Gemischte Waren fürs St. Johann
Erwerben kann man im «Gemischtwarenladen» allerhand: Kioskwaren, Haushaltssachen, Secondhand, Printmagazine, einen Haarschnitt, glitzrige Gelnägel. Das verantwortliche Kollektiv will im Laden aber auch einen unkommerziellen Raum fürs Quartier schaffen.
Es ist ein bunter Mix, der durch die grossen Schaufenster an der Elsässerstrasse 111 zu bestaunen ist: Kleider, Getränke, WC-Papier, Poster, Schallplatten, Tabak, Schmuck. Das neue Lokal hier heisst treffend «Gemischtwarenladen» und lädt das Quartier seit einem Monat zum Entdecken ein. Neben Waren können Besucher*innen sich hier auch die Haare schneiden oder glitzrige Gelnägel machen lassen. Ausserdem entsteht im hinteren Teil des Gemischtwarenladens ein unkommerzieller Raum – zum Verweilen, Comic lesen, als sozialer Treffpunkt, ohne Konsumzwang.
Diese Mischung zwischen Laden, Kultur und Treffpunkt ist Konzept: Hinter ihr steht eine Gruppe kreativer Leute. Sie wollen einen Raum fürs Quartier schaffen, direkt an der befahrenen Durchgangsstrasse im Norden des 4056, wenige hundert Meter entfernt vom grossen Entwicklungsareal Volta Nord. Oder wie das Kollektiv selbst seine Lage beschreibt: «zwischen Architekturbüros, Konsumzwang und Pharmariesen». Teil dieser Gruppe sind Cilla und Rahel. Sie kannten sich vorher nicht und sind durch gemeinsame Kontakte zum Gemischtwarenladen gekommen.
Seine bisherige Geschichte ist im hinteren Raum an einer Wand dokumentiert. In ihren Freund*innenkreisen sei die Idee schon länger kursiert, im St. Johann einen Laden zu eröffnen: «Angesichts der Gentrifizierung rundherum wollten wir im Quartier etwas schaffen, das von hier ist», erzählen die beiden. Nebst diesem Wunsch verbindet die Beteiligten des Projekts auch ihr Bezug zum Quartier. «Unsere Leben finden hier im Umkreis von ein, zwei Kilometern statt.»
Durch Zufall sei jemand von ihnen mit dem Vermieter der Elsässerstrasse 111 in Kontakt gekommen, der eine Nachfolge für das zuvor hier einquartierte Weingeschäft suchte. So nahm die Idee eines eigenen Ladens für und aus dem Quartier Fahrt auf. Bei einem ersten Treffen auf der Voltamatte Mitte August kamen rund 20 Personen zusammen, die alle eigene Ideen einbrachten. «Das war fast ein bisschen überfordernd», erinnert sich Cilla. Eine Kerngruppe aus acht Leuten entwickelte dann ein Konzept, bündelte und verwarf Ideen, gründete den Verein «Freunde des Gemischtwarenladens» und suchte Finanzierungsmöglichkeiten.
Danach ging es schnell: Am 19. September war die Schlüsselübergabe, das Kollektiv legte ein paar Bautage ein «und dann ist es real geworden», sagt Cilla. «Wir haben mega Gas gegeben, das war cool.» Gas gegeben, das heisst: Möbel aufgetrieben, Regale montiert, Waren eingeräumt. Direkt beim Eingang befindet sich eine Art Kiosk mit Tabak und Haushaltswaren wie Schwämmen oder Geschirrspülmittel. Das überschaubare Sortiment ist ein Test – das Quartier ist eingeladen, Wünsche für Lieblingsprodukte anzubringen. Eine stattliche Auswahl findet sich bereits in den beiden Kühlschränken, die die Genossenschaft Getränkekollektiv mit Limonaden, Wein und Bier bestückt. Daneben gibt’s eine Magazin-Ecke mit gedruckten Heften und grossformatigen Postern.
Im angrenzenden Raum stehen neben einem Coiffeurstuhl Regale mit Ballons des «Ballonsalon Peng», der früher an der Schanzenstrasse im Grossbasel zuhause war. In einer Ecke gibt’s Secondhand, gegenüber in Basel entworfene Kleider des Designers Jakob Hodel. Alle Beteiligten zahlen für ihren Platz im Gemischtwarenladen einen Mitgliederbeitrag und übernehmen Schichten für den Verkauf. So ist ein Teil der Kosten gedeckt.
Für den unkommerziellen hinteren Raum sucht der Gemischtwarenladen aktuell nach Unterstützer*innen. Im Gegensatz zu den vorderen Verkaufsflächen ist hier noch wenig eingerichtet, es gibt eine Küchenzeile und einen grossen Tisch mit Stühlen, der Rest ist work in progress. Das Ziel ist, die Miete für diesen Teil des Ladens längerfristig durch die Einnahmen im Kiosk finanzieren zu können. Derzeit kostet eine Packung Zweifel-Chips 1.20 Franken, der WC-Reiniger von Clean and Clever 4 Franken, eine Rolle WC-Papier gibt es für 50 Rappen. Viel Gewinn würden sie damit momentan nicht machen, sagt Cilla – Preisanpassungen vorbehalten.
Zumindest Lohnkosten fallen keine an: Die Leute im Laden arbeiten unentgeltlich und vorerst zielt das Konzept nicht darauf ab, dies zu ändern. Die Mitwirkung ist für alle ein nebenberufliches Engagement. Den Betrieb längerfristig auf stabile Beine zu stellen, ist eine Challenge: Die Mitgliederbeiträge und Spenden reichen dafür noch nicht aus. «Das macht uns schon ein bisschen Sorgen», geben Cilla und Rahel zu. Trotzdem: Ein Versuch ist es ihnen wert. «Wir haben Vertrauen, dass wir es irgendwie hinkriegen», sagt Cilla. Im schlimmsten Fall müssten sie halt den Mietvertrag wieder kündigen und das Projekt abbrechen.
Das klingt pragmatisch. Und die bisherigen Reaktionen zumindest dürfen positiv stimmen: «An der Eröffnung war ich fast ein bisschen überwältigt von unserem sozialen Kapital. Es waren so viele Leute hier», freut sich Rahel. Und auch seither kommen während den Öffnungszeiten – aktuell jeweils vier Stunden von Donnerstag bis Samstag – immer wieder Neugierige, Freund*innen und Quartierbewohner*innen zur Tür rein. Und wenn die Tage wieder wärmer werden und Feierabendlustige auf der Voltamatte gegenüber Snacks- und Getränkebedarf haben, kann man sich vorstellen, dass die Lage für den Gemischtwarenladen vorteilhaft ist.