Oppositionspartei wider Willen

Thomi Jourdan wurde in den Baselbieter Regierungsrat gewählt, weil er nicht Sandra Sollberger ist. Und Sollberger wurde nicht gewählt, weil sie Sandra Sollberger ist – eine Politikerin am rechten Rand der SVP, die ausser populistischen Parolen nichts zu bieten hat. Die grösste Landratsfraktion ist nun plötzlich und selbstverschuldet Oppositionspartei.

Der neu in die Regierung des Kantons Basel-Landschaft gewaehlte Thomi Jourdan (EVP), Mitte, bei seiner Ankunft im Landratssaal in Liestal, am Sonntag, 12. Februar 2023. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Wahlparty ohne die SVP: Die Kleinstpartei EVP schnappt sich den frei gewordenen Sitz von Thomas Weber. (Bild: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Die SVP ist im Kanton Basel-Landschaft eine Bank. Dass ihr ein Sitz in der fünfköpfigen Regierung zusteht, steht ausser Frage. Eigentlich. Und dennoch hat sie es nicht geschafft. Es gibt dafür genau einen Grund: Sandra Sollberger. Die Malermeisterin aus Bubendorf hat es im Herbst 2015 in den Nationalrat gespült, locker und ohne Probleme und im Proporz, so wie es sich für eine Baselbieter SVP-Exponentin gehört.

In Bundesbern fiel sie aber nicht mit politischen Erfolgen, sondern nur mit extremen Positionen auf. Eine klassische Hinterbänklerin mit zunehmend extremeren Ansichten. Rechts von ihr ist nur noch die Wand. Begründen und argumentieren war nie ihre Stärke, aber sie hatte den SVP-Duktus schnell intus: Schuld sind immer die andern, und ganz besonders die Ausländer*innen.

Die Widersprüche ihrer ausgrenzenden Politik zu ihrer Tätigkeit als Chefin eines Handwerkbetriebes wischte sie beiseite. Dass das Baselbiet Teil des Dreilandes ist, das daraus einen grossen direkten wirtschaftlichen Nutzen zieht, konnte sie ebenso wenig beirren, wie auch die massiv gestörten Beziehungen zur EU, die ihre Partei mitzuverantworten hat.

Als Teil des bürgerlichen Dreigestirns wollte sie wahrgenommen werden, nun taugte Sandra Sollberger nicht einmal zur Trittbrettfahrerin.

Ob sie überhaupt weiss, dass die Schwächung des Forschungsstandorts Nordwestschweiz zu Kollateralschäden führen kann, die auch ihr Malergeschäft betrifft? Dann nämlich, wenn weltweit gesuchte Fachkräfte, namentlich in der Life-Science-Branche, unsere Region verlassen oder gar nicht erst hierherziehen. Dann hat Sollberger plötzlich deutlich weniger zu malen.

Es ist anzunehmen, dass sie deshalb im Wahlkampf kaum sichtbar war. Zumindest die SVP-Parteileitung dürfte versucht haben, sie vor sich selbst zu schützen. Kontradiktorische Auftritte gab es fast keine. Wenn es nur ging, vermied sie die direkte Konfrontation mit den anderen Kandidat*innen. Lieber zeigte sie sich eingebettet mit Anton Lauber (Mitte, mit Bestergebnis wiedergewählt) und Monica Gschwind (FDP, nicht ganz so glanzvoll bestätigt). Als Teil des bürgerlichen Dreigestirns wollte sie wahrgenommen werden, nun taugte sie nicht einmal zur Trittbrettfahrerin.

Die nicht gewaehlte Sandra Sollberger (SVP) im Wahlforum fuer die Gesamterneuerungswahlen des Kantons Basel-Landschaft in Liestal, am Sonntag, 12. Februar 2023. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Sandra Sollberger konnte nicht überzeugen. (Bild: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Für die Baselbieter SVP, die im Landrat leicht zulegen konnte und nun die stärkste Fraktion stellt, hat es sich nicht ausbezahlt, Sollberger auf den Schild zu hieven. Sie tat das dem parteiinternen Frieden zuliebe. Ihre Nichtnomination hätte zu einem Eklat geführt. Man verhinderte diesen in der vermeintlichen Gewissheit, dass der SVP-Regierungssitz sowieso sicher ist.

Ist er nicht. Wobei auch eine kleine Rolle gespielt haben könnte, dass der abtretende Thomas Weber als OK-Präsident des Eidgenössischen Schwing- und Älperfests das Defizit mitverantworten muss, das nun teilweise mit Steuergeldern gestopft werden soll. Seit den Verwerfungen rund um die Wirtschaftskammer, reagieren die Stimmbürger*innen ziemlich sensibel, wenn die Wege zur Staatskasse zu kurz und barrierefrei sind.

