Häxe, Säublooddere und Schotten am Noomidaag

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Unterwegs auf der Mittleren Brücke in Richtung Nachmittag.

Also hat der Heilige Sankt Petrus unsere reformierte Stadt am Morgestraich noch ein wenig mit seiner Spritzkanne begossen – kalt war es allerdings nicht, fast alle in unserem Schyssdräggziigli haben über Schweissausbrüche unter dr Larve geklagt –, auf dass sie am Nachmittag, am ersten Cortège dieses Jahres, umso schönere Fasnachtsblüten tragen solle: Und so kam es auch.  

Ein Spaziergang vom tiefsten Glaibasel zu den Gassen der Innerstadt, nach kurzem Post-Straich-Schläflein, wird dann jeweils zu einer Reise durch jenes altbekannte, immer wieder neue Basler Wunderland, dessen Name mit einem ganz grossen F beginnt.

Aufgeblasene Blase

Kaum auf der Strasse, unter hellem freiem Himmel, hören wir schon das Summen und Brummen der Fasnacht in der Luft, hunderte von Märschen und schränzender Guggemuusig-Klang in der Ferne, zu einem Grundgeräusch gebündelt. 

Am Rheinbord begegnen wir bald einem kleinen Charvari-Ziigli, das in gutem Tempo läuft. Zwei Hexen mit grossen Hüten, die den Vordraab machen, plus drey pfyffendi Harlekin und ein riesengrosser trommelnder Plüschhund sind mit dem Sambre et Meuse unterwäggs. Eine Frau und ihr kleiner Sohn laufen in beschwingtem Schritt hintendrein, Richtung Cortège.

Ryslaifer quer
Ryslaifer

Während der Basler Fasnacht 2024 begleiten uns die Kolumnen vom Ryslaifer. Jeden Tag gibt der Ryslaifer uns Einblick in die Fasnachtsseele.

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Der Bub im Waggisgoschdym, die Larve hat riesige Zähne, zieht ein kleines Laiterwäägeli hinter sich her, voller Räppli und Dääfi. Am Griff des Wagens hängt – tatatata – e Säublooddere (wir sagen nie Saibloddere, wir sind aus den Vorstädten, nicht aus dem Daig). Dieses böse kleine Ding ist eben tatsächlich die aufgeblasene Blase eines toten Schweins, dieses Objekt ist mir auf freier fasnächtlicher Wildbahn jetzt schon lange nicht mehr begegnet: «e scheeni Säublooddere hesch do», rufe ich dem kleinen Waggis zu. Er zeigt mir seinen erhobenen weissen Handschuhdaumen und dann händigt er mir ein Dääfi aus, Karamell-Toffee, extra weich. Das ominöse Objekt stösst mich unvermittelt in einen Nostalgietunnel hinein. 

Saugoofensaubannerzüge

Ich muss gestehen, dass ich als kleiner Junge geglaubt habe, es sei eine traditionelle Aufgabe der Grossmütter, die Säublootere für die glaine Waggis zu besorgen. Mein Grossmami, eine sehr grossherzige aber auch besonders resolute Person, pflegte die Blootere bei ihrem Vertrauensmetzger im Consum zu bestellen. Streng ermahnte sie den Mann regelmässig, das Produkt müsse dann vor der Fasnacht geliefert werden. Schliesslich wurde es vor Gebrauch noch einige Tage auf die Terrasse gehängt, zum Auslüften. Bis der penetrante Geruch nach säuischem Urin ein wenig gewichen war.

«Wenn du die ganze Zeit mit Pfeifen und Trommeln unterwegs bist, gibt es keine angenehmere Abwechslung als ein richtig schön schränzendes Gugge-Platzkonzert!»

Ja, die schönen alten Tage der Säublootere, die wir dem gutmütigen Milchmann, Herr Steiner, auf die Glatze hauen durften. Er hat dafür extra den Kopf gesenkt und dann brav «Aua» gesagt, auf Berndeutsch, bevor wir ihn dann noch mit Räppli stopfen durften. Im Rahmen jener morgendlichen Quartierkinderfasnacht, die es einst überall in Basel gegeben hat. Das waren echte Saugoofensaubannerzüge, die wir genossen haben, bevor wir am frühen Nachmittag im Zugsgoschdym bei unseren jungen Garden eingestanden sind. 

…rund um diese prächtigen stolzen Gestalten

Wir biegen um die Ecke – und dann lässt die erste Gugge, die wir an dieser Fasnacht sehen, unsere Gedankenblase bersten, mit einer dröhnenden Ladung akuter Fasnachtsrealität. Wir haben Glück, es ist die mächtige Schotte-Clique, ganz und gar eigenwillige und traditionsreiche Vertreter ihres Genres. Paukenschläge, Trommelwirbel und die durchdringenden Stimmen der Hörner lassen die Luft erzittern, rund um diese prächtigen stolzen Gestalten. 

Dies ist eben das andere Genre der Fasnachtsmusik, das wir auch lieben, seit wir einst in der jungen Garde eingestanden sind, pfeifend und trommelnd. Damals vielleicht ein bisschen heimlich liebten, weil uns unsere erwachsenen Vorbilder in der Cliquenszene der frühen 1970er-Jahre eine gehörige Portion Skepsis dem Gugge-Genre gegenüber mit auf den Weg geben wollten.

Doch heute, mit beinahe sechzig Lenzen auf dem Buggel, geben wir es noch so gerne zu: Wir lieben Guggemuusig! Wenn du die ganze Zeit mit Pfeifen und Trommeln unterwegs bist, gibt es keine angenehmere Abwechslung als ein richtig schön schränzendes Gugge-Platzkonzert! Dixit. – E scheene Räschte wintschi allne.

Fasnachtsbriefing
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