Können erfolgreiche Gewerbler*innen links sein?
Am Montag präsentierte der Gewerbeverband Basel-Stadt seine Empfehlungen für die Grossratswahlen im Oktober. Von den 64 empfohlenen Kandidat*innen politisiert niemand bei der SP, den Grünen oder der Basta, sondern ausschliesslich bei bürgerlichen Parteien. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass Gewerbeverbands-Präsident Hansjörg Wilde bei den Wahlen für die SVP antreten wird. Er ist der Meinung, dass der Fraktionszwang linker Parteien gewerbefreundlicher Politik im Weg stehe. Bajour-Chefredaktorin Ina Bullwinkel sieht das anders. Sie kommentierte, dass der Gewerbeverband linken Kandidat*innen Unterstützung zusprechen sollte, weil ihre Sichtweise zu Lösungen aktueller Probleme beitragen könnte. Aber geht erfolgreiches Gewerbe überhaupt mit linker Politik zusammen?
Selbstverständlich
Gewerbler:innen gibt’s in allen politischen Schattierungen. Und das ist gut so. Der Grund für den rechtskonservativen Kurs des Gewerbeverband ist, dass er von rechtskonservativen Parteien unterlaufen ist.
Selbstverständlich
Ich bin seit etwa 20 Jahren in verschiedenen Branchen selbstständig tätig, vom kleinen Lädeli bis zur Immobilienentwicklung. Meine sowohl gesellschafts- als auch wirtschaftsliberale Ideologie hat dabei nie eine Rolle gespielt und war nie ausschlaggebend für den Erfolg eines Unternehmens. Die Faktoren, die den Erfolg beeinflussen, sind dafür einfach zu vielfältig.
Grüne und soziale Werte sind hilfreich für langfristig erfolgreiches Unternehmertum
Ein Unternehmen mit langfristiger Strategie und einem Horizont, der über den kurzfristigen Gewinn geht, überlebt in der Regel sehr lange. Werte wie ein sorgfältiger Umgang mit der Natur und den Menschen im Unternehmen stehen bei diesen Strategien sehr weit oben. Insofern würde ich behaupten, dass nicht nur Menschen mit stramm bürgerlichen Werten gute Unternehmer sein können. Im Gegenteil.
Was ist Erfolg?
Für den sehr bürgerlichen Gewerbeverband wird Erfolg anders als für Grüne/Linke definiert. Wobei auch das Gewerbe langsam realisiert hat, das es für die Nachhaltigkeit etwas tun muss. Mindestens im Bereich Umwelt... auch aus (legitimen) Eigeninteresse (Aufträge). Aber nachhaltiger Erfolg bedeutet auch, die Arbeitsbedingungen und das eigene Umweltverhalten nachhaltig zu gestalten. Ich bin seit jeher (auch leitender) Angestellter im Gewerbe und trotzdem ein Grüner Unternehmer... und erfolgreich.
Und ob!
Wenn ein Betrieb vorausdenkt, betr. Umwelt zum Beispiel. Oder wenn ein Betrieb seine Angestellten ab dem 1. Franken an der Pensionskasse teilnehmen lässt (löbliches Beispiel: Jenzer), dann ist das sehr links. Mit gutem Beispiel voran!
Darum geht es nicht…
Die Fragestellung ist eine typische journalistische Pirouette. Natürlich gibt es begabte linke Unternehmerinnen und Unternehmer. Sie profitieren (noch) von einer Politik, die früher einmal wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen für diese Stadt und den Kanton gesichert hat. Bei der Empfehlung des Gewerbeverbandes geht es nicht um die Frage, wer ein guter Unternehmer ist, sondern welche Kandidierenden einer wirtschafts- und KMU-freundlichen Politik verpflichtet und gewillt sind, vornehmlich durch Rotgrün geschaffene Hürden und Hindernisse wieder abzubauen (resp. mindestens weitere zu verhindern). Entsprechend werden vom Gewerbeverband – zu Recht – nicht erfolgreiche Unternehmer, sondern Kandidierende empfohlen, welche dem lokalen Handel und Gewerbe keine weiteren Steine in den Weg legen wollen.
