Amüsanter Krach im Theater

Streit herrscht in der neuen Produktion des jungen theater basel, wie auch im Theater Basel selbst. Es sind zwei herausragende Produktionen, die auf ganz unterschiedliche Weise das zwischenmenschliche Konfliktpotential erforschen.

theaterbasel1
Die Streihähne in «Amore United» mit der bezweifelten Mediatorin im Vordergrund (Lorenzo Mailolino Julie Ilunga und Charlotte Lüscher). (Bild: junges theater basel)

Schwierig ist sie, diese Welt. Da kommt man nach einem eigentlich wunderbar stimmigen Theaterabend im jungen theater basel nach Hause, setzt sich an den Computer, um über die Produktion zu schreiben. Im Hinterkopf spielt auch die Erinnerung an den Abend davor, an ein Schauspielfest auf der Kleinen Bühne des Theater Basel mit. Beide Male geht es um Krach und Streit, auf ganz unterschiedliche Art, aber bei beiden Produktionen auf kluge Weise, witzig und zum Nachdenken anregend.

Auf einer sehr psychologisch eingeschränkten Pear-to-Pear-Ebene halt eben.

Am Radio meldet der Nachrichtensprecher den Ausbruch neuer und schrecklicher Konflikte im Sudan. Nun gut, andere Ebene und weit weg. Der hier Berichtende sieht sich aber vor der Aufgabe, am Sonntag im Pikett-Dienst einen journalistischen Blick auf das konfliktreiche Zusammentreffen von ausgeschlossenen Fussball-Ultras aus Basel und Bern beim Meisterschaftsspiel der beiden Mannschaften zu werfen.

Eingepflanztes Konfliktpotenzial

Es wäre eine wundersame Fügung, wenn dies ohne handfesten Krach funktionieren könnte. Denn dieses Konfliktpotenzial ist uns Menschen irgendwie eingepflanzt.

Und genau darum geht es in diesen Theaterprojekten. Das junge theater basel zeigt «Amore United». Und spielt alles andere, was dieser Titel – er geht offenbar von einer gleichnamigen schwedischen Initiative aus – suggeriert respektive die so verständnisreiche und sympathische Klassenmediatorin mit Megaphon im Projekt zu vermitteln versucht. Da sind zwei Jugendliche, die sich in einen handfesten Krach hineinmanövriert haben. Handfest im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie hat ihm eine Gabel in den Handrücken gerammt. Das hätte ohne Versöhnung die Wegweisung aus der Schule zur Folge.

In der Produktion des jungen theater basel entwickelt sich ein Reigen der Konflikte, wie wir ihn doch eigentlich alle kennen: Ich – oh nein - habe nicht angefangen, du bist blöd und schuld und so weiter. Es sind Mechanismen, die Schüler*innen im Real Live genauso oder sehr viel intensiver erleben wie wir alten Zuschauenden. Und genau an diese jungen Menschen richtet sich die Produktion.

theater2
Handfeste Auseinandersetzungen beim «Streit» im Theater Basel mit Fabian Dämmich, Antionette Ullrich und Marie Löcker. (Bild: Ingo Höhn)

«Amore United» von Lucien Haug ist als Klassenzimmer-Produktion gedacht. Man stelle sich vor, es ist vermeintlich normaler Unterricht in einer Sekundarschulklasse, und plötzlich platzen die drei Figuren rein und halten den Schüler*innen einen Spiegel der eigenen Konfliktlandschaften vor die Augen. Keine Frage, dass es dem an der Premiere sehr direkt und authentisch auftretenden Darsteller*innen-Trio mit Charlotte Lüscher, Julie Ilunga und Lorenzo Mailolino gelingen wird, sich dem Zielpublikum in die Herzen und Nieren zu spielen.

Das eingeweihte Premierenpublikum im künstlerischen Klassenzimmer im jungen theater basel hatten sie auch ohne Überraschnungseffekt im Sack.

Vom Klassezimmer auf die Theaterbühne

Ganz anders präsentiert sich beim gleichen Thema das Setting der Produktion von «Der Streit» auf der Kleinen Bühne des Theater Basel. Hier hat der niederländische Regisseur Jetse Batelaan einen durch und durch künstlerisch überhöhten und choreografisch fulminant zusammengesetzten «Streit»-Reigen inszeniert, der einem den Atem stocken lassen liesse, wenn es nicht so viel zu lachen gäbe.

Zwei Schauspielerinnen (Antionette Ullrich und Marie Löcker) und ein Schauspieler (Fabian Dämmich) wirbeln sich auf einer sich ins Elend und in die absolute Katastrophe hineindrehenden Bühne in einen irrwitzigen und clownesken Streit-Reigen hinein, der bis zur kollektiven Kotz-Orgie keine Grenzen kennt. Es ist eine Produktion, die Kinder ab sechs Jahren und Erwachsene gleichermassen aufwühlt und in der Selbsterkenntnis – so blöd lassen wir uns auch in Streit hineinziehen – auch köstlich amüsieren lässt.

Aber was nun mit der Schwere des Weltgeschehens? Da kann das Theater so wenig ausrichten – leider wie offenbar die internationale Politik. Aber das Theater kann in den ganz banalen Alltag von uns allen eingreifen. Kann uns, wie in den beiden besprochenen Produktionen gleichsam amüsieren und persönlich auch aufwühlen. So grossartig und wichtig kann Kunst sein.

«Amore United» geht jetzt in die Klassenzimmer, ist aber bis im Mai auch hin und wieder öffentlich im jungen theater basel zugänglich. Und «Der Streit» im Theater Basel ist noch dreimal im Mai zu sehen.

Dominique_Spirgi
Dominique Spirgi goes Bajour.

Dominique Spirgi ist langjähriger Kulturjournalist. Dieser Text ist zuerst auf seinem Stadtblog erschienen. Bajour darf ihn übernehmen.

Das könnte dich auch interessieren

Tanz GIF BajourBeat Brainchild

Jan Soder am 16. Dezember 2024

Brainchild – «In the Darkness»

Das Pop-Trio meldet sich nach zwei Jahren scheinbarer Pause mit einer nostalgischen Hymne zurück und verspricht noch mehr neue Musik und zwar «nicht wenig».

Weiterlesen
Gastkommentar Dan Wiener-1

Dan Wiener am 15. Dezember 2024

Kultur wird immer mehr politisch verkauft

In der Causa Leila Moon und die Absage des Basler Kulturförderpreises an die DJ wurde über die Frage debattiert, ob Kulturförderung politisch ist. Kulturunternehmer Dan Wiener bejaht dies in seinem Gastkommentar und plädiert dafür, Preise für künstlerische Inhalte und nicht für politisches Verhalten zu vergeben.

Weiterlesen
Bildschirmfoto 2024-12-14 um 19

Felix Schneider am 14. Dezember 2024

Adelinas Unglück

Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss hat aus seinem Roman «Die Krume Brot» ein Theaterstück gemacht. Das Basler Theater gestaltet damit einen auf weite Strecken grossartigen Abend.

Weiterlesen
Wochenkommentar Leila Moon

Ina Bullwinkel am 13. Dezember 2024

Verlierer*innen, wo du hinschaust

Was bleibt übrig von der knapp einmonatigen Diskussion um die Vergabe des Kulturförderpreises an Leila Moon? Eine Jury, die sich und die Künstlerin angreifbar gemacht hat. Ein Amt für Kultur, das sich wieder einmal rechtfertigen musste. Und eine Künstlerin, an der nun ein Image haftet, das nur schwer zu revidieren ist. Ein Kommentar von Chefredaktorin Ina Bullwinkel.

Weiterlesen

Kommentare