Juhu, Gärngschee wird eins!
Wir schauen zurück auf ein Jahr voller Solidarität, Nächstenliebe, Hilfsbereitschaft und schönen Geschichten. Das Gärngschee-Team hat seine Highlights ausgepackt.
Wow. Erinnert ihr euch noch, als der Bundesrat vor einem Jahr Läden, Schulen und Beizen schloss? Es war Freitag, der 13. März, und am Tag vorher, den 12. März 2020, gründete Bajour die Facebookgruppe «Gärn gschee – Basel hilft» in Vorahnung einer sich anbahnenden Krise. Innert Tagen hatte die Gruppe 15'000 Mitglieder und war so voll von Solidarität und Hilfsbereitschaft, wie man sich das nie hätte vorstellen können.
In der Gruppe fanden (und finden) hilfesuchende Menschen Unterstützung – und die Angebote von hilfsbereiten Menschen dankbare Abnehmer*innen. Da wurden Einkaufshilfen organisiert, Hundespaziergänge koordiniert und Menschen zusammengebracht, die einfach jemanden zum Reden brauchten.
Vieles ist in der Zwischenzeit passiert. Das alles wäre nicht möglich gewesen, durch das Engagement vieler Freiwilliger: Wir haben die sechs Gärngschee-Fadenzieher*innen Christo, Sandie, Tijana, Hannah, Sandra und Danny gebeten, ihre schönsten Highlights mit uns zu teilen. Das sind sie:
Grandios sei GärngscheeKultur gewesen, sagt Christo, bei Gärngschee als selbsternannter Deeskalateur unterwegs. Während alle Clubs und Konzertlokale geschlossen waren, leistete Bajour und Gärngschee Widerstand gegen die Tristesse und organisierte Konzert-Livestreams. Christos Highlight war das erste Soli-Konzert von Manuel Gagneux am 20. März. Bajour-Redaktor und Moderations-Shootingstar Daniel «Fauli» Faulhaber war zur Stelle und führte die rund 3000 Zuschauer*innen durch den Abend. «Die Euphorie im Team, der schön gestaltete Raum, das erste von Fauli moderierte Konzert in seinem Special Look. Und dann das Mitverfolgen des Konzerts und die Spendenfreudigkeit – es war elektrisierend», schwärmt Christo.
Im Dezember 2020 kommt es zu einer Zusammenarbeit von Gärngschee mit «Migranten helfen Migranten», und Christo erinnert sich daran, wie Bajour-Redaktorin Naomi Gregoris im morgendlichen Basel Briefing schrieb, dass der Verein Nähmaschinen braucht. «Noch am selben Tag hatten wir 7 Nähmaschinen! Das hätte ich niemals gedacht.»
Zur Adventszeit spielte Bajour zusammen mit der Gärngschee-Community Christkind und erfüllte Wünsche von Basler*innen, die sich keine grossen Geschenke leisten können. Innerhalb von drei Wochen wurden 150 Wunschzettel und über 200 Wünsche in unseren goldenen Briefkästen gelegt. Über 170 dieser Wünsche haben die Herzensmenschen von Gärngschee erfüllt! 💝
«Die Schenk-Bereitschaft der Menschen, das volle Büro, die Freudentränen», fasst Sandie Collins, die heimliche Gruppen-Tätschmeisterin, die unglaublich schöne Bescherung zusammen. «Die Wunschzettelaktion an Weihnachten war das absolute Highlight.»
Manchmal hätten sich auch Leute gemeldet, die selbst nicht viel haben und Geld geben möchten für jemand anderes. «Oft entschuldigen sie sich noch, dass es nur so wenig ist», erzählt Sandie. «Ich lehne meistens dankend ab und bitte sie, sich selbst etwas Gutes damit zu tun.»
Tijana stimmt Sandie zu. Und ja, die Wunschzettelaktion… Die ganzen Wünsche zu lesen und sie dann in Erfüllung bringen zu dürfen – sie sei zutiefst bewegend gewesen.
Hannah ergänzt: «Das Schönste war ein Bub, der sein Trotti vorbeibrachte. Er meinte, er fände es noch cool, aber er brauche es einfach fast nicht, also solle es zu jemandem, der es auch wirklich benutzt.»
Hannah bedient das Gärngschee-Telefon (079 555 25 25). Dort rufen mehrheitlich ältere Leute an, die auf Hilfe angewiesen sind, aber kein Facebook haben. Die gute Seele Hannah nimmt ihre Anliegen auf und sucht nach freiwilligen Helfer*innen. Hannah ist eigentlich Biologin – bei Gärngschee ist sie Telefonseelsorgerin, Anfragen-Im-Hintergrund-Koordinatorin und Facebook-Admin.
