Die steigenden Krankenkassenprämien beschäftigen die Schweizer*innen. In einer Tamedia-Umfrage vom Juli werden die Gesundheitskosten als drängendstes Problem genannt – und das von Wähler*innen aller Parteien. So erstaunt es auch nicht, dass alle grossen Parteien mit Reformvorschlägen fürs Krankenkassensystem aufwarten – mal mehr, mal weniger radikal. Jüngstes Beispiel: Die Zürcher SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, welche die Abschaffung des Krankenkassenobligatoriums vorschlägt. Auf der anderen politischen Seite steht der Vorschlag der SP: Die Partei will eine Initiative für eine Einheitskasse prüfen. Die FDP hingegen möchte eine Wahlmöglichkeit für eine «Krankenkasse light» einführen. Und die Mitte will mit einer «Kostenbremse» verhindern, dass die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen.

2023-08-29 Frage des Tages-1 (2)

Muss die Krankenkasse radikal umgebaut werden?

Die steigenden Krankenkassenprämien beschäftigen die Schweizer*innen. In einer Tamedia-Umfrage vom Juli werden die Gesundheitskosten als drängendstes Problem genannt – und das von Wähler*innen aller Parteien. So erstaunt es auch nicht, dass alle grossen Parteien mit Reformvorschlägen fürs Krankenkassensystem aufwarten – mal mehr, mal weniger radikal. Jüngstes Beispiel: Die Zürcher SVP-Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli, welche die Abschaffung des Krankenkassenobligatoriums vorschlägt. Auf der anderen politischen Seite steht der Vorschlag der SP: Die Partei will eine Initiative für eine Einheitskasse prüfen. Die FDP hingegen möchte eine Wahlmöglichkeit für eine «Krankenkasse light» einführen. Und die Mitte will mit einer «Kostenbremse» verhindern, dass die Gesundheitskosten im Vergleich zur Lohnentwicklung zu stark steigen.

2074 Stimmen
Michelle Isler
Michelle Isler
Moderation
Top antworten
David Taucher
29. August 2023 um 05:11

Unpragmatische Wahlkampf-Parolen

Die Einheitskasse, ähnlich dem fragwürdigen Vorschlag von Frau Rickli, krankt in der Praxis oft an der gleichen Schwäche: einem Zwei-Klassen-Gesundheitssystem.

Ich habe selbst in einem Land mit Einheitskasse gelebt. Das Ergebnis war enttäuschend: lange Wartezeiten, Ärztemangel und eine flüchtige Behandlung bei Arztbesuchen. Man könnte argumentieren, dass dies auch in der Schweiz der Fall ist, aber meine Erfahrung zeigt, dass diese Probleme dort deutlich gravierender waren. Wer es sich leisten konnte, hat einfach eine Zusatzversicherung abgeschlossen und konnte dadurch auf ein funktionierendes System zugreifen. De facto handelte es sich um ein Zwei-Klassen-System.

Vielleicht können wir es in der Schweiz besser machen, aber angesichts der schwachen, vom Wahlkampf gezeichneten Vorschläge ist das schwer vorstellbar.

Franco
29. August 2023 um 04:33

Ursachen der hohen Kosten angehen

Ja, die immer steigenden Krankenkassenprämien müssen wir mit radikalen Ansätzen in Griff bekommen. Es kann nicht sein, dass diese Jahr für Jahr extrem steigen. Aber grundsätzlich müssen wir nicht (nur) das Symptom bei den Krankenkassenprämien angehen, sondern eben die Ursachen bekämpfen. Und das ist bestimmt nicht einfach, da die Ursachen sehr spezifisch sind. Aber wir müssen dort ansetzen, wo die Kosten entstehen, also z.B. dass wir womöglich viel zu viele immer teurer werdende Leistungen beziehen (gesamtgesellschaftlich). Ich hab mich persönlich noch nicht tiefgehend damit beschäftigt, aber die Politiker:innen gehen dieses Problem hoffentlich systemisch an und machen nicht Pflästerlipolitik.

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Johannes Sieber
Grossrat GLP

Kosten runter!

