Der Eigenmietwert ist ungerecht und gehört abgeschafft

Am 28. September 2025 bietet sich die lang ersehnte Gelegenheit, den Eigenmietwert abzuschaffen. Gerne wird behauptet, er sorge für steuerliche Gleichbehandlung. Doch er führt im Gegenteil zu Ungleichbehandlung und damit zu Ungerechtigkeit. Deshalb gehört er endlich weg, findet Bajour-Kolumnist Luca Urgese.

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Die Vorlage zum Eigenmietwert ist komplex. (Bild: Adobe Stock)

Die Schweiz diskutiert derzeit intensiv über Sinn und Unsinn des Eigenmietwerts. Eine Steuer, die 1915 während des Ersten Weltkriegs eingeführt wurde. Der Handel brach ein, die Zolleinnahmen sanken, der Bund brauchte Geld. Aus einer einmaligen Kriegsmassnahme wurde eine dauerhafte Steuer, die bis heute gilt.

Um dieses fiktive Einkommen, welches Eigentümern einer selbstgenutzten Liegenschaft angerechnet wird, zu rechtfertigen, wird gerne mit der Steuergerechtigkeit zwischen Eigentümern und Mietern argumentiert: Die durch Wohneigentum eingesparte Miete soll aus Gleichbehandlungsgründen als sogenanntes Naturaleinkommen versteuert werden.

Zur Person

Luca Urgese, Jg. 1986, politisiert seit 2014 für die FDP im Grossen Rat. Von 2016 bis 2021 war er Parteipräsident. Im März kandidierte Urgese für den Regierungsrat, unterlag jedoch Mustafa Atici. In seiner Kolumne «Caffè Urgese» schaut er mit der bürgerlichen Brille auf Basel. Er äussert sich als Politiker und nicht als Mitarbeiter der HKBB.

Ist es wirklich so einfach? Nein. Diese vereinfachte Darstellung übersieht einige Ungleichbehandlungen zu Lasten von Wohneigentümern. Mit drei Vergleichen lege ich dar, weshalb der Eigenmietwert ungerecht ist:

Vergleich Naturaleinkommen vs. übrige Einkommen

Tatsächlich stellt, das ist unbestritten, die Wohnnutzung der eigenen Liegenschaft ein Naturaleinkommen dar. Wer keine Miete zahlen muss, hat mehr Geld auf dem Konto. Diese Einsparung wird mit dem Eigenmietwert wie ein Einkommen behandelt und entsprechend besteuert. Befürworter argumentieren, damit werde für Gleichbehandlung gesorgt. Doch sie übersehen eine wesentliche Differenz. Man kann nämlich zwei Formen von Naturaleinkommen unterscheiden. 

Die eine Form stellt eine Entschädigung dar, die man von einem Dritten erhält. Das kann der Arbeitgeber sein, der als Entgelt für die Arbeitsleistung das Geschäftsauto auch zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt. Oder das Unternehmen, das eine Aktionärin für das eingegangene Risiko nicht (nur) mit einer Dividende, sondern beispielsweise mit einer Auswahl aus dem Produktesortiment entschädigt. All dies stellt Naturaleinkommen in Form einer geldwerten Leistung von einer Vertragspartei an die andere dar und ist entsprechend zu versteuern. All dies wird steuerlich gleichbehandelt.

Nun gibt es aber noch die andere Form von Naturaleinkommen, nämlich die Ersparnis aufgrund von Eigentum:

  • Wenn Sie in Ihrem Garten Gemüse anpflanzen, dann stellt die Ernte ein Naturaleinkommen dar. Sie müssen das Gemüse nicht im Laden kaufen.
  • Wenn Sie ein Auto oder ein Velo besitzen, dann stellt deren Nutzung ein Naturaleinkommen dar. Sie müssen keines mieten.
  • Wenn Sie Möbel besitzen, dann müssen Sie keine möblierte, sondern «nur» eine unmöblierte Wohnung mieten. Die Differenz ist ebenfalls ein Naturaleinkommen.

In all diesen Fällen werden Sie nicht von Dritten für Ihre Arbeit oder eine sonstige Leistung entschädigt. Entsprechend müssen Sie diese Form von Naturaleinkommen nicht versteuern. Weshalb müssen Sie also die Ersparnis aufgrund Ihres Wohneigentums versteuern? Das ist eine ungerechte steuerliche Ungleichbehandlung.

Vergleich Wohneigentum vs. Kapitaleigentum

Das führt uns zum zweiten Vergleich. Gerne wird so oder ähnlich folgendes Beispiel angeführt: Person A und Person B haben dasselbe Vermögen. Person A kauft damit Wohneigentum, Person B kauft damit Wertschriften. Person B muss ihre Einkünfte aus dem Kapitalvermögen versteuern. Person A müsste ohne Eigenmietwert kein Einkommen versteuern, deshalb muss ihr zur Gleichbehandlung ein solcher berechnet werden.

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Das klingt zunächst plausibel. Doch der Vergleich hinkt mehrfach. Zunächst wirft Kapitalvermögen im Gegensatz zu Wohneigentum in Form von Zinsen und Dividenden realen Ertrag ab, der besteuert wird. Eine selbstbewohnte Liegenschaft wirft hingegen keinen Ertrag ab, es fliesst kein Geld auf das Konto.

