Lässt sich das Amt für Kultur zu sehr unter Druck setzen?
Nachdem das Amt für Kultur am Donnerstag bekannt gegeben hat, dass die DJ und Musikproduzentin Leila Moon den Kulturförderpreis erhält, hagelte es Kritik seitens der SVP. Dies vor allem weil die pro-palästinensische Künstlerin ein Konzert abgesagt hat, für den auch eine israelische Band gebucht wurde. Sie begründet die Konzertabsage auf Instagram damit, dass sie nicht mit Institutionen oder Veranstaltungsorten zusammenarbeite, «die israelische Künstler buchen, die sich nicht offen gegen das israelische Siedlungskolonial-Projekt und den anhaltenden Völkermord an Palästinensern» stellen. Das Amt für Kultur ruderte zurück und gab kurz darauf bekannt, dass es Abklärungen zur Vergabe des Kulturförderpreises vornehmen würde. Die Preisverleihung vom 29. November wurde vorerst abgesagt. Dass Moon eine israelische Band boykottiert hat, war zum Zeitpunkt ihrer Nomination offenbar noch nicht bekannt. Das Amt für Kultur sieht darin «einen Widerspruch zur vernetzenden Haltung», für die die Jury sie hatte auszeichnen wollen. Der Fall lässt die Frage danach aufkommen, nach welchen Grundsätzen Förderungen vergeben werden und ob die Preisvergabe tatsächlich «unabhängig und ohne Beeinflussung durch die Politik» gefällt werden soll und kann, wie das Amt für Kultur der BaZ gegenüber betonte.
Demokratiepolitisch höchst fragwürdiges Vorgehen
Das Amt für Kultur hat zur Verleihung dieses Preises eine Fachjury eingesetzt, die sich aus verschiedenen Blickwinkeln und Gründen für die Basler Künstlerin Leila Moon entschieden hat. Dies kann man gut oder schlecht finden und darf dies in einer Demokratie auch mitteilen. Nur weil sich eine Künstlerin gegen den Krieg der israelischen Regierung in Gaza und für Selbstbestimmung in Palästina ausspricht, ist dies kein Grund ihr Werk nicht zu würdigen. Selbst ihr Verzicht in der aktuellen Lage in einem Lokal nicht aufzutreten ist schlussendlich ihre Wahl - auch dies kann man gut oder schlecht finden. Dass aber eine Interpellation der SVP jedoch zu einer kompletten Neuprüfung der Preisvergabe führt, ist demokratiepolitisch ein hochproblematischer Vorfall. Es kann nicht sein, dass einer einzelnen Partei oder einem Regierungsrat de facto ein Vetorecht für die Preisvergabe von Kulturpreisen eingeräumt wird, nur wenn die politische Meinung der ausgezeichneten Künstler:innen nicht genehm ist.
Falsche Frage
Die Frage ist falsch gestellt. Die Frage ist nicht, ob sich die Abteilung Kultur von der Politik unter Druck setzen lässt. Die Frage ist, inwieweit Kultur politisch ist und es sein soll. Diese Frage würde ich klar bejahen. Die Frage ist dann, ob die Beurteilung einer Künstlerin durch die Jury auch eine politische Komponente haben darf/kann. Wenn die erste Frage mit "ja" beantwortet wird, muss auch die zweite Frage mit "ja" beantwortet werden. Leila Moon hat zum Boykott von Kunstschaffenden aufgerufen, die nicht explizit ihre politische Meinung teilen. Politische Meinungsäusserung ist das eine, andere auf diese absolute und besserwisserische Art und Weise zu canceln, ist etwas Anderes. Nicht ihre Meinung ist das Problem (darüber kann immer diskutiert werden), aber ihr eigenes Vorgehen anderen Kunstschaffenden gegenüber. Falls dieses Vorgehen der Jury nicht bekannt war, ist es legitim den Entscheid noch einmal zu überdenken.
Inkompetenz oder Ignoranz?
