Enthaltsamkeits-Kitsch für die «Wahre Liebe Wartet»-Jugend

Dröger Teenie verguckt sich in Vampir. Weshalb «Twilight» bloss eine schmalzige Keuschheitsnummer ist.

Kultzgrün

Dieser Artikel ist am 10. April 2022 zuerst bei Kultz erschienen. Kultz gehört wie Bajour zu den verlagsunabhängigen Medien der Schweiz.

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Haben nichts als schmachdende Blicke füreinander: Bella und Edward.

Eine nachdenkliche Teenagerin mit dem poetischen Namen Bella Swan zieht in eine idyllische Berggemeinde, wo sie sich in den seltsamsten Typen in ihrer neuen Schule verknallt. Da dieser Edward Cullen jedoch zufällig ein Vampir aus einem grossen Reisszähne-Clan ist, sind die Probleme vorprogrammiert. Erstmal in Gestalt des blass-gepuderten Blutsaugers himself, denn irgendwie kann er sich nicht entscheiden, ob er nun Bellas Nähe oder das Weite suchen will. Zwischen dem ermüdenden Hin und Her gibt’s dramatische Rettungsaktionen, bis Bella in gefühlten fünf Minuten und mithilfe eines Buches aus der ortsansässigen Indianer-Bibliothek Edwards Geheimnis lüftet. Wow. 

Nun wissen wir, der Edward kann seinen Appetit auf Bellas Blut nicht zügeln, was seine peitschenartigen Stimmungsschwankungen erklärt. Dann fügt er sich aber doch – natürlich sehr theatralisch – seinem liebesschweren Schicksal. Fortan liegt man zusammen im Gras und schmachtet sich an oder fliegt in der Gegend rum, um auf Bäumen zu hocken und die Aussicht zu geniessen. Zu mehr hat es in dem Auftakt zum Mega-Franchise-Murks, basierend auf dem Mega-Seller-Käse von Autorin Stephenie Meyer, nicht gereicht. Zwei scheue Küsse gibt’s, dazu Schmacht-Blicke beziehungsweise peinlich-laszive Lippen-Close-ups (die waren auch in «Fifty Shades of Grey» der Renner!). Ansonsten ist hier alles so keusch wie die Jahresversammlung der Benediktinerinnen.

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Ein glaubwürdiges Liebespaar haben die beiden nie abgegeben.

Und wenn Schlaubi Schlumpf jetzt sagt: Ja, aber wenn man hier die Love-Story abstrahiert, gibt’s ja gar keinen Film mehr. Genau. Den braucht niemand, genauso wenig wie die späteren Ergüsse, in denen die gute Bella auch noch mit einem Mini-Beisser schwanger wird und dann – nachdem sie so lange rumquengelte – endlich gebissen, selbst zum Vampir mutiert. Den schlechten Schnitt und die noch schlechteren CGI-Effekte einmal weggelassen, die grausligen Dialoge und das Musikgesäusel – Kristen Stewart und Robert Pattinson sehen in jeder Szene so aus, als wären sie lieber woanders und können uns deshalb nicht für einen Rappen ein glaubwürdiges Liebespaar verkaufen. Dabei waren sie zur der Zeit sogar noch privat zusammen!

Der Humor ist hier eher unfreiwillig.

«Twilight» ist -  mit Verlaub - einfach nur gequirlter, jungfräulicher Enthaltsamkeits-Propaganda-Kitsch für die «Wahre Liebe Wartet»-Jugend. Vom Vampir-Horror weit entfernt, das berauschend-fantastische sucht man hier auch vergebens, dafür findet sich Humor eher unfreiwillig. Irgendwo stand einmal, der Film sei doch so feministisch. Aha. Verkörpert durch wen? Sicher nicht einer langweiligen Schlafzimmerblick-Hauptfigur, die von Anfang an alle Jungs, Werwölfe und Vampire um sich schart, die sich um sie balgen und aus brenzligen Situationen retten. Doch falsch verstandene Ritterlichkeit kann Hollywood – gesehen zuletzt an der Oscarverleihung.

Dieser Kultz-Artikel wurde im Rahmen des «Innereien»-Kulturprojektes der Albert Koechlin Stiftung produziert. Hier erfährst du mehr darüber. Und hier geht es zur offiziellen Webseite: www.innereien.ch.

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