«Ich würde so gerne Schweizerin werden»
Isabelle Merlin ist in der Schweiz geboren und aufgewachsen, aber sie ist Österreicherin: Ihre Eltern haben sich nie eingebürgert. Merlin würde das seit Jahren sehr gerne tun, doch eine Einbürgerung kostet mehrere Tausend Franken, die sie nicht übrig hat.
Nach unserer Porträtserie «Mitbestimmen» zu Ausländer*innen, die bei den Wahlen nicht mitbestimmen können, dies aber gerne tun würden, meldete sich Isabelle Merlin. Ihr brenne das Thema so unter den Nägeln, dass sie sich zu Wort melden möchte. Merlin ist in der Schweiz geboren, aber sie ist Österreicherin. «Jetzt sind erneut Wahlen angesagt und mein Herz blutet», schrieb sie uns. Das ist ihre Geschichte.
Meine Eltern kamen in den 1960er-Jahren von Österreich in die Schweiz. Mich hat das immer gefuchst, dass sie sich nicht einbürgern liessen. Tatsächlich hat sie ihre Wohngemeinde auch einmal danach gefragt: Wollt ihr nicht Muttenzer Bürger werden? Heute denke ich, es hätte sicher irgendwelche Möglichkeiten gegeben, aber sie konnten sich das damals nicht leisten. Und sie waren überzeugte Österreicher und haben mir das auch als Kind immer so vermittelt.
Als ich 14 Jahre alt war, wollte ich auch mal nach Österreich ziehen. Aber dann habe ich mit den Jahren gemerkt: Ich bin zwar sehr verbunden mit Österreich und habe noch viele Verwandte dort. Aber ich bin eigentlich Baslerin. Ich begann, mich mehr für Politik zu interessieren und hatte ein Umfeld, mit dem ich mich über Politik austauschen konnte. Und wenn ich bei den Abstimmungen Telebasel geschaut habe, dachte ich: Oh, wäre das jetzt schön, wenn ich abstimmen könnte.
Wenn ich auf der Strasse aufgefordert werde: «Wähl doch SVP» oder «Unterschreib hier für die SP», muss ich sagen: Das geht nicht, ich bin Ausländerin. «Hä, wie Ausländerin, du hast doch einen Basler Dialekt?», höre ich dann jeweils. Jedes Mol närvt mi das. Jedes Mal wenn ich an diese C-Bewilligung denke, an diesen Ausländerausweis, dann bekomme ich schier die Krise. Nicht, weil das weniger wert wäre, so meine ich es nicht. Aber ich fühle mich einfach nicht als Ausländerin.
Es ist nicht so, dass ich mich nicht einbürgern lassen will. Ich kann es nicht.
Ich kann mir finanziell eine Einbürgerung nicht leisten, diese Tausende von Franken habe ich nicht einfach so auf der Seite. Schon tausend Franken sind für mich viel Geld. Früher habe ich im Verkauf gearbeitet, dann habe ich vor 10 Jahren mit 46 meine Stelle verloren. Nach zwei Jahren habe ich einen Job bei einer Reinigungsfirma bekommen, für 20 Franken Stundenlohn.
Die Kosten für eine Einbürgerung setzen sich zusammen aus Gebühren auf Bundes-, kantonaler und kommunaler Ebene. Die Kosten auf Kantons- und auf Gemeindeebene variieren. Am meisten bezahlen für eine Einbürgerung muss man gemäss einem Bericht der bz im Baselbiet.
Laut einer Auflistung der Bürgergemeinde Muttenz müsste Isabelle Merlin als Einzelperson an ihrem Wohnort mit rund 3500 Franken für ihre Einbürgerung rechnen.
Als dann meine zweite Ehe auseinanderging, wusste ich: So komme ich finanziell nicht durch, ich kann nicht 100 Prozent in diesem Job arbeiten, dass es reicht. Das ist körperlich so anstrengend. Deshalb habe ich dann begonnen, meine eigene Kundschaft aufzubauen und jetzt habe ich mich selbstständig gemacht. Für mich ist das super und es gibt mir Sicherheit für die Zukunft. Und trotzdem: Übrig bleibt am Ende des Monats nicht viel.
Heute fuchst es mich manchmal: Ich war zweimal mit einem Schweizer verheiratet. Eine erleichterte Einbürgerung wäre weniger teuer gewesen. Aber damals hatte ich kleine Kinder und ich habe an andere Dinge gedacht als an die Einbürgerung. Weisch, es ist doch veruggt: Ich bin hier aufgewachsen, ja sogar hier geboren. Ich bin Schweizerin, Baslerin, Muttenzerin. Aber eben nicht auf dem Papier.
Ich höre immer: Jede Stimme zählt. Wenn es knapp wird bei gewissen Vorlagen, wäre meine Stimme immerhin eine Stimme mehr! Die Krankenkassen oder die AHV oder auch soziale Themen wie Armut oder Integration, das sind für mich sehr wichtige Themen, und da möchte ich nicht nur mitreden. Ich würde mich in einer Partei engagieren, würde mich einarbeiten, mitgestalten, derbyy syy.
Ich würde wirklich so gerne Schweizerin werden. Auch offiziell.
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Aufgezeichnet von Michelle Isler
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