KMU warten bis zu acht Wochen auf Härtefallgeld

Beizen, Fitnessstudios oder Clubs sind geschlossen. Als Ausgleich können sie finanzielle Hilfe beim Kanton beantragen. Wie läufts mit der Auszahlung? Wir haben bei den Betrieben nachgefragt.

Balz Klub Basel
Im Balz Klub feiert schon seit Monaten niemand mehr.

Seit dem 23. November 2020 befindet sich die Schweiz im zweiten Shutdown. Das bedeutete: Lichter aus für Tanzschulen, Fitnessstudios, Restaurants und Clubs und viele andere Betriebe. 

Zum Ausgleich gibt es das Härtefallprogramm des Kantons Basel-Stadt. Es soll den KMUs helfen, Fixkosten wie Mieten zu decken. Laut Behörden dauert es wenige Wochen bis zur Auszahlung, wenn man alle nötigen Unterlagen einschickt. 

Stimmt das? Wir haben bei Betrieben nachgefragt. Fazit: Alle warteten mindestens vier Wochen, einige sogar acht Wochen.

Balz Klub

Haben Sie Hilfen beantragt? Ja, im Dezember 2020.

Wie lange mussten sie auf das Geld warten? Ca. 8 Wochen. Die ersten beiden Auszahlungen kamen Ende Februar, die dritte Anfang März.

Mussten Sie Dokumente nachreichen? Ja.

Gibt es Sie im Sommer noch?

Claudio Rudin, Geschäftsführer: «Die Situation ist schwierig. Es wird uns im Sommer noch geben, aber es kommt natürlich drauf an wie sich das Ganze weiter entwickelt, was für weitere Zahlungen kommen und ob Clubs auch weiter Aufallentschädigung bei der Kultur BS beantragen dürfen. Es wird oft vergessen, dass Clubs die ersten sind, welche schliessen und die letzten sind, welche öffnen dürfen.»

Tanzschule Fromm



Haben Sie Hilfen beantragt? Ja, am 2. März 2021.

Wie lange mussten Sie auf das Geld warten? Es soll bis zum 27.3. da sein, also ca. vier Wochen.

Mussten Sie Dokumente nachreichen? Ja, das hat den Antrag um eine Woche verzögert.

Gibt es Sie im Sommer noch?

Bernhard Urfer, Geschäftsführer/Tanzlehrer: «Wir sind zuversichtlich. Unser Geschäft gibt’s seit 125 Jahren und so eine Krise wie die jetzige wird uns nicht von der Fläche fegen. Uns wird's auch im Sommer/Herbst/Winter noch geben.»

Bernhard Urfer Tanzschule Fromm
Bernhard Urfer, Geschäftsführer der Tanzschule Fromm, will sich von der Krise nicht «von der Fläche fegen» lassen.

Bierjohann



Haben Sie Hilfen beantragt? Ja, anfangs Dezember.

Wie lange mussten sie auf das Geld warten? Fast 8 Wochen. Die erste Zahlung kam am 26. Januar 2021.

Mussten Sie Dokumente nachreichen? Nein.

Gibt es Sie im Sommer noch?

Julia Füzesi, Inhaberin: «Wir sind zwar froh, haben wir Anspruch auf den Härtefall, die erste Zahlung ist für uns aber eher ein Tropfen auf den heissen Stein. Ob und wann wir eine weitere Zahlung erhalten, ist noch unklar. Es ist extrem schwierig irgendwie zu kalkulieren oder zu planen. Wir sind sehr dankbar über die Möglichkeit der Kurzarbeit um die Mitarbeiter zu halten, jedoch haben wir – wie alle anderen auch – das Problem der laufenden Fixkosten wie Miete, Pensionkasse etc. Die Auszahlung der Kurzarbeitsentschädigung läuft auch nicht immer konstant. Das hat dazu geführt, dass wir nun den zweiten ‹Covid-Kredit› beantragen, uns also erneut verschulden mussten.»

Café Zum Kuss
Ein Bild aus besseren Zeiten: Die Gäste sitzen draussen beim Café zum Kuss.

Café zum Kuss

Haben Sie Hilfen beantragt? Ja, Ende Januar 2021.

Wie lange mussten Sie auf das Geld warten? Das Café hat keine Hilfen bekommen, ich darf nun aber ein Wiedererwägungsgesuch einreichen.

Warum? Ich habe keine Auszahlung bekommen, da die Bilanz für Ende 2019 eine Überschuldung ausweist.

