schottische St. Johnstone (2014/15).
Der FC Luzern hat offensichtlich keinen Bock auf Europa. Das ist ok. Jedem das seine. Aus Respekt vor den anderen Clubs der Super League fordere ich aber Konsequenzen: Ich schlage vor, dass der FC Luzern bei Erreichen eines europäischen Platzes in Zukunft einen Ausflug in den Europa Park geschenkt bekommt. Von der Teilnahme an der Qualifikation für die Europa League (oder ab nächster Saison der Europa Conference League) aber muss er ausgeschlossen werden.