Es ist keine grundsätzliche Systemänderung nötig. Über die Prämienverbilligung unterstützen wir gezielt Haushalte, die sich die Prämien nicht (mehr) leisten können. Diese effektive Massnahme kann justiert werden. Wir müssen die Kosten in den Fokus nehmen. Diese müssen runter. Und: Anspruch auf Original statt Generika ist definitiv Zusatzversicherung. Niemand braucht das.

Samira Marti
Samira Marti
Nationalrätin SP BL

Krankenkasse mit einkommensabhängigen Prämien

Die Krankenkassenprämien sind für grosse Teile der Bevölkerung ein Problem. Im September droht ein erneuter Prämienschock. Doch die Lösung dafür ist keine Zweiklassenmedizin, sondern weniger Krankenkassen-Lobbyisten in Bern, tiefere Medikamentenpreise und mehr Prämienentlastungen für tiefe und mittlere Einkommen und die Familien. All diese Forderungen werden – unter anderem von der SVP – im Parlament seit Jahren blockiert. Die Abschaffung des Obligatoriums würde uns in amerikanische Verhältnisse führen – Familien, die auf Arztrechnungen sitzen bleiben, Menschen, die aus finanziellen Sorgen auf notwendige Behandlungen verzichten. Die Lösung ist eine öffentliche Krankenkasse mit einkommensabhängigen Prämien. Eine Kopf-Prämie, bei der der Manager genau gleich viel bezahlt wie die Pflegefachfrau, ist nicht richtig.

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Fleur Weibel
Grossrätin GRÜNE

Ein gerechtes System, mit Beiträgen abhängig vom Einkommen

Die hohen Gesundheitskosten sind ein grosses Problem, sie steigen seit Jahren und belasten die Haushalte übermässig. Es ist richtig, dass das derzeitige System der Krankenkassen ungenügend ist und reformiert werden muss. Eine Abschaffung (SVP) des Krankenkassen-Obligatoriums, wie es die SVP fordert, wäre aber brandgefährlich (siehe USA). Statt dessen muss die Solidarität und die soziale Vertäglichkeit in der Krankenversicherung gestärkt werden, indem die obligatorischen Prämien abhängig gemacht werden vom Einkommen und anstelle des heutigen wettbewerbsorientierten Krankenkassenmarktes eine öffentliche Krankenkasse eingeführt wird.

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Lisa Mathys
Grossrätin und Präsidentin SP BS

Den Umbau braucht es - weg vom Wettbewerb!

Eigentlich brauchen wir ja nur zu überlegen, wie viele Verwaltungsratsmandate und wie viel Marketing heute mit den Prämien von uns allen bezahlt werden, um zu merken, dass wir das nicht wollen. Die Krankenkassen buhlen um die möglichst gesunden zu Versichernden, die (möglicherweise) Kranken will selbstredend niemand. Und diesen unsolidarischen Wettbewerb haben wir alle nolens volens auch noch mitzufinanzieren. Das ist ein falscher Markt. Um daran etwas zu ändern, muss dieser unselige Wettbewerb weg. Eine solidarische öffentliche Krankenkasse für alle wäre der richtige Weg. Ganz sicher nicht eine Zweiklassen-Medizin, wie sie nun in verschiedenen Facetten den Bürgerlichen vorschwebt.

Harald
29. August 2023 um 01:11

Ewiges Geplänkel

Keine Diskussion (und schon gar nicht im Vorwahlkampf) wird die Tatsache ändern, dass Appenzell-Ausserrhodner, Schwyzer, und sonstige Rosinenpicker nur einen Bruchteil der Krankenkassenprämien der Städter zahlen müssen (und wollen). Wir brauchen keine Einheitskrankenkasse, wir brauchen eine Einheitsgrundprämie für alle Grundversicherten. Das ginge nur über das Ständemehr, und das können wir bei den Rosinenpicker-Kantonen vergessen.

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Oliver Bolliger
Grossrat BastA! / Sozialarbeiter

Die soziale einkommensabhängige Einheitskasse ist längst überfällig!