Gibt es Sie im Sommer noch?

Markuss Engeler, Betreiber: «Da das ZUM KUSS mein Lebenswerk ist und ich auch aus diesem Grund als Einzelfirma operiere, wird es meinen Betrieb (aller Voraussicht nach) auch im kommenden Jahr noch geben. Um die Liquidität aufrecht zu erhalten, habe ich im Frühjahr 2020 den Covid-19-Bundeskredit aufgenommen über 100’000 Franken. Dieser ist nun fast aufgebraucht. Das bedeutet, dass meine Überschuldung aktuell extrem angestiegen ist. Und das ist dann hart, dies erneut abzubauen.»

Actifit Fitness Women

Haben Sie Hilfen beantragt? Ja, am 7. Januar 2021, davor waren Fitnesstudios nicht berechtigt, Härtefallhilfen zu beantragen.

Wie lange mussten Sie auf das Geld warten? Am 11. Februar 2021 wurde unser Antrag genehmigt, also warteten wir ca. 1 Monat.

Mussten Sie Dokumente nachreichen? Nein.

Gibt es Sie im Sommer noch?

Gabriella und René Bucher, Geschäftsführer*innen: «Die Situation ist sehr angespannt. Ob es uns im Sommer noch gibt? Wir hoffen das sehr in unserem Sinne und auch im Sinne unserer Kundinnen und den Mitarbeiterinnen.»

Bar Rouge Basel
Clubs, wie die Bar Rouge, sind vom Konzept her auf Körpernähe ausgelegt. Sie trifft der Shutdown besonders hart.

Bar Rouge

Haben Sie Hilfen beantragt? Ja, am 1. Januar 2021.

Wie lange mussten Sie auf das Geld warten? Ca. 6 Wochen, etwa Mitte Februar haben wir das Geld bekommen.

Mussten Sie Dokumente nachreichen? Ja, dadurch gab es Verzögerung von 1 bis 2 Wochen.

Gibt es Sie im Sommer noch?

Martin Kistler, Management: «Als Club hat es uns extrem hart getroffen. Mit den ersten Geldern konnten wir nun ein bisschen durchatmen. Die Fixkosten bestehen aber weiter, da wir keinem Personal gekündigt haben, tragen. Es deckt natürlich bei weitem nicht den Schaden, den wir tragen müssen. Zurzeit planen wir auf den Sommer und hoffen, dass wir dann endlich wieder unserer Arbeit nachgehen dürfen.»

Corrientes Basel
Auch im Corrientes herrscht Leere auf der Tanzfläche.

Tanzlokal Corrientes 

Haben Sie Hilfen beantragt? Ja, mehrmals. Anfang Januar 2021 mussten wir einen überarbeiteten Antrag einreichen.

Wie lange mussten Sie auf das Geld warten? Bis Mitte März, also etwa zwei Monate. Davor hatten wir schon einen anderen Antrag gestellt, der abgelehnt wurde.

Mussten Sie Dokumente nachreichen? Ja. Weil wir uns ganz klar als Kulturbetrieb verstehen, haben wir zweimal die aufwändige Eingabe für Ausfallentschädigung bei der Kulturabteilung gemacht. Beide Male haben wir eine Absage erhalten. Darum haben wir Härtefallhilfe beim WSU beantragt. Zuerst als Gastrobetrieb – wir haben eine Betriebsbewilligung – und jetzt umgewandelt in einen Freizeitbetrieb.

Gibt es Sie im Sommer noch?

Heiner Brogli, Betreiber: «Ich hatte immer wieder Kontakt mit den Ämtern und erhielt freundlich Auskunft. Was letztendlich zermürbend ist (war?), sind die lange Bearbeitungszeit, keine Akontozahlungen in der für uns äusserst ungewissen Finanzsituation. Für Udo Zwilling, der die GmbH über 10 Jahre aufgebaut hat und mit seiner Familie davon lebt ist es emotional, existenziell eine unbeschreibliche Achterbahn. Zum Glück gibt es die Community mit Spenden und Private mit Darlehen, welche an die Sache glauben und in die Zukunft des Corrientes ‹investieren›.»

Wie läuft es bei euch?

Wir suchen weitere Betriebe, die Härtefallhilfen beantragt haben. Wie sind eure Erfahrungen? Lief alles reibungslos, wie lange musstet ihr auf das Geld warten? Reicht die Hilfe vom Kanton, um bis zum Sommer durchzuhalten? Schreibt uns gerne eine E-Mail an [email protected].

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