Und wer bitte soll das bezahlen?

Bajour hat gemeinsam mit dem Theater Basel ein Podium zum darbenden Kulturjournalismus veranstaltet. Dabei ging es vor allem um eines: Die Finanzierung.

Kultur
Wie kann der Kulturjournalismus auf hohem Niveau auch in Zukunft bestehen? (Bild: Ingo Hoehn)

Die Plätze auf den Treppen des Foyers im Theater Basel waren am Dienstagabend gut besetzt. Gefühlt war alles da, was Rang und Namen hat in der hiesigen Kulturbranche, unter anderem die Kulturchefin Katrin Grögel höchstpersönlich. Sie sorgte mit ihrer Wortmeldung gegen Ende des Podiums über Kulturjournalismus, welches Bajour gemeinsam mit dem Theater Basel organisierte, für viel Euphorie. Doch dazu später mehr.

Im Scheinwerferlicht sassen diese hochkarätigen Gäste:

  • Nathalie Unternährer, Leiterin Abteilung Kultur bei der Christoph Merian Stiftung
  • Inga Schonlau, leitende Dramaturgin Schauspiel vom Theater Basel
  • Peter Knechtli, Chefredaktor von Onlinereports
  • Patrick Marcolli, Chefredaktor der bz

Moderiert wurde der Anlass von unserer designierten Chefredaktorin Ina Bullwinkel. Und darum ging es: «Wie kann der Kulturjournalismus auf hohem Niveau auch in Zukunft bestehen?» Beziehungsweise: «Wie kann die Misere im Kulturjournalismus aufgehalten werden?»

So beobachten wir doch seit geraumer Zeit, dass sich der Kulturjournalismus verändert, dass bei Kultur gespart wird, Kulturteile dünner werden, und es immer weniger Rezensionen gibt. Das Ziel des Abends war es aber nicht nur, Missstände zu benennen, sondern zugleich Lösungen zu finden.

Bullwinkel richtete ihre erste Frage an Schonlau. Sie wollte von der Dramaturgin wissen, was Kulturjournalismus für das Theater, das auf Öffentlichkeit angewiesen ist, bedeutet. «Sehr viel», meinte diese, «Kulturjournalismus ist unser Resonanzraum». Unternährer von der CMS-Stiftung war hingegen der Meinung, es sei nicht unbedingt nur schlecht, dass es das klassische Feuilleton kaum noch gebe, habe dieses doch auch etwas Ausgrenzendes. So würde man sich halt neue Organe schaffen müssen, wie beispielsweise Online- oder Kulturmagazine.

Während bz-Chef Marcolli vom Publikum gleich einen grossen Applaus dafür erntete, dass die bz immer noch jeden Tag eine Kulturseite publiziert, ergriff Onlinereports-Chef Knechtli die Gelegenheit, um seinen Punkt klar zu machen: «Wir berichten über Kultur, so gut es geht.» Die grosse Frage aber sei, wie bringe man die Gelder rein, um die Kulturberichterstattung zu finanzieren? Damit war der Fokus des Abends gesetzt: Die Finanzierung der Kulturberichterstattung. 

Inga
(Bild: Ingo Hoehn)
«Es gibt auch zwischen Kultur und Journalismus eine Art Gewaltenteilung - weshalb eine Finanzierung der Medien über die Kulturinstitutionen problematische Abhängigkeiten schaffen würde»
Inga Schonlau, leitende Dramaturgin Schauspiel vom Theater Basel

Auch Bullwinkel hängte ein und warf die Frage nach der Erwartungshaltung der Kulturbranche nach einer Gratisberichterstattung auf. Knechtli bestätigt, die Kulturschaffenden würden vom Journalismus erwarten, präsent zu sein: «Wir werden mit Veranstaltungs-Mails überschwemmt, werden nicht genötigt, aber doch höflich gedrängt.» Doch: «Von Veranstaltern fliesst kein Geld zu den Medien, das ist frustrierend.»

Schonlau gibt zu bedenken: «Es gibt auch zwischen Kultur und Journalismus eine Art Gewaltenteilung - weshalb eine Finanzierung der Medien über die Kulturinstitutionen problematische Abhängigkeiten schaffen würde», sie sprach von «anrüchig». Es brauche eine andere Finanzierung, nur welche? 

Vielleicht eine staatliche?