Die steigenden Krankenkassenprämien sind nicht mehr zumutbar - es braucht dringend eine radikale Kehrtwende und dies geht nur über eine einkommens- und vermögensabhängige Einheits-Krankenkasse. Das ganze Märchen von einem Markt in dem die Konkurrenz zu besseren Angebote führt, gehört in die neoliberale politische Mottenkiste. Kinderreiche Familien bezahlen mehr für die Krankenkasse als für die Miete und dies obwohl die höchsten Franchisen gewählt wurden. Es reicht schon lange nicht mehr einfach mit kantonalen Prämienverbilligungen das "kranke" System weiter zu subventionieren. Neben der sozialen Einheitskasse braucht es mehr staatliche Regulierungen, weniger Konkurrenz unter den Spitälern, gemeinsames Planen, Abschaffung der kostentreibenden DRG, eine bessere Grundversorgung, keine Geheimverhandlungen mit der Pharma über Medikamentenpreise und eine konsequente Ausrichtung auf den Bedarf anstatt auf mögliche Profitraten. Es gibt also einiges zu tun, der Markt wird es nicht regeln.

Alex Schneider
29. August 2023 um 08:59

Krankenkassenprämien: Zeit für eine neue Gesundheitspolitik

Statt die Prämien weiter staatlich zu verbilligen oder zu deckeln, wie das die Linke möchte, ist es höchste Zeit, die Kosten des Gesundheitswesens zu reduzieren. Eine solche Reduktion muss selbstverständlich zu Lasten aller Player gehen. Konkrete Vorschläge liegen schon längst vor. Es braucht jetzt ein mehrheitsfähiges Sanierungspaket.

Ueli Keller
29. August 2023 um 07:30

Krankheiten als Geschäft

Ist es nicht so, dass Krankenkassen dazu dienen, das Geschäft mit den Krankheiten zu bewirtschaften: Und dies auch hier nach dem Wachstumsprinzip „Immer-noch- mehr“ bis zum Geht-nicht-mehr? Solange dieses Muster allgemein gilt, dürfte es auch bei den Krankenkassen gelten. Es braucht einen grundsätzlichen Wirtschafts-System-Wandel: Alles andere ist und bleibt Symptombekämpfung.

Michael Hug
Michael Hug
Grossrat LDP

Kleinere Anpassungen notwendig

Das heutige System hat keinerlei Spar-Anreize. Es müssen die Patientinnen und Patienten künftig vermehrt in die Verantwortung genommen werden. Gleichzeitig darf an der solidarischen Ausgestaltung nicht gerüttelt werden. Dieser Ausgleich ist zentral verankert in unserer Gesellschaft.

Raoul Furlano
Arzt

Faire Krankenversicherung für Alle

Das Singapur Modell zielt darauf ab, die finanzielle Belastung durch Gesundheitsausgaben zu reduzieren und gleichzeitig die individuelle Verantwortung zu fördern. Es kombiniert staatliche Absicherung für grundlegende medizinische Bedürfnisse mit privaten Optionen für zusätzliche Abdeckung. Dieses Modell hat dazu beigetragen, die Gesundheitskosten zu kontrollieren und den Zugang zu medizinischer Versorgung zu gewährleisten, warum soll das in der CH nicht möglich sein? Ich würde mich in Bern dafür einsetzen und zwar jetzt.

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Elisabeth Schneider-Schneiter
Nationalrätin

Wir brauchen eine Kostenbremse im Gesundheitswesen

Die SP belastet mit ihrer Einheitskasse die öffentlichen Finanzen und die SVP befürwortet mit der Abschaffung der obligatorischen Krankenversicherung eine Zweiklassenmedizin. Keiner dieser Vorschläge bremst die Kostenexplosion. Nur Die Mitte setzt sich dafür ein. Wir brauchen eine Kostenbremse.

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Sarah Wyss
Nationalrätin

Der Vorschlag einer brandgefährlichen Zwei-Klassen-Medizin

Die Last der Krankenkassenprämien ist zu gross. Doch das Obligatorium abzuschaffen, ist brandgefährlich. Was wir brauchen ist eine gerechte Finanzierung der Gesundheitskosten und keine Zweiklassen-Medizin! Wir brauchen endlich ausgebaute Prämienverbilligung. Genau dafür setzen wir uns ein! Mittelfristig brauchen wir einkommensabhängige Krankenkassenprämien.

