Warum chauffieren Eltern ihre Kinder?

Viele Gemeinden führen seit Jahren einen erfolglosen Kampf gegen Elterntaxis. Wir haben Mütter und Väter gefragt, warum sie ihre Kinder mit dem Auto in die Schule bringen. Als Gründe werden Zeitersparnis, Verkehrssicherheit und Faktoren wie übles Wetter genannt.

Elterntaxis in Bottmingen
Eine alltägliche Situation auf dem Parkplatz vor der Primarschule in Bottmingen zum Unterrichtsschluss. (Bild: Valerie Wendenburg)

Sie sind den Baselbieter Behörden ein Dorn im Auge: Elterntaxis. Denn die Autos, die vor den Schulen parken, Kinder ein- und ausladen und teilweise Schlangen bilden, erhöhen das Unfallrisiko. Insbesondere für Kinder, die zu Fuss unterwegs sind. Der Versuch, Eltern mit Hilfe von Informationskampagnen davon abzuhalten, ihre Kinder mit dem Auto zur Schule zu chauffieren, ist weitgehend erfolglos geblieben.

Wie die bz (Abo) berichtete, richten Gemeinden wie Pratteln Halteverboten vor Schulen ein. Teilweise wird versucht, die ungeliebten Elterntaxis durch regelmässige Kontrollen seitens der Gemeindepolizei zu vertreiben. 

Stellt sich die Frage, warum viele Eltern ihre Kinder weiterhin zur Schule chauffieren. Wir haben unsere Community im Basel Briefing, auf Facebook und Gärngschee gefragt. 

«Manchmal sind wir beruflich so eingespannt, dass es einfach keine andere Möglichkeit gibt.»
Jan, Leser und Vater zweier Kinder

Leserin Anina versucht Staus vor der Schule zu vermeiden: «Ich fahre die Kinder nach der Mittagspause in die Nähe der Schule, damit sie etwas länger Pause zuhause machen können, da der Weg doch recht lange dauert. Sonst bestreiten sie den Schulweg alleine und geniessen die Zeit mit den Freunden.» 

Der Zeitfaktor spielt auch bei Leserin Marlise eine grosse Rolle. Sie fährt das «Grosselterntaxi» für ihre beiden Enkelkinder einmal pro Woche und ist sehr froh um das Auto: «Um Punkt 12 Uhr müssen wir die Kleine am Kindergarten Bläsi abholen, um Punkt 12.15 Uhr den Grossen an der Primarschule Bäumlihof. Das schaffen wir mit dem Auto gerade zur rechten Zeit. Marlise findet daher, dass es Kurzhalte-Möglichkeiten bei Schulen geben sollte statt Verbote. 

Dieser Ansicht ist auch Leser Jan: «In der Regel bringen wir die Kinder nicht mit dem Auto, aber es gibt natürlich Ausnahmen. Manchmal sind wir beruflich so eingespannt, dass es einfach keine andere Möglichkeit gibt.» 

Kind Schule
Kinder sollten frühzeitig lernen, alleine zur Schule zu gehen. (Bild: Pixabay)

Die Axa hat im Mai 2023 eine Studie zum Thema Elterntaxis publiziert. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass die meisten der befragten Eltern ihre Kinder aus praktischen Gründen zur Schule fahren, zum Beispiel, weil die Schule auf dem Arbeitsweg liegt. Andere Eltern haben ein sichereres Gefühl, wenn die Kinder den Schulweg im Auto zurücklegen.

Nur elf Prozent der Eltern geben an, ihre Kinder zu fahren, weil sie den Schulweg als gefährlich erachten. Und doch sind fast die Hälfte der befragten Eltern der Ansicht, dass die Gefahren für Kinder auf dem Schulweg in den letzten 20 Jahren zugenommen haben – obwohl Unfälle mit Kindern in dieser Zeit deutlich zurückgegangen seien.

Sorge vor Gefahren auf dem Schulweg

Auch uns haben Eltern geschrieben, die sich Sorgen um ihre Kinder im Strassenverkehr machen. Rafael findet: «Solange auf dem Schulweg die Sicherheit der Kinder nicht ausreichend gewährleistet ist, halte ich das Elterntaxi für einen Akt der Vernunft.» Statt über Tempolimits zu klagen, sollte man an besonders gefährlichen Stellen und vor allem vor Schulen die Geschwindigkeit deutlich reduzieren, beispielsweise auf 20 km/h.

Er schreibt, es sei «nicht verantwortbar, Kinder dieser Gefahr auszusetzen». Auch Leserin Ana ist der Ansicht, dass sichere Schulwege, keine Verkehrstoten und kein Konfliktgrün helfen würden, damit mehr Eltern ihre Kinder den Schulweg selbstständig laufen lassen würden. 

