«Ich könnte grad losheulen»
Momentan fehlt es vielen Basler*innen sogar an Geld für Essen. Die Bajour-Hilfsgruppe Gärngschee hat innert kürzester Zeit riesige Mengen an Nahrungsmittel gesammelt und verteilt.
Mittwochnachmittag im Bajour-Büro. Seit der Homeoffice-Pflicht herrscht hier gähnende Leere. Jetzt ist der Eingangsbereich aber prall gefüllt. Mit Lebensmitteln. Die Moderator*innen der Facebook-Gruppe «Gärngschee – Basel hilft» haben eine Essensvergabe anlässlich des ersten Jahrestags der Gruppe organisiert.
Ein Aufruf von Gärngschee-Superfrau Sandie reichte und die Gärngschee-Mitglieder brachten Unmengen an Lebensmittel-Spenden ins Bajour-Büro. Und was da alles zusammengekommen ist, kann man sich kaum vorstellen. Insgesamt 70 Kilogramm Nudeln, 50 Kilo Reis, jeweils 20 Kilo Mehl und Kartoffeln und 40 Tafeln Schokoladen. Und das ist noch lange nicht alles. Auch Linsen, Müsli, Kekse und viele Früchte und Gemüse waren darunter.
Zahlreiche Student*innen, Pensionär*innen und Gärngschee-Mitglieder haben volle Einkaufstaschen vorbeigebracht. WOW! Als wäre das nicht genug, hat sich ein anonymer Spender bei Gärngschee gemeldet. Er stockt auf, von was es noch nicht genug hat. Sandie und Tijana konnten so unter anderem noch Kartoffeln, Reis, verschiedenste Früchte und Gemüse, Müsli, Ketchup, Mayo und Senf einkaufen. Über 1000 Franken hat der Spender ihnen zur Verfügung gestellt. Im Supermarkt eröffnete man extra eine seperate Kasse, sonst hätten die Kund*innen im Laden wahrscheinlich ewig gewartet. Es war so viel, dass das Gärngschee-Dreamteam Sandie und Tijana Hilfe beim Einräumen ins Auto benötigten. Der Einkauf füllte ganze fünf Einkaufswagen! Ein Rumäne, der vor der Filiale gebettelt hatte, half den beiden gerne.
Sandie und Tijana fuhren alles Eingekaufte ins Bajour-Büro. Kurzerhand ist aus dem Büroeingang ein kleiner Gärngschee-Dorfladen geworden. Um 14 Uhr dann Ladenöffnung.
Die ersten Besucher*innen sind eine Mutter und ihr Sohn. Er trägt eine grüne Regenjacke und zieht hinter sich den noch leeren Einkaufstrolley. Zu allererst darf er sich bei den Süssigkeiten was aussuchen. Das lässt er sich nicht zweimal sagen und läuft auf die Schokolade zu, die auf der Bar steht. Sie sind zu sechst in der Familie. Also dürfen sie mehrere Packungen Nudeln nehmen. Die Mutter reagiert erstaunt und gerührt «So viel?». «Klar», antwortet Sandie. Langsam füllt sich der Trolley. «Ih nein, keine Pilze» ruft der Junge. «Aber ich mag die eben», lacht die Mutter. Zuletzt darf er sich noch Kekse für die Znünibox aussuchen.
Später meldet sich die Mutter bei Sandie über Facebook: «Ich möchte mich von ganzem Herzen nochmal bei euch bedanken.» Die Familie mit ihren vier Kindern hat sich sehr über die Aktion gefreut.
Eine Stunde ist bereits vergangen. Noch ist einiges übrig, vor allem Bananen gibt es besonders viele. Tijana sagt: «Uns war es wichtig, dass die Leute auch frisches Obst und Gemüse bekommen. Das ist neben den Grundnahrungsmitteln das Wichtigste.»
Um zwanzig vor vier kommt Claudia durch die Tür. Mit ihrem kleinen Hund an der Seite tritt sie zögerlich ein. Direkt wird sie von den Gärngschee-Moderator*innen in Empfang genommen. «Ich könnte eigentlich jedes Mal losheulen», sagt sie, nachdem ihre Einkaufstüte gefüllt wurde. «Ich bin sehr dankbar.» Die 46-jährige hat im Moment nur 500 Franken im Monat zur Verfügung. «Mit Hund wird das schon knapp.» Eine Freundin hatte sie auf die Aktion aufmerksam gemacht.
Und es waren übrigens nicht nur Lebensmittel, die gespendet wurden. Auch Duschgels, Schwämme und Putzmittel werden verteilt. Sogar ein paar Schoggi-Osterhasen haben ihren Weg ins Bajour-Büro gefunden. In wessen Nest die wohl bald auftauchen werden?
Langsam leeren sich die Kisten, bald ist Ladenschluss im improvisierten Dorfladen. Viel ist nicht mehr übrig, nur noch vereinzelte Konserven, Gläser und Bananen. Ungefähr 5 Kisten Lebensmittel sind übrig geblieben. Was nicht verschenkt wurde, hat Gärngschee-Heldin Karina Schweizer zum Tageshaus für Obdachlose der Stiftung Sucht transportiert. Dort werden die Lebensmittel weiterverarbeitet oder ebenfalls verschenkt.