Mens: «Mir grummelts im Bauch»

Letzte Woche schrieben wir einen Kommentar zu Gratis-Tampons in der Schule. Stossrichtung: Es gäbe gescheitere Wege, um die Periode zu enttabuisieren. Das sehen nicht alle so: Leserin Alessandra Widmer schrieb uns dazu eine saftige E-mail. Das ist ihr «Rant».

Bildschirmfoto 2020-09-17 um 11

«Soll der Staat die Regel regeln?» fragte Bajour letzte Woche. Hintergrund: ein Vorstoss der SP-Frauen Jessica Brandenburger und Miriam Locher. Sie fordern Gratis-Tampons in der Schule, um die Periode zu enttabuisieren. Biz lockerer mit der Mens umgehen – dafür ist auch Bajour zu haben. Aber statt einen Vorstoss einzureichen, würden Politiker*innen besser eine Kampagne starten. So lautet die Kurzusammenfassung des Bajour-Kommentars.

Leserin Alessandra Widmer stiess diese Haltung sauer auf. Sie schickte uns postwendend eine Replik und die Erlaubnis, ihr Mail abzudrucken. Voilà.

Liebe Menschen von Bajour

Ihr schreibt wirklich oft kluge, informative Artikel. Betont ein bizeli links und betont ein bizeli feministisch. Schön.

Jetzt gerade grummelt es mir aber im Bauch. Nicht nur, weil ich demnächst menstruiere, sondern wegen eurem letzten Erguss zu ebendiesem Thema.

«Richtig enttabuisieren», sollen «unsere» Politikerinnen doch bitte die «Wäähhh Mens» und ihr habt auch gleich ein paar Vorschläge in petto: Die Privatwirtschaft (die Tamponhersteller*innen) sollen es lösen. Und – zum Schluss – natürlich auch wieder die «Frauen*» (Zitat aus Erstfassung des Artikels, mittlerweile richtigerweise geändert zu «menstruierenden Menschen»).

Wow.

Lasst mich das hier bitte in aller Kürze mal kommentieren:

  1. Nicht nur (und auch nicht alle) Cis-Frauen menstruieren, sondern z.B. auch trans Männer und nonbinäre Menschen.
  2. Wenn ihr eine Kampagne zur Enttabuisierung der Menstruation planen wollt, nice! Aber ist das Journalismus, die eigenen, vermeintlich besseren Ideen, die da wer kurz gebrainstormt hat, gegen Ratsvorstösse von Politiker*innen auszuspielen? Ja, Kritik an den politischen Strukturen, ihren Vertreter*innen und Handlungen, die darf sein. Und ein politischer Vorstoss löst nicht alle Probleme, gerade bei so einem Tabuthema wie dem Bluten. Ihr sagt ja selbst: Es braucht Massnahmen auf verschiedensten Ebenen (Jungs, die auch mit dem Thema vertraut gemacht werden, fetzige Videos, und so weiter). Jetzt aber zwei feministische Politikerinnen in gehässigem Ton zu bashen, steht doch total quer zum gesamtgesellschaftlichen Tabubruch, den wir alle wollen.
  3. Die Aussage «Ein*e Indianer*in kennt keinen Schmerz» (sic) ist mal sicher kein witziger Werbegag, sondern eine kolonialrassistische Karl-May-Fantasie, die nicht von einem Gender-Stern ins 21. Jahrhundert geholt wird.
  4. Politiker*innen aller Couleur sagen jetzt in den Medien, da wären sie doch «eher für eine Senkung des Mehrwertsteuersatzes» (vgl. z.B. Pascal Messerli in der BZ), den ihr ja auch thematisiert habt. Wenn das mal nicht ein Win ist, weiss ich auch nicht. 

Also, gerne den Mund aufmachen zu diesen Themen, aber bitte lieber einen Tampon reinstecken, wenn ihr so unreflektiert verschiedene Strategien gegeneinander ausspielt.

Und jetzt: Rant over, ich geh meine Regel regeln.

Mit lieben Grüssen,

Alessandra 

Basel, wir müssen reden.
Bajour.

Nervt dich Bajour? Du kannst uns jederzeit schreiben unter [email protected]. Natürlich kannst du uns auch schreiben, wenn du was besonders gut findest (zwinker zwinker).

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