Die Kinder von Leserin Tanja laufen täglich vom Quartier am Ring auf den Münsterplatz in die Schule, sie durchqueren die ganze Innenstadt. Für Tanja ist das kein Problem und sie gibt zu Bedenken, dass dies für Eltern, die in der Schweiz aufgewachsen seien, selbstverständlich sei: «Eltern, die noch nicht so lange in der Schweiz sind, halten dies meist für undenkbar – vor allem, dass Kinder alleine unterwegs sind.»  

Auch Leserin Sabin findet es «grandios wichtig», dass Kinder ihren Schulweg selbstständig meistern können. Ihre Kinder machen sich täglich alleine auf dem Weg vom Kleinbasel au fs Bruderholz. Anfangs habe sie sich mit anderen Eltern zusammengetan, so dass ein Erwachsener die Kinder begleitet hat. 

Phil merkt per Mail an, dass es Länder gibt, in denen der Schulweg nur mit dem Schulbus oder eben mit dem Elterntaxi möglich sei. Hier sei es anders. «Mit ein paar Ausnahmen können bei uns Kinder alles zu Fuss erreichen.» Seiner Ansicht nach würden Eltern meinen, sie erwiesen ihren Kindern einen Dienst. Dabei wäre es sinnvoll, dass das Kind lernt, sich im Verkehr richtig zu verhalten und zum Beispiel zu Fuss gehen würde. 

Anregungen gibt er aus seiner neuen Heimat Neuseeland: «Hier werden gewisse Strassen auf Tempo 30 reduziert, während die Kinder auf dem Schulweg oder dem Nachhauseweg sind. Fussgängerstreifen werden bewacht und bei Bedarf für die Kinder gesperrt. Es drohen saftige Bussen bei Geschwindigkeitsübertretungen.»

«Wendemanöver vor Schulhäusern bergen Gefahren für zu Fuss gehende Kinder.»
Stefan Schmitt, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt

Auffällig ist, dass auch Eltern, die ihre Kinder ab und zu zur Schule fahren, sich über zu viele Elterntaxis ärgern. So schreibt Leserin Sonja: «Ich finde die Zunahme der Mami-Taxis auch fragwürdig. Gründe dafür meinerseits sind übles Wetter, erkältete Kinder und natürlich: verschlafen. Ich finde aber auch, dass die Kinder ihren Schulweg eigentlich selbst im Griff haben sollten.» 

Leserin Nadine schreibt, sie würde ihren Sohn einmal in der Woche von der Schule abholen, weil er sonst zu spät ins Training komme. Grundsätzlich aber findet sie die Situation auf dem Parkplatz vor der Primarschule für die Kinder «sehr gefährlich». Der Egoismus vieler Eltern sei «grenzenlos».

Kanton lehnt Elterntaxis ab

Auch Natascha schreibt uns via Facebook: «Eltern wollen, dass ihr Kind sicher in der Schule ankommt und vergessen dabei, dass sie damit in Kauf nehmen, dass ein anderes Kind in eine gefährliche Situation kommen kann».

Wie Stefan Schmitt, Mediensprecher der Kantonspolizei Basel-Stadt, auf Nachfrage sagt, lehne die Kantonspolizei Elterntaxis ab. Wendemanöver vor Schulhäusern würden Gefahren für zu Fuss gehende Kinder bergen. «Auch das Aussteigenlassen von Kindern kann die Übersichtlichkeit einschränken und damit die Sicht von anderen Autofahrerinnen und Autofahrern auf querende Kinder versperren», so Schmitt.

Dennoch: Eine generelle Lösung im Kampf gegen Elterntaxis scheint es nicht zu geben, zu vielfältig sind die Gründe, aus denen Eltern ihre Kinder zur Schule fahren. 

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Valerie Wendenburg

Nach dem Studium, freier Mitarbeit bei der Berliner Morgenpost und einem Radio-Volontariat hat es Valerie 2002 nach Basel gezogen. Sie schreibt seit fast 20 Jahren für das Jüdische Wochenmagazin tachles und hat zwischenzeitlich einen Abstecher in die Kommunikation zur Gemeinde Bottmingen und terre des hommes schweiz gemacht. Aus Liebe zum Journalismus ist sie voll in die Branche zurückgekehrt und seit September 2023 Redaktorin bei Bajour. Im Basel Briefing sorgt sie mit ihrem «Buchclübli mit Vali» dafür, dass der Community (und ihr selbst) der Lesestoff nicht ausgeht.

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