Beim Kapitaleigentum gilt zudem, dass Kapitalgewinne aus der Veräusserung von Privatvermögen steuerfrei sind. Wenn Person B also Wertschriften kauft und diese dann aufgrund von Wertsteigerungen mit Gewinn wieder verkauft, muss sie die Differenz nicht als Einkommen versteuern. Wenn Person A jedoch eine Liegenschaft kauft und diese dann mit Gewinn wieder verkauft, weil die Liegenschaft in der Zwischenzeit an Wert gewonnen hat, muss eine Grundstückgewinnsteuer bezahlt werden.

Heute findet also eine Ungleichbehandlung zu Lasten des Liegenschaftseigentümers statt. Er wird stärker besteuert als der Kapitaleigentümer, nämlich sowohl für einen nicht vorhandenen Ertrag (den Eigenmietwert) als auch für den Wertzuwachs. Die Abschaffung des Eigenmietwerts würde das ausgleichen.

Vergleich Mieter vs. Eigentümer

Kommen wir zum dritten und häufigsten Vergleich, nämlich dem Vergleich mit den Mietern. Was ist eigentlich eine Miete? Die Miete ist eine finanzielle Entschädigung dafür, dass der Eigentümer dem Mieter Wohnraum zum Gebrauch überlässt. In der Miete inbegriffen sind unter anderem die Unterhalts- und die Finanzierungskosten, aber in Form der Verwaltungskosten auch die Arbeit, die für die Liegenschaft geleistet werden muss.

Denn sich um eine Liegenschaft zu kümmern, ist viel Arbeit. Man muss sich beispielsweise um Handwerker kümmern, einen Gärtner beauftragen oder die Heizung ersetzen. Um all dies muss sich ein Mieter nicht kümmern. Er bezahlt diese Arbeit mit der Miete.

«Diese Miete beinhaltet auch die Arbeit für die Liegenschaftsverwaltung. Doch seine eigene Arbeit darf der Eigentümer nicht von den Steuern abziehen.»
Luca Urgese

In einer selbstgenutzten Liegenschaft wird man für diese Arbeit hingegen nicht entschädigt. Und hier wird die Ungerechtigkeit des Eigenmietwerts ersichtlich. Der Eigentümer muss Eigenmietwert zahlen für die «gesparte» Miete. Diese Miete beinhaltet eigentlich auch die Arbeit für die Liegenschaftsverwaltung. Doch seine eigene Arbeit darf der Eigentümer nicht von den Steuern abziehen. Sie bleibt unberücksichtigt. Der Eigentümer zahlt die Arbeit also doppelt: einmal fiktiv über den Eigenmietwert, einmal real über seine Arbeitszeit. Das ist ungerecht.

Deshalb macht der saubere Systemwechsel, wie ihn die Abstimmungsvorlage vorsieht, so viel Sinn: Einerseits wird der Eigenmietwert abgeschafft, im Gegenzug fallen der Unterhalts- und der Schuldzinsabzug (mit Ausnahme eines sozialen Abzugs) weg. Der Mieter wird auch weiterhin über die Miete Unterhalt, Finanzierung und Verwaltungsarbeit zahlen. Der Eigentümer wird künftig Unterhalt und Finanzierung bezahlen (ohne Abzugsmöglichkeit) und unbezahlt seine eigene Arbeit in die Liegenschaft stecken. Beide werden so gleichbehandelt.

«Mietervertreter würden den Aufstand proben, wenn Mieter dieselben Aufschläge tragen müssten wie Eigentümer bei einer Anpassung des Eigenmietwerts.»
Luca Urgese

Was hingegen wegfällt, ist die ganze Bürokratie. Es müssen keine Belege mehr eingereicht werden und es gibt keine langen Diskussionen mehr darüber, welcher Teil des Unterhalts werterhaltend (abzugsfähig) und welcher wertvermehrend (nicht abzugsfähig) ist. Eine starke Entlastung von Steuerpflichtigen und Steuerverwaltung.

Es gibt noch eine weitere Ungerechtigkeit: Das Gesetz lässt eine Erhöhung der Miete nur begrenzt und unter strengen Voraussetzungen zu. Der Eigenmietwert hingegen wird in regelmässigen Abständen neu berechnet. Steigt der Wert der Liegenschaft, steigt auch der Eigenmietwert, was jedes Mal Eigentümer in finanzielle Bedrängnis bringt. Die Entwicklung der Miete hingegen steht nicht im Zusammenhang zum Liegenschaftswert. Hier zeigt sich, wie ungleich Mieter und Eigentümer behandelt werden. Mietervertreter würden den Aufstand proben, wenn Mieter dieselben Aufschläge tragen müssten wie Eigentümer bei einer Anpassung des Eigenmietwerts. Auch diese Ungleichbehandlung ist nicht fair.

Höchste Zeit, dieses Relikt aus der Welt zu schaffen

Warum wird nur bei Liegenschaftseigentümern diese einzigartige Form der Besteuerung angewendet? Warum toleriert man all diese Ungerechtigkeiten? Weil Grundeigentum nicht flüchten kann. Deshalb waren Immobilien schon immer Gegenstand von Steuern, wie es sie für andere Objekte nicht gibt.

Doch das für sich ist kein gutes Argument. Leidtragende sind unzählige Eigentümer, die lange auf Konsum verzichtet haben, um für das Eigenheim zu sparen, und von einem ungerechten Steuersystem zur Kasse gebeten werden.

Der saubere Systemwechsel – kein Eigenmietwert, dafür auch keine Abzüge mehr – ist der richtige Weg. Über viele Jahre hinweg wurde er auch von linken Parteien gefordert. Nutzen wir die Gelegenheit und begraben wir endlich dieses Relikt aus der Zeit des Ersten Weltkriegs.

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