Ja, findet Unternährer: «So viel Geld, wie in die Kultur fliesst, müsste auch in die Medien fliessen.» Doch erst im Februar 2022 schickte der Souverän eine staatliche Medienförderung bachab. Unternährer meint: «Die Schweiz ist für eine nationale Lösung nicht bereit.» Bleibt noch die kantonale Ebene, wo im April 2022 der Grosse Rat des Kantons Basel-Stadt mit 57 Ja zu 33 Nein und einer Enthaltungen den Anzug des GLP-Grossrat Johannes Sieber und Konsorten betreffend einer kantonalen Medienförderung an den Regierungsrat überwiesen hat. Damit eine Chance auf Medienförderung besteht, müsste sich aber erstmal die Branche einig werden, wie eine solche überhaupt aussehen soll.

Nicht direkt für staatliche Subventionen, sondern für «eine Sockellösung» sprach sich beispielsweise Knechtli aus. Ihm geht es um «eine Basisfinanzierung, die Nachrichtenmedien eine Existenzbasis sichert und gleichzeitig die lokalpolitische Berichterstattung und Analyse wiederbelebt», wie er auf Nachfrage konkretisiert.

Peter
(Bild: Ingo Hoehn)
«Wir werden mit Veranstaltungs-Mails überschwemmt, werden nicht genötigt, aber doch höflich gedrängt.»
Peter Knechtli, Chefredaktor Onlinereports

Und nun, wie versprochen, zurück zu Grögel, der Basler Kulturchefin, die das Thema staatliche Finanzierung am Ende der Veranstaltung nochmals aufgriff, als das Mikrofon durch das Publikum wanderte. Grögel liess sich für ihr durchaus interessantes Gedankenspiel «auf die Äste hinaus», wie sie selbst sagte (mandatiert sei sie dafür nicht). Sie meinte, eine Sockelfinanzierung sei beispielsweise verbunden mit einer Leistungsvereinbarung, werde doch im Auftrag des öffentlichen Interesses etwas geleistet. So wollte sie von den Redaktor*innen im Raum wissen, was denn die Wirkungsziele wären, zu welchen man sich verpflichten würde. Und: «Hätten diese Auswirkungen auf die kulturpolitische Berichterstattung?» 

Knechtli versprach sogleich, dass er, der Onlinereports im Sommer allerdings in neue Hände gibt, mit drei zusätzlichen Redaktor*innen eine unglaubliche Dynamik hervorbringen würde, sollte es kantonale Gelder geben. Marcolli meinte, er sei (für diese Antwort ebenfalls nicht mandatiert und:) eher für Stiftungsgelder: «Mit der Stadt würde ich keinen Deal eingehen.» Auch hier scheinen Bedenken bezüglich Abhängigkeiten im Raum zu stehen. Gleichzeitig machte sich eben Euphorie breit.

Bullwinkel zeigte sich interessiert, man müsste die Zielvereinbarung so formulieren, dass sie zum Journalismus passe: «Die Qualität muss gewährleistet sein.» Und Unternährer erläuterte, wie die Förderung bei der CMS funktioniert; die Stiftung ermöglichte Radio X die Kulturredaktion zu verstärken und auch We.Publish (das u. a. Bajour die digitale Infrastruktur zur Verfügung stellt) unterstützt sie darin, die geplante Kulturagenda umzusetzen. Die Förderung sei eine Art Vertrag, definiert würden grosse Ziele, diese seien nicht auf den Inhalt bezogen, so Unternährer. Auch Kulturjournalist Olivier Joliat, der im Publikum sass, kam in Fahrt: Die Idee, Leistungsziele zu definieren, fände er gar nicht so schlecht. «Das könnte ein Anstoss sein, das Profil zu schärfen und sich selbst zu reflektieren.»

Mit diesen Träumereien hat Bullwinkel die Gäste dann nach 1.5 Stunden Diskussion in die dunkle Nacht entlassen. Am Himmel funkelten die Sterne und in den Augen der Medienschaffenden die Dollarzeichen (oder waren es Franken?). Zumindest die Aussicht darauf machte gute Laune. Das letzte Wort scheint ämel noch nicht gesprochen zu sein.

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Das ist Valerie (sie/ihr):

Nach einem ersten journalistischen Praktikum bei Onlinereports hat Valerie verschiedene Stationen bei der Neuen Zürcher Zeitung durchlaufen, zuletzt als Redaktorin im Bundeshaus in Bern. Es folgten drei Jahre der Selbständigkeit in Berlin, bevor es Valerie zurück nach Basel und direkt zu Bajour zog, wo sie nun im Politikressort tätig ist.

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