Mutter will wegen abgesagtem Hip-Hop-Festival klagen

Konzert abgesagt, Veranstalter nicht erreichbar – zurück bleiben eine Mutter und ihre Kinder, die sich das Geld für die Eintritte vom Mund absparen. Wer steckt hinter dem Chaos?

Royal Vibez abgesagt
Grössen des Deutschraps in der St. Jakobshalle – trotzdem wurden zu wenige Tickets verkauft und der Event abgesagt. (Bild: Screenshot Eventfrog / Illustration: Bajour)

Sennas Familie hat wenig Geld. Doch vor ein paar Wochen wollte die 40-Jährige ihren beiden Kindern etwas gönnen: Einen Besuch am grössten Deutschrap-Konzert der Schweiz, dem Royal Vibez in der St. Jakobshalle. Doch kurz vor knapp sagten die Veranstalter ab (Bajour berichtete).

Und Sennas Familie hat über 400 Franken verloren, 136 pro Ticket. «Mein Sohnkratze alles zusammen, was er hat», sagt seine Mutter. Bis heute haben die drei das Geld für die abgesagte Show nicht zurückerhalten. «Wenn es nur mein eigenes Geld wäre, würde es mich vielleicht gar nich so sehr ärgern. Aber dass meine Kinder ihr Geld nicht zurückbekommen, das geht gar nicht», so Senna.

Die Online-Plattform See Tickets, über welche die Tickets mitunter verkauft wurden, beschuldigte den Veranstalter, das Geld zurückzuhalten. Verantwortlich für Royal Vibez ist eine Firma namens EmpireLife Events und bis vor kurzem ein Mann namens Oliver Keller. Bajour hat ihn Anfang Oktober schon einmal mit den Vorwürfen konfrontiert. Damals versicherte Keller, er werde alle Tickets rückerstatten, wenn man ihm genug Zeit gebe. 

Keine Reaktionen von Veranstalter

Ausserdem verwies Keller darauf, dass alle Tickets, die über die Ticketing-Plattform Eventfrog verkauft wurden, bereits zurückerstattet seien. Neue Recherchen von Bajour zeigen jetzt aber: Das liegt gar nicht über Keller selbst, sondern vielmehr an Eventfrog. Diese hat die Ticketeinnahmen zurückbehalten – und dann an die Menschen zurückbezahlt, als klar war, dass der Rapevent gecancelt wurde. Eventfrog macht das immer so, wie eine Mediensprecherin erklärt, man überweise die Einnahmen an die jeweiligen Veranstalter*innen immer erst nach den Events.

Senna dagegen hat über See Tickets gebucht. Diese hatte die Ticketeinnahmen laut eigenen Aussagen bereits an den Veranstalter überwiesen – damit Kosten wie Musiker*innen- und Locationbuchung gedeckt werden können. Seit das Konzert abgesagt wurde, versucht die Firma laut Marketingchef Thomas Baumberger, Keller zu erreichen. Doch dieser reagiere nicht auf Anrufe, WhatsApp-Nachrichten, E-Mails, Briefe oder Einschreiben – auch nicht von betroffenen Kund*innen, wie Baumberger berichtet.

Was ist da los? Darf Senna je darauf hoffen, ihr Geld zurückzuerhalten?

Auch Bajour hat den Veranstalter Oliver Keller erneut konfrontiert. Doch dieser gab keine Antworten auf die Fragen. Er schrieb lediglich in einer knappen Nachricht, der Fall sei hängig, kommenden Freitag werde es neue Informationen geben. Schon bei früheren Anfragen von Bajour hatte Keller auf später vertröstet. 

Neuer Geschäftsführer nicht auffindbar

Und es gab eine neue Wendung: Mittlerweile ist offenbar Keller gar nicht mehr Teil der Firma Empire Events. So schreibt Keller, er verweise auf die aktuelle Geschäftsführung, er sei nicht berechtigt, Stellung zu beziehen. Einen Namen oder eine Kontaktadresse nennt er auf Anfrage nicht.

Als alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter ist laut Handelsregister seit 24. Oktober Christoph Alexander Gubser angegeben. Unter seinem Namen sind ausser EmpireLife Events unter anderem fünf Firmen eingetragen, in die er eingestiegen ist, kurz bevor sie liquidiert wurden oder Konkurs gehen.

Bajour wollte mit Gubser reden und hat eine Basler Schlüsselfirma kontaktiert, bei der jemand namens Christoph Gubser tätig ist. Auf Anfrage hiess es jedoch, dass man mit dem entsprechenden Gubser nichts zu tun habe.

Auch auf Facebook wird Senna vertröstet

Es ist einer von mehreren Entwicklungen in der Firma rund um das Hiphop-Festival: Die EmpireLife Events hat in den letzten Monaten nicht nur den Geschäftsführer gewechselt, sondern auch einen Namenswechsel vollzogen.

Das hat auch Senna gemerkt. Im Sommer hiess der Veranstalter des Rapkonzerts noch CSC Events. Senna kontaktierte die Firma via Facebook, um das Geld zurückzufordern. Als die Mutter mit einer Anzeige drohte, folgte eine ungezeichnete Antwort: Die Firma sei im August übernommen worden und heisse jetzt EmpireLife Events GmbH. Man selbst habe «leider» nur eine Mailadresse: Jene Info-Adresse, welche auch auf der Events-Website von Royal Vibez angegeben war. «Seitdem haben wir keinen Einblick in die Geschehnisse und Kommunikation, keine Handlungsmöglichkeiten und auch keinen Einblick in die Buchhaltung, da es nicht mehr unsere Firma ist», heisst es auf Facebook. Der Chatverlauf liegt Bajour vor.

Ticketversicherung schützt nicht bei Absage des Events

Besonders ärgerlich für Senna: Sie hatte für die drei Tickets sogar einen kostenpflichtigen Ticketschutz abgeschlossen. Diese Versicherungen sollen gewährleisten, dass man sein Geld zurückerhält, wenn man die Veranstaltung beispielsweise wegen Krankheit nicht besuchen kann. Vor was die Versicherung nicht schützt: Absage des Events und Zahlungsunfähigkeit der Veranstalter*innen. Das bestätigt Thomas Baumberger von See Tickets: «Dass sich der Verantwortliche so querstellt wie in diesem Fall, ist aber auch sehr selten. Das kam bei uns das letzte Mal 2015 vor.» 

Trotzdem hat Senna noch Hoffnung. Sie will sich in die Rechtsberatung begeben und dann eine Anzeige in Erwägung ziehen.

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Von Waldshut (Deutschland) den Rhein runter nach Basel treiben lassen. Used to be Journalismus-Student (ZHAW Winterthur) und Dauer-Praktikant (Lokalzeitungen am Hochrhein, taz in Berlin, Wissenschaftsmagazin higgs). Besonderes Augenmerk auf Klimapolitik, Wohnpolitik, Demopolitik und Politikpolitk. Way too many Anglizismen.

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