2024-11-28 Frage des Tages Toleranz-1 (3)

Müssen wir wieder lernen, auch andere Meinungen zu akzeptieren?

In Basel erhitzt die Causa Leila Moon weiter die Gemüter. Die DJ wurde von einer unabhängigen Jury für den Kulturförderpreis ausgewählt. Nachdem Kritik laut wurde an ihrer Israel-Kritik und dem Boykott eines Auftritts, an dem auch eine israelisch-amerikanische Band teilnehmen sollte, wurde die Vergabe vom Amt für Kultur auf Eis gelegt. Vor allem die Linke wehrt sich gegen eine politische Einflussnahme in die Vergabe des Preises. SVP-Grossrat Pascal Messerli stellt daraufhin im Bajour-Artikel die Frage, ob die Linke ähnlich reagiert hätte, wenn eine rechte Rockgruppe den Preis gewonnen hätte. Jurriaan Cooiman, Initiator und Begründer von Culturescapes, sieht die Frage von Messerli als eine «merkwürdige Spielerei» und er fragt sich, ob es zielführend ist, überhaupt darauf einzusteigen. Grünen-Grossrat und Mitglied der Bildungs- und Kulturkommission Béla Bartha findet es schade, dass die Diskussion immer wieder in die gleichen Schemata abrutsche. Eine intelligente und konstruktive Debatte hält er im Moment kaum für möglich. Stimmt das? Es stellt sich die Frage, wie tolerant und liberal wir gegenüber Andersdenkenden sind und wie hoch wir die Meinungsäusserungsfreiheit bei Aussagen halten, die uns politisch nicht passen.

737 Stimmen
Franziska Zambach
Franziska Zambach
Moderation
Top antworten
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Sacha Lüthi
LDP (1. Nachrückender KB), Polizist

Zuhören, dann akzeptieren, mit Stil und Respekt.

Der erste Schritt um andere Meinungen zu akzeptieren, wäre schon mal das Anhören der anderen Meinungen. Ich kann es nicht oft genug erwähnen. Der eigene Werdegang, das eigene Weltbild und vor allem das eigene Empfinden ist nie das Gleiche wie von jemand anderem. Jeder Mensch wurde anders geprägt, sei es durch Erfahrungen oder durch Vorbilder bzw. von denen die meinen sie seien es. Ist doch das Zuhören und der unvoreingenommene Dialog das spannende in zwischenmenschlichen Gesprächen. Darum sind reine Bubbles nicht nur sinnvoll. Denn die Sichtweisen sind in der Bubble oft die gleichen, die eigene Meinung wird immer wieder bestätigt und somit sinkt die Annahme von anderen Meinungen. Die eigene ist die einzig Richtige, es wird ja von allen so gesehen (Bubble). Dem ist nicht so. Ich liebe kontroverse Diskussionen, denn die öffnen den Horizont für beide Seiten. Und man kann an den Argumenten lernen ohne das man diese in allen Belangen teilen muss. So entstehen Kompromisse ;-)

Ueli Keller
28. November 2024 um 05:57

Der Welt wie sie ist, Stand halten.

Um zu Entscheidungen zu kommen, die zu für alle und für alles bestmöglichen Lösungen führen können, gilt es, gemeinsam mit allen meta-kommunikativ alle Aspekte einer Sache und herzhaft-friedvoll alle Gefühle zu berücksichtigen. Das geht nicht mit einem Links-Mitte-Rechts-Kampf oder einem Machtschach. Wer der Welt wie sie ist, ko-kreativ Stand halten möchte, braucht dafür eine 100 Prozent andere Politik.

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Graham Lancashire
27. November 2024 um 19:28

zu polarisierende fragestellung

diese ja nein fragestellungen werden der komplexität der geschichte nicht wirklich gerecht und sind meiner ansicht nicht zielführend.