Ich habe nie verstanden, warum sich "nicht-bürgerliche" Gewerbler nie zu einem eigenen Gewerbeverband finden konnten. Wieso duckt man sich, statt offensiv ein eigenes Netzwerk aufzubauen und politisch nicht offside zu stehen? Vermutlich, um Aufträge zu erhalten? Dies zieht aber heute auch nicht mehr, denn es vergeben viele Gewerbeverband-kritische Firmen und Private Aufträge. Es braucht endlich eine Alternative zum rechtsgesteuerten Verband.
Falsch verstanden
Aus Sicht des Gewerbeverbandes gilt als gewerbefeindlich, wer beispielsweise die Stadtklimainitiativen oder den Wohnschutz befürwortet. Es war von vorneweg klar, dass bürgerliche-konservative Werthaltungen stärker gewichtet werden als KMU-Relevanz. Insofern ist auch die Liste der Empfohlenen alles andere als eine Überraschung. Ich wünsche mir einen Gewerbeverband, der wieder mehr Standort- und weniger einseitige Interessenpolitik macht und der Unternehmer:innen (ob mehr oder weniger erfolgreich) aus allen politischen Lagern anhört und vertritt.
Ja natürlich geht Gewerbe auch links
Ich finde diese Frage nicht zielführend und ehrllich gesagt auch ein bisschen nervig. Warum sollten Gewerbler:innen nicht links sein können? Und warum muss sich die Linke hier immer rechtfertigen? Natürlich können auch wir Business. Die Frage ist viel eher, was man eigentlich mit "Gewerbefreundlich" meint: dass 2 oder 3 Kund:innen direkt vor der Türe parkieren können oder dass es eine begrünte Fläche vor dem Geschäft hat mit einer Sitzbank, auf der die Kund:innen verweilen können? Oder dass meine Kund:innen prima mit dem ÖV zu mir kommen können? Man könnte auch fragen, wie klimafreundlich eine Firma ist und woher sie ihre Waren bezieht, das wäre doch viel spannender für die Bevölkerung. In der SP gibt es einige Menschen mit Gewerbe und selbständige Unternehmende. Ich selbst führe seit 5 Jahren eine Firma und dass ich Sozialdemokratin bin, war dabei noch nie ein Problem - im Gegenteil; ich kann z.B. bei den Anstellungsbedingungen meine sozialen Werte direkt umsetzen.
Natürlich passt das
Bürgerliche Politik ist nicht automatisch das alleinige Sprachrohr der Unternehmen, Alleine die Idee zeigt wie altmodisch der Gewerbeverband aufgestellt ist.
Selbstverständlich
Die Frage ist leicht zu beantworten: Selbstverständlich - es gibt ausreichend Linke, die erfolgreiche Gewerbler*innen sind. Im Artikel kommen gleich mehrere von Ihnen zu Wort.
Hätte wohl diese Frage Lord Norman gefreut?
Das System mit den Linken und den Rechten hat eine erstens lachhaft groteske, und zweitens eine ernsthaft brutale Seite. Linke und Rechte, die um die Macht konkurrenzieren, sind eine mindestens hundert Jahre alte Erfindung von herrschsüchtig Kranken. Inszeniert von der globalisiert und politisch verantwortungslos agierenden Bankerkaste. Zitat: "Indem wir die Wähler durch das politische Parteiensystem spalten, können wir sie dazu bringen, ihre Energie in dem Kampf für unwichtige Fragen zu stecken." (Montagu Norman, 1924; ehem. Gouverneur der Bank von England, und in der ersten Hälfte des letzten Jahrhundert viele Jahre einer der de facto wahrscheinlich mächtigsten Männer der Welt). Hätte wohl die Streit-Frage zu den linken Gewerbler*innen Lord Norman gefreut?
pragmatische Lösung
Wir bieten immer pragmatische Lösungen an was die bürgerliche Seite mit den nächsten Bürokratiemonster entgegnet