Interpellation: Gibt es ein politisches Vetorecht?
Seitdem die Preisverleihung des Kulturförderpreises vorerst abgesagt ist, wird die Causa Leila Moon kontrovers diskutiert. Auch für Basta-Grossrat Oliver Bolliger ist das Thema nicht vom Tisch, er hat eine Interpellation eingereicht und will unter anderem wissen, wie die Kulturförderung besser vor politischen Kampagnen geschützt werden kann.
Ist die vorläufige Sistierung der Preisverleihung an die Basler Künstlerin DJ Leila Moon ein politischer Entscheid oder nicht? Diese Frage erhitzt die Gemüter. Nur einen Tag nachdem die Entscheidung bekannt gegeben wurde, legte das Amt für Kultur die Vergabe auf Eis. Dies auch, weil die SVP die Nominierung von Leila Moon kritisiert und eine Interpellation eingereicht hatte. Kritisiert wurden pro-palästinensiche Statements der Künstlerin aus Social Media und ihr Boykott eines Konzerts in Bern, an dem auch die israelisch-amerikanische Band Yemen Bluesauftreten sollte. Leila Moon hatte mit der Begründung abgesagt, die Band habe sich nicht ausdrücklich von der israelischen Siedlungspolitik und von der Kriegsführung im Gaza-Krieg distanziert.
«Es handelt sich um eine Kurzschlussreaktion aufgrund des politischen Drucks.»Oliver Bolliger, Basta-Grossrat
Basta-Grossrat Oliver Bolliger hinterfragt die Absage der Preisverleihung nun in einer Interpellation. Seiner Ansicht nach ist dieser Entscheid, nur einen Tag, nachdem die Interpellation eingereicht wurde, «demokratiepolitisch ein sehr fragwürdiges und hoch problematisches Vorgehen». Zu Bajour sagt er: «Ich habe mich vor allem über die Dynamik erschrocken, die die Angelegenheit innerhalb von Stunden angenommen hat». Dass der Entscheid ein politischer sei, ist für ihn klar, denn «ohne die Interpellation der SVP hätte die Preisverleihung stattgefunden». Er spricht von einer «Kurzschlussreaktion» aufgrund des politischen Drucks.
«Ein Boykott in dieser Szene hat eine antisemitische Komponente.»Pascal Messerli, SVP-Grossrat
Für SVP-Grossrat Pascal Messerli ist der Entscheid ganz und gar nicht politisch, er fragt: «Wenn eine rechte Rockgruppe diesen Preis gewonnen hätte, hätte Rot-Grün dann auch gesagt, die Politik solle sich nicht einmischen?» Von einer Kurzschlussreaktion könne keine Rede sein, so Messerli: «Ich glaube, es war den Verantwortlichen gar nicht bewusst, was Leila Moon in den sozialen Medien teilt.» Insofern könne man der Jury und auch dem Präsidialdepartement vorwerfen, dass sie im Vorhinein nicht genügend Abklärungen getroffen haben. «Dass man dann trotzdem kurzfristig reagiert und die eigene Entscheidung infrage stellt, ist legitim und richtig.» Seiner Meinung nach hat Leila Moon mit dem Boykott jüdischer Musiker*innen ganz klar eine Grenze überschritten. Er sagt: «Man darf Israel und Netanyahu kritisieren, man darf für Frieden sein, aber ein Boykott in dieser Szene hat eine antisemitische Komponente.»
Bollinger verweist darauf, dass die unabhängige Fachjury die zehnjährige künstlerische Arbeit von DJ Leila Moon habe auszeichnen wollen und die Entscheidung aus verschiedenen Blickwinkeln und Gründen gefällt habe. «Es kann nicht sein, dass einer einzelnen Partei oder einem Regierungsrat de facto ein Vetorecht für die Preisvergabe von Kulturpreisen eingeräumt wird», schreibt Bolliger in seiner Interpellation.
«In meinem Tweet werfe ich niemandem Antisemitismus vor.»Conradin Cramer, Regierungspräsident
Er möchte von der Regierung wissen, ob die unabhängige Fachjury im Vorfeld der Absage angehört wurde und Stellung beziehen konnte. Wenn ja, was war die Position der Fachjury? Ausserdem hinterfragt er, ob der gesamte Regierungsrat hinter der Entscheidung stand, die Kulturpreisverleihung auszusetzen, oder ob Regierungspräsident Conradin Cramer dies im Alleingang entschieden hat. Cramer hatte direkt nach dem Entscheid auf X gepostet: «Antisemitismus darf in keiner Form toleriert werden. Nie. Ich bin froh, dass die Vergabe des Kulturpreises überprüft wird.» Auf Nachfrage sagte er damals zu Bajour: «In meinem Tweet werfe ich niemandem Antisemitismus vor. Es war mir wichtig, in Zusammenhang mit den Diskussionen um die Vergabe des Kulturförderpreises meine Grundhaltung öffentlich in Erinnerung zu rufen: Antisemitismus darf nicht toleriert werden.»
Aufgrund der aktuellen Vorgänge stellt sich für Grossrat Bolliger die Frage, wie unabhängig die Jury tatsächlich ist. Er fragt auch danach, ob sie den Entscheid darüber, ob der Fall neu beurteilt wird oder nicht, nun selbst selbst fällen kann. Conradin Cramer nimmt im Vorfeld keine Stellung zur Interpellation. Melanie Imhof, Leiterin Kommunikation im Präsidialdepartement sagt: «Der Sachverhalt wird nun sorgfältig überprüft. Dazu gehört auch, die Künstlerin anzuhören und mit der Jury das Gespräch zu führen. Diese Abklärungen werden einige Zeit in Anspruch nehmen.»
«Welche Massnahmen trifft die Abteilung Kultur, um künftig die Basler Kulturförderung besser vor politischen Kampagnen zu schützen?»Oliver Bolliger, Basta-Grossrat
Ob der Preis letztendlich an Leila Moon vergeben wird oder nicht, ist offen. In einem Offenen Brief an Conradin Cramer und Kulturchefin Katrin Grögel solidarisieren sich mittlerweile mehr als 4300 Personen mit Leila Moon, auch Bolliger hat zusammen mit anderen Basta-Grossrät*innen unterschrieben. Was aber würde eine etwaige Absage für die Künstlerin bedeuten? Grossrat Bolliger fragt in seiner Interpellation, was die Abteilung Kultur und das Präsidialdepartement planen, um die Künstlerin vor den negativen Konsequenzen zu bewahren. Und er stellt für die Zeit danach die Frage, die wie ein Elefant im Raum steht: Welche Massnahmen trifft die Abteilung Kultur, um künftig die Basler Kulturförderung besser vor politischen Kampagnen zu schützen?
Seine Interpellation wird an der nächsten Sitzung des Grossen Rats am 11. Dezember traktandiert und er sagt: «Ich werde sie sicher begründen.» Ob die Fragen dann gleich mündlich oder später schriftlich beantwortet werden, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass der Grosse Rat über das Thema diskutieren wird, da die Interpellation der SVP gegen die Preisvergabe ebenfalls in der Sitzung auf dem Programm steht.