Nebst der Kostenverteilung können wir das Kostenwachstum auch dämpfen, indem finanzielle Fehlanreize abgebaut werden und die Prävention gestärkt wird. Aber ein Abbau der Gesundheitsversorgung ist weder notwendig noch zielführend. Gesundheit ist ein service public.

Roger Stalder SVP-Grossrat
Roger Stalder
Grossrat SVP

Jeder muss sich selber an der Nase nehmen

Wenn man die Prämien wirklich senken will, geht dies nur über einen Abbau der Leistungen. Darum ist die Idee von Frau Rickli gar nicht so abwegig. So könnte jeder Versicherungsleistungen für sich selber zuschneiden. Die Bevölkerung hat aber in den letzten 20 Jahren immer Nein zu Senkungen der Leistungen gesagt. Da muss sich jeder selber an der Nase nehmen, sprich, nicht immer ist die Politik Schuld.

Jessica Brandenburger, Co-Präsidentin SP Basel-Stadt
Jessica Brandenburger
Grossrätin SP

Eine Krankenkasse für die Menschen, nicht die Profite

Ja, ich bin der Meinung, dass unser aktuelles Krankenkassensystem umgebaut werden muss. Aber nicht so, wie es etwa Natalie Rickli vorschlägt, hin zu amerikanischen Verhältnissen, wo sich nur noch Reiche eine medizinische Behandlung leisten können, während alle andere auf eine Behandlung verzichten oder sich verschulden müssen. Ich bin der Meinung, dass Krankheit nicht zum Armutsrisiko werden darf. Deshalb müssen die Krankenkassenprämien gesenkt werden. Zum einen braucht es dafür eine Ausweitung der Prämienverbilligungen und kostendämpfende Massnahmen wie z.B. eine Vermeidung von Überversorgung. Das Krankenkassen Gewinn machen und Boni auszahlen dürfen, finde ich absurd. Wir müssen hin zu einem System, in dem die Krankenkassen für die Menschen da sind, und nicht um Profit abzuwerfen.

Sibel Arslan, Nationalraetin GP-BS, portraitiert am 10. Dezember 2019 in Bern. (Foto Parlamentsdienste)
Sibel Arslan
Nationalrätin Grüne Basel-Stadt

Die ständig steigenden Krankenkassenprämien sind für weite Teile des Mittelstandes zu einer grossen finanziellen Belastung geworden. Pflästerlipolitik reicht heute nicht mehr aus, wir brauchen einen grundsätzlichen Systemwechsel. Aber sicher nicht so, wie dies die SVP und die FDP mit der Abschaffung des Krankenkassenobligatoriums oder einer Krankenkasse light fordern. Gesundheit würde damit zum Privileg für die Reichen. Wir andern müssten, wenn wir krank werden, entweder auf eine Behandlung verzichten oder uns verschulden. Solche US-amerikanischen Verhältnisse müssen wir unbedingt verhindern.

Das Problem liegt anderswo, nämlich bei der unsozialen Finanzierung des Gesundheitswesens. Heute zahlt die Migros-Verkäuferin nämlich gleich hohe Krankenkassenprämien wie die Bankdirektorin. Darum schlagen wir vor, die unsozialen Kopfprämien abzuschaffen und stattdessen einkommensabhängige Prämien einzuführen. Bei der AHV kennen wir bereits ein ähnliches System. Und gleich wie bei der AHV würde auch bei diesem Vorschlag ein Grossteil der Bevölkerung profitieren.

Paul Hofer
lic rer pol

Zu viele Spitäler

Es ist einfach - wir müssen uns von der Idee verabschieden, dass alle Menschen in der Schweiz innerhalb von 15 Minuten in einem Spital sein können - wir haben rund 300 Spitäler, eigentlich müssten für eine 10 Millionen Schweiz 200 Spitäler reichen - das wird Kosten reduzieren, den Fachpersonalmangel auch erheblich lindern!

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