Die Vergabe eines Kulturpreises hat immer eine politische Komponente. Vor allem darf damit kein Antisemitismus gefördert werden, der in Europa gerade wieder «en vogue» zu sein scheint. Dass die Jury einer «Künstlerin», die das falsche Narrativ von Apartheid und Völkermord stereotyp verbreitet und die Besetzung von Uni-Räumlichkeiten durch Pro-Palästina-Gruppierungen offen gutheisst, den Kulturfördepreis verleiht und dies noch mit der «vernetzenden Haltung» der Künstlerin begründet, zeugt entweder von Inkompetenz oder Ignoranz der Jury. Das hat mit «Druck auf das Amt für Kultur» nichts zu tun. Die Jury sollte nach vorgängigen Abklärungen von selbst darauf kommen, dass die Vergabe an eine solche Künstlerin nicht nur unglücklich, sondern inopportun ist.
Schlechter Geruch
Bevor ein Architekt in den Gotthard bohrt, muss er Abklärungen treffen. Ebenso ergeht es dem Chirurgen und Tramchauffeur. Es gibt nur eine Ausnahme: das Amt für Kultur, hier reicht das Bauchgefühl, einmal geht es um Zigeuner, einmal um die politische Einstellung einer Musikproduzentin. Wir gelangen allerdings an eine heikle Frage: soll man Kunst unabhängig vom Kunstschaffenden beurteilen oder spielt die Person bei der Beurteilung auch eine Rolle? Der King of Pop hatte zweifelhafte Beziehungen zu Kindern: er blieb der King of Pop. Grosse Dirigenten hatten enge Beziehungen zum Nazideutschland und blieben anerkannte Künstler. Gegenbeispiel: Viele lehnen Wagners Musik ab wegen seinen Antisemitischen Äusserungen. Nun, wie stehts um Leila Moon? Persönlich mag ich die „From the River to the Sea“-Szene nicht, das riecht zu sehr nach Antizionismus wie Antisemitismus. Diese Dame ist keine bahnbrechende Künstlerin, keine Abramovic. Ihre Haltung sollte bei der Vergabe eine zentrale Rolle spielen.
Eine Prüfung vor der Verleihung ist nicht so schwer, nicht Wissen ist keine Ausrede
Dass das Amt für Kultur nichts von der Gesinnung von Leila Moon gewusst habe, ist schlicht gelogen. Zitat BaZ: "Moon ist nicht nur in der Musikszene, sondern auch im politischen Basel bekannt. Sie ist seit längerem ein Aushängeschild des Pro-Palästina-Protests. Sie ist Teil der «Artists Against Apartheid» – einer Gruppe von Künstlern und Künstlerinnen, die dazu aufruft, Handels-, Wirtschafts- und Kulturbeziehungen zu Israel zu unterbrechen." Sie ist nicht erst seit der Basler Preisverleihung Mitglied bei der Gruppe, und es gibt genügend Bilder, die sie mit dem der Kufiya zeigen. dieses Tuch ist heute nicht mehr ein romantisches Revolutionszeichen. Entweder ist es Arroganz der Verantwortlichen des Amts für Kultur oder noch schlimmer, man dachte, dass man schon damit durchkomme. Auf alle Fälle ist es gut und richtig die Verleihung zu verschieben und es wäre mehr als unverständlich, wenn Moon den Preis am Schluss doch noch bekäme. "Vernetzend" heisst Miteinander, nicht boykottieren.
Fakten sprechen lassen
Wenn das Amt für Kultur nichts von den israelfeindlichen Äusserungen wusste, als die Nomination erfolgte, dann ist es nur folgerichtig, nun ein Timeout auszusprechen und genauere Abklärungen zu machen. Unter Druck liesse sich das Amt nur setzen, wenn es sich diese Zeit nun nicht nehmen würde.
Stoppt Antisemitismus
Es geht hier nicht um die politische Meinung und die sicher berechtigte Kritik am Vorgehen Israels nach dem Massaker vom 7. Oktober (das bei dieser Kritik nicht verschwiegen werden darf). Es geht darum Menschen zu boykottieren, weil sie die "falsche" Staatsbürgerschaft oder Ethnie haben.