«Kommt am Telefon eine Hilfsanfrage rein, dauert es oft nur ein paar Stunden bis ich eine Person habe, die anpackt. Dies alles sieht man auf der Facebook-Seite nicht, da ich eine separate Liste habe mit Menschen, die bereit sind zu helfen.» Sie schreibt nur in Ausnahmefällen in die Facebook-Gruppe, wenn sie zum Beispiel gerade niemand Passendes auf ihrer Liste findet. «Wenn ich am Telefon gesagt habe, dass ich jemanden gefunden habe, diese Freude in der Stimme zu hören und diese Dankbarkeit, das bereitet mir einfach eine Riesenfreude.»
Über die Gärngschee-Gruppe haben sich richtig enge Freundschaften gebildet. Hannah erzählt: Eine andere Frau habe sich weinend bei ihr gemeldet, weil die ihr zugeteilte Person weggezogen ist und nicht mehr für sie einkaufen konnte. Die beiden hatten eine so enge Bindung aufgebaut, dass es für die Frau sehr schlimm war, die helfende Person zu verlieren. «Ich hatte das Glück eine andere herzensliebe Person in der Nähe auf der Liste zu haben, die sich jetzt um die Spaziergänge kümmert und sie nach draussen an die frische Luft begleitet.»
«Das Lustigste – wie so vieles erst im Nachhinein wirklich lustig – war ein Telefongespräch mit einem älteren Herrn», erinnert sich Hannah. Am Telefon stellte sich heraus, dass die beiden erhebliche Verständigungsprobleme hatten. Sie sprach immer lauter, versuchte es mit Buchstabieren und begann schlussendlich damit, mit ihm zu kommunizieren, indem sie jeden Buchstaben in einen bekannten Vornamen verwandelte.
«Mein Name Hannah wäre in dem Fall also: Hans, Anna, Nico, Anna, Hans. Auch das war nicht einfach.» Die Namen wurden immer wieder falsch verstanden und korrigiert, jeder Buchstabe brauchte einige Anläufe. «Und dann kam der alles rettende Buchstabe, auf den ich mich schon so lange freute: das ‹O›. Ich sagte ganz entspannt und voller Freude: ‹Otto›. Er setzte zur Repetition an und sagte überzeugt: ‹Susanne›. Da entglitten mir kurz die Gesichtszüge und meine kleine Illusion der Einfachheit von ‹Otto› zerbrach.» Sie haben es dann aber doch geschafft, und die Einkäuferin konnte dem Herrn die gewünschten Sachen bringen.
«Da ist so viel Herzblut drin von uns allen, allein das ist schon etwas Spezielles.»Danny über das Gärngschee-Team
Sandra, seit Tag 2 dabei, erzählt von einem «jungen Burschen», Gymnasiast, der sich gemeldet habe, um für Risikopatient*innen einzukaufen. Das soziale Engagement und die Unterstützung über Generationen hinweg sieht sie als roten Faden, der sich durch die Gärngschee-Geschichte zieht.
Oft geht es in der Community um die unmittelbare Hilfe, die Hilfe, die dir vielleicht nicht das ganze Leben umkrempelt, die dich aber kurz aufatmen lässt. Die dich wissen lässt, dass eine Gemeinschaft da ist, die unterstützt und hilft und versucht aufzufangen. Sandra erzählt mir von den mittlerweile unzählbaren Kühlschränken, die durch Gärngschee gefüllt wurden, von Zöpfen, die liebe Menschen gebackt haben und am Wochenende in der ganzen Stadt verteilten.
Und YES! Diese Woche ist nun also unser Geburtstag. Am liebsten würden wir natürlich eine Party schmeissen. Aber nun ja, wir wissen wie's aussieht. Darum halt digital – denn wenn wir eines gelernt haben, dann ja wohl immerhin das. Und eines versprechen wir euch jetzt schon: Irgendeinmal feiern wir ein richtiges Fest. Mit Anstossen und Tanzen und richtigen Gesprächen von Angesicht zu Angesicht. Bis dahin pflegen wir weiterhin die Solidarität. Danke Euch allen dafür.
Danny meint, fast ein wenig bewegt: «Da ist so viel Herzblut drin von uns allen und mir, allein das ist schon etwas Spezielles. Ich möchte gar nichts hervorheben, weil tagtäglich und immer wieder alles für sich ein einziges Highlight ist.»