Man muss es sich leisten können
Ein Spaziergang von der Spalenvorstadt Richtung Freie Strasse zeigt: Viele lokale Läden locken heute nicht mit den grossen Sonderangeboten. Aber nicht alle können sich einen Verzicht auf den Black-Friday-Hype leisten.
Black Friday ist der Tag des Onlinehandels. In den Wochen vor Weihnachten liefern Pöstler*innen schweizweit etwa eine Million Pakete in die Haushalte. Pro Tag. Und die grossen Geschäfte in der Innerstadt locken mit fetten Rabatten, die sie bereits im Voraus prominent an die Schaufenster schreiben. 20 Prozent! 40 Prozent! 70 Prozent!!!
Wie gehen die lokalen Läden mit dem Schnäppchenwahn um? An der Spalenvorstadt fehlt am Donnerstag jedenfalls vom Black Friday jede Spur. Ein erster Halt bei der Buchhandlung proviant zeigt aber: Er beschäftigt schon, dieser Rabatt-Tag.
«Für uns ist der Black Friday ein bisschen ein Stress», erzählt die Inhaberin Sandra Näf. «Als Einzelbuchhandlung können wir uns die Rabatte, mit denen andere um sich schlagen, einfach nicht leisten. Vielleicht sind wir auch ein bisschen neidisch …» Sie stelle sich jedenfalls darauf ein, dass relativ wenige Kund*innen an diesem Tag in ihren Laden kommen.
«Letztes Jahr bin ich am Black Friday von der Kundschaft darauf angesprochen worden, es sei so schön ruhig hier. Da habe ich gedacht: ‹Aha, deswegen läuft heute vielleicht weniger.›» Ihre Kundschaft frage aber auch nicht danach. Es gehe ihnen weniger darum, wo die Bücher am billigsten sind. «Ich finde, es ist auch eine Wertschätzung gegenüber den Autoren und Autorinnen, dass ihre Bücher zu einem fairen Preis angeboten werden.»
Auch am Anfang des Spalenbergs erspähen wir nirgends ein «Black Friday»-Schild. Dominik Doppler, der Storemanager von Street-Files Basel, sagt, er erwarte zwar mehr Leute in der Stadt an diesem Freitag. «Das könnte uns eigentlich nur zugutekommen. Allerdings versuchen wir, unser Sortiment sehr nachhaltig zu gestalten, da wäre es irgendwie kontraproduktiv, bei der Schnäppchenjagd mitzumachen.» Die Kundschaft habe dafür auch Verständnis.
Stefan Bloch, Filialleiter von Tarzan, winkt ebenfalls ab: Kein Thema. «Auf jeden Fall wird es ein paar Leute haben, die danach fragen und die wissen wollen, weshalb wir nicht mitmachen. Aber unsere Kundschaft hat sicher mehrheitlich Verständnis, weil sie wissen, für was wir stehen.»
Etwas weiter unten steht Alexandra Schulz im Interior-Laden Joyne hinter der Theke. Sie sagt: «Wir machen bei der Rabattschlacht nicht mit, auch wenn dieser künstliche Tag ein Druck auf so kleine Läden ist.» Ihre Produkte seien wertig und hätten so auch ihren Preis. «Allerdings haben wir jetzt gerade ein Popup in Zürich und da wurden wir in den letzten Tagen immer wieder gefragt, ob wir Black-Friday-Angebote haben. Da ist die Nachfrage danach spürbar. Hier in Basel am Spalenberg ist es weniger ein Thema.»
Draussen vor dem Kinderladen Molemin steht ein kleiner Ständer mit Kleidern im Sonderangebot. Mit Black Friday hat das allerdings nichts zu tun. «Unsere Kundinnen und Kunden wissen, dass wir ab und zu Rabatt auf ausgewählte Produkte anbieten und fragen nicht nach Sonderrabatten für den Black Friday», erklärt Geschäftsführerin Jana Colak. «Am Black Friday machen wir jeweils eine eigene Aktion. Dieses Jahr spenden wir 10 Prozent aus unseren Tageseinnahmen – also online und im Laden – an das Sorgentelefon für Kinder. Das ist eine soziale Einrichtung, die im Gegensatz zum Black Friday zu unserer Firmenphilosophie passt.»
Unten am Spalenberg angekommen, sticht am Schaufenster bei kleinbasel by Tanja Klein ein Aufkleber von «Colorful Friday» ins Auge. Diese Aktion ist eine Initiative von Fashion Revolution Schweiz, die Teil einer internationalen Bewegung ist. Sie wurde 2013 als Reaktion auf einen Fabrikeinsturz in Rana Plaza in Bangladesh gegründet, bei dem über 1100 Arbeiter*innen starben. Ziel des bunten Gegenentwurfs zum Black Friday ist, darauf aufmerksam zu machen, «dass faire und nachhaltige Produktion nicht mit Rabattschlachten vereinbar sind», heisst es auf der Website. Die unabhängigen Läden und Boutiquen, die schweizweit am Colorful Friday teilnehmen, versuchen so gemeinsam ein Zeichen zu setzen. In Basel sind das dieses Jahr 14 Läden.
«Auf den Black-Friday-Zug springen wir nicht auf. Das ist eine Frage der Haltung», erklärt im Laden die Inhaberin Tanja Klein. «Aber wir machen beim Colorful Friday mit, seit es ihn gibt. Wir stehen für Slow Fashion und wer bei uns durch die Tür geht, weiss das.» Sie spüre deshalb auch keinen Druck, beim Black Friday mitzumachen.
Fazit: Am Spalenberg ist wenig überraschend keine Black-Friday-Zone. Man merkt es an den Ladenkonzepten, den Produkten, den Aussagen der Verkäufer*innen: Die Kund*innen, die hier einkaufen, sind nicht unbedingt auf Rabatte angewiesen.
Am Ende des Spalenbergs lässt der Getränkehändler Paul Ullrich vermuten, dass sich ab hier die Läden und mit ihnen die Kundschaft verändern. Sogar «Black Week» kündigt sein Schaufenster an. Man merkt es: Je näher die Freie Strasse, desto mehr Black Friday.
In der Einkaufsmeile reihen sich die grossen Ladenketten aneinander – und das löst auch Druck auf die kleineren aus, das zeigt ein Augenschein bei einem der wenigen lokal geführten Läden. Im Piserchia Sport an der Ecke Rüdengasse/Freie Strasse räumt Filialleiterin Nicole Iannariello gerade ein paar Schuhschachteln beiseite.
«Für viele Kunden ist es selbstverständlich und es gäbe sicher einige, die ein bisschen muff wären, wenn wir keine Rabatte hätten am Black Friday», erklärt sie. Mühe habe sie dann, wenn die Leute «richtig gierig» würden. «Aber wir können eigentlich gar nicht anders, als mitzumachen. Hier in der Umgebung machen’s alle und besonders mit der direkten Konkurrenz in der Freien Strasse können wir uns das nicht leisten.» Viele ihrer Kund*innen hätten sich in den letzten Tagen nach Aktionen erkundigt. «Es gibt aber auch wenige, die sich für die Prozente bedanken, das ist dann sehr schön.»
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