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Julian Powell
Jurist

Weniger Empörung und mehr konstruktiver Dialog

Eine konstruktive Dialogkultur ist ein Fundament unserer demokratischen Gesellschaft. Ich denke, es würde uns gut tun, wenn wir mehr Bereitschaft aufbringen würden, um mit andersdenkenden Menschen zu reden, ihnen zuzuhören und ihre Sorgen ernst zu nehmen. Statt Anprangerung und Empörung plädiere ich für Empathie und Respekt.  Das Vorgehen in diesem Fall war sicherlich nicht optimal. Von allen Seiten wurde übertrieben. Dass die Künstlerin ein Konzert boykottiert, nur weil eine Band auftritt, die sich nicht explizit von gewissen politischen Ansichten distanziert hat, halte ich persönlich für eine merkwürdige und engstirnige Reaktion. Aber schlussendlich darf sie frei entscheiden, wo sie auftreten möchte. Dass nun diese eine Episode als antisemitisch dargestellt wird und deshalb eine Preisverleihung in Frage gestellt wird, scheint mir ebenfalls etwas weit hergeholt.

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Lucas Gerig
Bürgerrat der Stadt Basel

Die Grenzen der Toleranz richtig zu setzen ist schwierig...

Da sagt „Paradox der Toleranz“ des Philosophen Karl R. Popper: „Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn [...] wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“ Im vorliegenden Fall festzulegen, ob die spezifische Intoleranz der Künstlerin nicht geduldet oder noch geduldet werden kann, darüber wird man je nach Sichtweise unendlich lange debattieren können. Sie liegt in der "Grauzone", ihre Intoleranz ist fragwürdig, aber noch nicht gemeingefährlich. Die Preisvergabe ist verkachelt, ob man den nun noch gibt oder nicht. Da er nun schon vergeben ist, würde ich ihn ohne Feier per Post zusenden. Dann können wir uns weiteres hässiges Geplänkel zwischen links und rechts ersparen ...

Christoph Müller
28. November 2024 um 09:49

Vergiftete Debatte

Ja, die Debatte ist vergiftet, weil über allen Fragen, die den Staat Israel, seine Regierung und seine Politik betreffen, das Damoklesschwert der Antisemitismuskeule schwebt. An diesem Verhängnis haben der israelische Staat und insbesondere seine derzeitige Regierung allerdings einen grossen Anteil, indem sie die Vermischung von Staat und jüdischer Religion nicht nur zulassen, sondern effektiv praktizieren. Deshalb ist es kaum möglich, die israelische Politik zu kritisieren, ohne sich dem Vorwurf des Antisemitismus auszusetzen. Für Medien und Kulturinstitutionen ist es schwierig, sich hier nicht instrumentalisieren zu lassen — etwa von einer SVP, die auf solchen Minenfeldern gerne ihre eigenen Süppchen kocht. Was also tun? Ignorieren geht nicht, aber wer in die Debatte einsteigt, hat schon einen Fuss in der Falle. Am besten also wachsam sein, aufklären, Distanz wahren und nicht mithelfen, die Süppchen hochzukochen. So gesehen, ist die Haltung der Basler Kulturbehörde verständlich.

porträt betschart klein
Hansjörg Betschart
Regisseur

Man muss nicht immer anderer Meinung sein, um seine Meinung zu ändern.

Ich lasse mal Patrick Süskind antworten: »Das Denken ist eine zu schwierige Sache, als dass jedermann darin herumdilettieren dürfte.« Er - so mein Freund - würde sich auch nicht hinsetzen und die Hammerklaviersonate herunterspielen. Weil er das nicht kann. Aber jedermann glaubt, dass er denken kann, und denkt zügellos drauflos, das ist der große Fehler heutzutage, sagt mein Freund, darum passieren diese Katastrophen, an denen wir noch zugrunde gehen werden, alle miteinander. Und ich denke: Er hat recht.

Urs Iberg
28. November 2024 um 10:27

Gratis Werbung

Das ganze Theater ist in erster Linie Gratiswerbung für die schlaue Künstlerin. Urs Iberg

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