2024-12-03 Frage des Tages Obdachlose-1

Macht Basel genug für Obdachlose?

Der Housing-First-Ansatz im Kanton Basel-Stadt wird nach vier Jahren als Pilotprojekt in den Regelbetrieb überführt. In dieser Zeit konnten 31 Wohnungen an obdachlose Personen, die seit mindestens zwei Jahren in Basel leben, vermittelt werden. Bei Housing First wird den Obdachlosen unmittelbar eine Wohnung zur Verfügung gestellt, um langjährige Obdachlosigkeit zu durchbrechen und danach auf dieser Basis individuell deren Wiedereingliederung möglich zu machen. Da viele von ihnen unter Suchterkrankungen oder komplexen psychischen Problemen leiden, fallen sie bei den bestehenden Unterstützungsprogrammen durch die Maschen. Doch der Wohnraum für Housing-First-Angebote ist knapp und die bestehenden Einrichtungen sind ausgelastet, wie Involvierte beim vierten Drogenstammtisch erzählten. Einige fordern, dass der Kanton mehr Liegenschaften kaufen soll. Dazu kommt, dass rund 60 Prozent der Menschen ohne Wohnsitz Sans-Papiers sind, wie Sozialforscher Jörg Dittmann in der WOZ aufzeigt. Sie haben keinen Zugang zu Housing First, denn dafür muss man zwei Jahre in Basel gemeldet sein, weil der Kanton «die Ansiedlung von Armut» verhindern will.

497 Stimmen
Valerie Wendenburg
Valerie Wendenburg
Moderation
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Stefan Hilbrand
Coach und Architekt

Sieben lange Jahre betreute ich die 'Laufkundschaft' des damaligen 'Büros für Notwohnungen' im Sozialdepartements Winterthur. Obdachlose gibt es relativ wenige und wenn doch, schlafen sie oft 'freiwillig' draussen und in selbst gewählter Distanz zur Gesellschaft. Man findet sie oft kaum, sie schlafen teils in Wäldern und Sandsteinhöhlen und man muss das akzeptieren.  Wohnungslose gibt es hingegen viele und das ist das wirkliche Problem. Wohnungslose 'surfen' vom Auto aufs Sofa bei Bekannten bis zur Notschlafstelle. Manchmal nächtigen sie draussen und 31 (!) besonders Glückliche fanden in Basel bei 'Housing First' eine eigene Wohnung. Nur wenige waren ohne externe Hilfe beim Wohnen überfordert. Die Gründe für Wohnungslosigkeit sind bekannt, neben persönlichen GAUs wie Scheidung, Tod des geliebten Partners, Verlust der Arbeit oder Krankheit/Unfall sind es systemische:  Die Teuerungauf den Mieten, Kündigung der Wohnung - individuell oder Leerräumung, Gentrifizierung.  (* 4 Prozent jährlich seit Annahme des BVG 1985). Das Soziale Netz in den Städten Basel, Zürich, Winterthur ist also hilfreich und ziemlich effizient gegen die grösste Not, die Politik müsste aber bei den Grundstückpreisen und dem Immobilienhandel ansetzen, um die Wurzel des Übels und eine weitere Fehlentwicklung zu bekämpfen. 

Ueli Keller
03. Dezember 2024 um 08:16

Obdachlosigkeit sehe ich als einen Teil einer Welt, die von Gier, Herrsch- und Vergnügungssucht sowie von Zerstörungswut geprägt ist. Es ist gut, wenn wir gemeinsam mehr für und mit Menschen tun, die von strukturell begründeter Ungerechtigkeit persönlich betroffen sind.

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Sacha Lüthi
LDP (1. Nachrückender KB), Polizist

Schwieriges Thema, aber man muss es real ansehen.

Ich bin der Meinung, dass wir genug Institutionen haben, welche sich dieser Problematik annehmen. Die fehlenden Wohnungen sind das Problem, dem wir uns stellen müssen. Wenn man kein akkuraten Wohnraum zur Verfügung hat, kann man auch niemand unterbringen. Dennoch möchte ich ein Thema ansprechen über welches nicht gerne gesprochen wird. Es gibt vulnerable Personen, welche auf Grund des Suchtverhaltens bzw. der psychischen Belastung schlicht und einfach nicht in einer Wohnung bzw. Notinstitution untergebracht werden können. Für diese Menschen hat die Stadt Basel keine Lösung (nicht nur Basel natürlich). Dies liegt nicht an den Institutionen sondern halt auch an den persönlichen Grenzen der Betroffenen. Minimale eigene Sozialkompetenzen braucht es für das Wohnen. Für Sans-Papier muss man eine gesonderte Lösung finden damit der Zugang möglich wird. Der Einduck: "Komm nach Basel, Du bekommst eine Wohnung", halte ich aber auch für suboptimal. Dafür wird es nie genug Wohnungen haben.

Mütze Kopie 2
Mathis Reichel
Pensioniert, Musiker, Tänzer

Bitter. Einsam. Kalt.

Obdachlose so weit das Auge reicht... so weit sind wir noch nicht. Noch nicht. Doch die Kälte, die nicht nur der Winter mit sich bringt, wird immer spür- und sichtbarer. Beispiel Frankreich: 3 Billionen Defizit und viele, die nicht wissen, wie sie das Ende des Monats überstehen werden. Wie durch ein Wunder schreibt Basel schwarze Zahlen, gefühlt die einzige Region Europas. Dennoch stehen sie da, die Männer und Frauen, die Surprise verkaufen. Wir haben ein Frauenhaus, ein Männerhaus, fast-gratis Mahlzeiten wie Coluches Restaurants du Coeur. Ich habe mal an einer Tour durch dieses Milieu teilgenommen. Bitter. Einsam. Kalt. Und so begann ich, meiner Fantasie freien Lauf zu lassen: wie wäre es, wenn... Basel eine Hilfsstadt bauen würde, um all jene zu beherbergen, die es brauchen, moderne Baracken mit dem Nötigsten, Bett, Heizung, Nasszellen, Gemeinschaftsräumen, vielen Sozialarbeitern. Das alles kostet womöglich weniger, als die Folgen der Armut und wäre ein Vorzeigeprojekt.

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