Jung, wild und sehr gesucht
Der Dupf-Club sucht händeringend nach Nachwuchs, aber will vorerst nicht über eine Öffnung reden. Zieht ausgerechnet die Tradition den Traditionalisten den Stecker? Zu Besuch bei der Jungen Garde.
Nach Nachwuchsproblem sieht das erst einmal nicht aus, was uns da vor dem Cliquenkeller des Dupf-Club im Pfeffergässlein erwartet. Zwölf oder fünfzehn Rabauken sausen schreiend durch die Gasse vor und zurück und schmeissen Räppli auf alles, was sich bewegt. Als sie hören, dass die Journaille da ist, um ein paar Fragen zur Nachwuchsabteilung der Clique zu stellen, gibt es kein Halten mehr:
«Frag mich», schreit einer, «ich bin jung!»
Ein anderer ruft: «Nein, frag mich, meine Mutter ist in der SP»
Offenbar weiss die Jugend in dieser Gasse, wie man die Medien rankriegt, es geht aber noch weiter. Ein dritter, immer näher heranrückend, schreit:
«Mein Götti ist Regierungsrat!»
Dann, der Reporter hat längst ergeben die Hände in die Luft gestreckt, ruft der Vierte, in der Faust eine Handvoll Räppli:
«Wenn du mich nicht interviewst, dann stopf ich dich!»
Cliquen und Guggen leiden unter einem Nachwuchsproblem, heisst es. Die Pandemie hat die Lage verschärft, weil die zwei Pausenjahre eine Lücke in den streng getakteten Fasnachts-Jahreskalender gerissen haben. Regelmässige Anlässe sind wichtig, um die Motivation hoch zu halten und den Spirit zu pflegen. Max, einer der Jungen und seit vier Jahren in der Jungen Garde des Dupf-Clubs, sagt es so: «Während Corona wusste ich irgendwann nicht mehr, für was ich überhaupt übe.»
Der Dupf-Club ist eine traditionsreiche Clique, man kennt sie in der Stadt. Trotzdem fehlt es der Jungen Garde an Nachwuchs. Aktuell sind es, inklusive Schnupperkandidaten, zirka 20. Die meisten davon sind noch zu jung fürs Spiel, sie toben im Vortrab voraus, darum fehlt die musikalische Power. Bei Märschen müssen regelmässig ein paar ältere Pfeifer aus dem Stamm aushelfen. Das sei schade, sagt Luca Bezzola, Obmann der Jungen Garde. «Es ist wichtig, dass die Kinder untereinander Fasnacht machen können».
Nachgefragt bei Rik (11), Max (9) und Emil (9). Warum macht ihr Fasnacht?
«Wegen dem Zusammensein. Wegen dem Quatschmachen. Wegen dem Fussballspielen mit leeren Pet-Flaschen auf der Strasse bis um zehn am Abend. Wegen dem Stopfen. Weil wir ins Restaurant gehen und einfach bestellen dürfen, auf was wir grad Lust haben.»
Und eure Freund*innen, machen die auch Fasnacht?
Max und Rik sagen, aus ihrer Klasse macht nur noch jemand anderes Fasnacht. Max: «Bei uns hats viele Amerikaner, die kennen das nicht so.» Und Rik sagt: «Als ich sieben Jahre alt war, habe in der Schule immer geblöfft, dass ich beim Dupf-Club bin und dann wollten auch viele mitmachen. Aber das hat nicht lange angehalten.»
Warum nicht?
«Man muss jede Woche einmal üben», sagt Emil, «darauf haben viele keine Lust. Ausserdem muss man erst ein paar Jahre Vortrab machen, bevor man ins Spiel darf. Dann brauchts halt Geduld. Ich hab viele Freunde, die nicht geduldig sind. Ich bin auch nicht geduldig.»
Und störts euch nicht, dass keine Meitli bei euch dabei sind?
«Nein!» Rufen alle im Chor. «Das ist gut! Meitli nerven!»
Steht sich die Tradition selber im Weg?
Der Dupf-Club ist eine reine Männerclique. Früher waren Frauen ebenfalls Teil des Zugs, aber nur im Vortrab. Das sei damals üblich gewesen, sagt Junge-Garde-Obmann Luca Bezzola. Irgendwann seien die Frauen ausgeschlossen worden, heute sind eben nur noch Männer.
Warum ist das heute noch so?
«Das ist eine ganz schwierige Frage», sagt Bezzola. Eine Diskussion darüber führe man innerhalb der Clique nicht offiziell, dabei liegt sie eigentlich auf der Hand. Die Diskussion nämlich: Soll sich die Clique für andere Geschlechter öffnen? Dafür gäbe es Argumente, aber dagegen gebe es ebenfalls starken Widerstand, sagt Bezzola. Ein Grund sei die Tradition. Ein anderer die Stimmung.
Welche Stimmung?
Bezzola: «Na, die Stimmung ist nun einmal eine besondere. Dass die Männer unter sich sind.»
Er selber sei unentschieden, was diese Frage angeht, sagt Bezzola. Er könne den Wunsch nach dem Aufrechthalten der Tradition absolut verstehen. Aber er würde sich der Diskussion über eine Öffnung nicht verweigern.
Dabei könnte die Geschlechterdebatte zu einer existenziellen Frage werden. Denn der Dupf-Club hat zwar wenig Nachwuchs, aber noch mehr mangelt es ihm an Pfeifer*innen. Und die Jungs, so zeigt sich mindestens im Nachwuchs des Dupf-Clubs, wollten nun einmal lieber zunächst Trommeln.
So erzählen das auf jedenfalls die Jungs des Dupf-Clubs auf die Frage, wie sie ihr Instrument gewählt haben. Vorbilder spielen da offenbar eine grosse Rolle. Sie wollen Trommeln, weil auch die Brüder und der Vater und der Opa trommeln. Das Weitergeben einer altehrwürdigen Tradition könnte damit, so liesse sich das paradoxerweise beschreiben, zu einem Versiegen ebendieser Tradition führen.
Weil wenn Männer eher trommeln und damit jungen Tambouren zum Vorbild werden, dann kann es vorkommen, dass einer reinen Männerclique über kurz oder lang die Piccolos fehlen.
Luca Bezzola weiss das und hat darum für April eine Rekrutierungs-Offensive geplant. Es sollen Veranstaltungen und Aktionen stattfinden und Bezzola hofft, dass der bekannte Name des Dupf-Clubs in der Stadt weiterhin auf Anklang stösst und dabei auch junge Pfeifer anlockt. Vorerst werden dafür weiterhin nur Buben gesucht.