Grünen-Schlappe hausgemacht

Isaac Reber schaffte den Wiedereinzug in die Regierung problemlos. Dem allseits beliebten, gmögigen Sissacher, reichte es hinter Anton Lauber auf den zweiten Platz. Auch, weil er ein Realo ist, weder in seinen öffentlichen Auftritten noch in seiner Regierungsarbeit ist grüner Fundamentalismus zu erkennen. Netto-Null will auch er, aber bis 2050 und nicht bis 2037, wie in Basel-Stadt. Und auch sonst ist er der Mann der kleinen, machbaren Schritte, weshalb er bei den Bürgerlichen schon fast als einer der ihrigen gilt.

Seine Partei ist da etwas anders gestrickt. Hier hat eine neue Generation das Sagen. Ziemlich forsch, aber auch reichlich unbedarft. Der Absturz bei den Landratswahlen von 15,2 auf 12,5 Prozent ist zur Hauptsache hausgemacht. Denn es ist nicht so, dass Umweltthemen in Krisenzeiten gross an Stellenwert verloren hätten. Das zeigen die Grünliberalen, die mit 8,4 Prozent (zuvor 4,5 Prozent) massiv zulegen konnten.

Es ist vielmehr so, dass die Grünen in einem Anfall von Grössenwahn viel zu früh bekannt gaben, einen zweiten Regierungssitz erobern zu wollen – und dann niemanden für dieses Himmelfahrtskommando finden konnten. Kleinlaut beliessen sie es bei Isaac Reber, der ihnen eigentlich zu wenig grün ist. So etwas vergessen die Stimmbürger*innen nicht.

Zusammen mit einigen bereits wackligen Sitzen, kam es zu diesem Landratsresultat mit Ansage. Mit ein klein wenig polittaktischem Sachverstand ausgerüstet, hätte die Parteispitze um Michael Durrer erst mal die Nomination der SVP abgewartet. Es wäre dann kein Problem gewesen, jemanden zu finden, der es mit Sandra Sollberger aufgenommen hätte. Eigentlich hat Thomi Jourdan seine Wahl den Grünen zu verdanken.

Thomi Jourdan von der Kleinpartei EVP ist da einen ganz anderen Weg gegangen. Er hat einen hochintensiven und wohl auch ziemlich teuren Wahlkampf geführt. Kaum ein Kandelaber im Kanton ohne sein Konterfei. Dazu hat er praktisch jede sich bietende Auftrittsmöglichkeit genutzt, zeigte sich dabei eloquent und dossierfest. Aber vor allem: Er hat ein Netz über fast alle Parteigrenzen hinweg gesponnen.

Seine Kaminfeuergespräche, unter anderem mit BLT-Chef Andreas Büttiker, Uniratspräsident Beat Oberlin (früherer BLKB-Chef), oder Ständerätin Maya Graf (Grüne) zeigten, wie breit er sich aufgestellt hatte – und wie gern ihm namhafte Persönlichkeiten die Steigbügel hielten. Das liegt auch daran, weil er Unternehmer ist, sich unideologisch gibt, eine starke soziale Ader hat und auf Gemeindeebene über grosse Erfahrung als Exekutivpolitiker verfügt.

Und, eben, weil er nicht Sandra Sollberger ist.

Mit ihm bleibt die Regierung zwar bürgerlich, aber die Akzente dürften sich schon verschieben. Man könnte sagen, die neue Regierung mit Anton Lauber (Mitte), Isaac Reber (Grüne) und Kathrin Schweizer (SP), Monica Gschwind (FDP) und Thomi Jourdan ist perfekt eingemittet.

Die Regierung des Kantons Basel-Landschaft mit Thomi Jourdan (EVP, neu), Isaac Reber (Gruene, bisher), Monica Gschwind, bisher), Anton Lauber (Die Mitte, bisher) und Kathrin Schweizer (SP, bisher), von links, nach den Gesamterneuerungswahlen in Liestal, am Sonntag, 12. Februar 2023. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Die SVP ist nicht mehr dabei. Die neue Regierung mit Thomi Jourdan (EVP), Isaac Reber (Grüne), Monica Gschwind (FDP), Anton Lauber (Mitte) und Kathrin Schweizer (SP). (Bild: © KEYSTONE / GEORGIOS KEFALAS)

Etwas, was man vom Parlament nicht sagen kann. Vor allem, weil die SVP nun Oppositionspartei ist. Man kann sich vorstellen, wie zum Beispiel Fraktionspräsident Peter Riebli – so etwas wie die Baselbieter Bonsaiversion von Andreas Glarner – nun völlig von der Leine gelassen Gangart und Tonalität nochmals verschärft. Es droht im schlimmsten Fall eine Blockadepolitik von rechts. Ähnlich, wie 2015 bis 2019 als die SP nicht in der Regierung vertreten war und ihr Heil in einer forcierten Oppositionspolitik suchte.

Für den Kanton verspricht das nicht nur Gutes. Vier Jahre Stillstand ist keine Option. Die übrigen Regierungsparteien sind nun gefordert. Sie müssen sich zusammenraufen, um möglichst deutliche Mehrheitsentscheide zu erwirken. Wenn sie sich Thomi Jourdan zum Vorbild nehmen, ist das zumindest keine unmögliche Mission.

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