Geschlagen, geschieden – ausgeschafft?

Migrantinnen, die von ihren Ehemännern geschlagen werden, dürfen nicht ausgeschafft werden, wenn sie sich scheiden lassen wollen. Das fordert eine überparteiliche Allianz um SP-Nationalrätin Samira Marti. Wie sieht es in Basel heute aus?

Gewalt Frauen häusliche Gewalt Dunkelheit Depression
(Bild: Marten Newhall / Unsplash)

Maria lebt seit zwei Jahren in Binningen. Sie ist 28 und verheiratet mit Marko, der aus dem gleichen Städtchen im Balkan kommt, wie sie. Die beiden haben sich als Teenager in Markos Sommerferien in der alten Heimat kennengelernt und verliebt. Aufgewachsen ist Marko im Baselbiet. Die beiden haben nicht nur aus Liebe geheiratet, sondern auch, damit Maria in die Schweiz kommen kann. Aber Maria und Marko sind längst kein glückliches Paar mehr. 

Marko schlägt Maria. Das war früher nicht so. Damals, als sie noch frisch verliebt waren, war er einfühlsam und gütig. Seit sie gemeinsam leben und ein Ehepaar sind, beschimpft Marko sie, kontrolliert sie und lässt sie nur aus dem Haus, wenn er es ihr erlaubt. Manchmal droht er ihr, sie umzubringen. 

Die junge Frau will die Scheidung. Nur geht das nicht, das weiss Maria. Denn dann müsste sie zurück in ihr altes Leben – arbeits- und perspektivlos. Aus Angst vor der Abschiebung, bleibt Maria stumm. 

Marko und Maria gibt es nicht wirklich, das Beispiel ist fiktiv. Aber so oder so ähnlich geht es vielen migrantischen Frauen in der Schweiz, die von ihren Partnern geschlagen werden. Häusliche Gewalt trifft sie in einem besonders schweren Ausmass. Eine Scheidung bedeutet für sie nicht bloss das Ende einer Beziehung, sondern auch einen möglichen Landesverweis. Ihre Ehe garantiert ihnen in solchen Fällen die Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz

Im Kanton Basel-Stadt haben sich im vergangenen Jahr 177 ausländische Paare das Ja-Wort gegeben. 76 Paare mit ausländischem Pass haben sich im gleichen Jahr scheiden lassen. Im Vergleich dazu haben im Jahr 2020 283 Schweizer Paare geheiratet und sich 173 scheiden lassen. Genaue Zahlen, wie viele Ehen aufgrund häuslicher Gewalt in einer Scheidung endeten, gibt es nicht.

Eine überparteiliche Allianz aus Politikerinnen aller grossen Parteien im Nationalrat setzt sich nun dafür ein, dass Migrantinnen, die sich gegen häusliche Gewalt wehren und von ihren Ehemännern scheiden lassen wollen, nicht abgeschoben werden können. Noch müssen Frauen bei einer Scheidung ein Härtefallgesuch einreichen, um ihre Aufenthaltsbewilligung nicht zu verlieren. In Zukunft soll das nicht mehr nötig sein. Die Initiative ergriffen hatte die Baselbieter SP-Nationalrätin Samira Marti. 

Um in der Schweiz bleiben zu dürfen, müssen Frauen drei Jahre oder länger verheiratet gewesen sein. Ausserdem hängt der Aufenthaltsstatus davon ab, ob man gut integriert ist, oder nicht. Ob Frauen sich aufgrund häuslicher Gewalt scheiden lassen, wird bereits heute bei der behördlichen Beurteilung der Aufenthaltsbewilligung berücksichtigt. Dafür müssen Frauen aber nachweisen können, dass die Gewalt «systematisch» und mit einer gewissen «Intensität» geschehen ist. In solchen Fällen stellt das Basler Migrationsamt einen Antrag an das Staatssekretariat für Migration (SEM). Dieses entscheidet, ob es sich um einen Härtefall handelt oder nicht.

«Erfahrungsgemäss mussten kaum Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen waren, die Schweiz verlassen oder gar ausgeschafft werden.»
Adrian Plachesi, Leiter Abteilung Kommunikation des JSD

In Baselland seien Frauen, die von häuslicher Gewalt und Abschiebung bedroht seien, «Einzelfälle», sagt Adrian Räss, Leiter des Migrationsamt Baselland. Seiner Meinung nach braucht es den Vorstoss von Marti und Co. nicht. Das aktuelle Gesetz sei bereits ausreichend: «Es geht vielmehr darum, die vorhandenen rechtlichen Grundlagen mit Augenmass und unter Wahrung der Verhältnismässigkeit anzuwenden», so Räss. 

Auch das Migrationsamt Basel-Stadt schliesst sich der Einschätzung der Kollegen aus Baselland an: «Die Praxis zur Häuslichen Gewalt hat sich gut eingespielt, sodass unseres Erachtens kein zusätzlicher gesetzlicher Handlungsbedarf besteht», sagt Adrian Plachesi, der die Abteilung für Kommunikation des Basler Justiz- und Sicherheitsdepartements leitet. «Erfahrungsgemäss mussten kaum Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen waren, die Schweiz verlassen oder gar ausgeschafft werden», so Plachesi weiter. 

Wer ausreichend beweisen könne, von häuslicher Gewalt betroffen zu sein, werde auch nicht ausgeschafft. Dafür braucht es Polizeirapporte, ärztliche Berichte oder auch Rapporte der Opferhilfe oder aus dem Frauenhaus. Der Integrationsstatus spiele dabei eine untergeordnete Rolle, sagt Plachesi. Auch wenn das Opfer noch wenig Deutsch spreche und sich weniger als drei Jahre in der Schweiz aufhalte, werde in Fällen von häuslicher Gewalt das Härtefallgesuch meist gutgeheissen. Für die Frau bedeutet das dann, dass sie ein weiteres Jahr in der Schweiz bleiben darf – egal ob sie noch mit ihrem Mann verheiratet ist, oder nicht.

«Wir erleben alltäglich, dass die Frauen aus Angst vor Verlust der Aufenthaltsbewilligung zu ihren gewalttätigen Partnern zurückkehren.»
Heidi Mück, BastA!-Grossrätin und Co-Präsidentin Stiftung Frauenhaus beider Basel

Es stimme, dass Basel-Stadt in den letzten Jahren eher im Interesse der betroffenen Frauen entschieden habe, sagt Heidi Mück. Die BastA!-Grossrätin ist Co-Präsidentin der Stiftung Frauenhaus beider Basel. Die Hürde ein solches Gesuch zu stellen, sei aber gross. Die betroffenen Frauen wüssten nie, ob ihrem Gesuch stattgegeben wird. Schliesslich sei es immer ein Ermessensentscheid der Behörden. 

Diese Unsicherheit sei für viele sehr belastend. «Wir erleben alltäglich, dass die Frauen aus Angst vor Verlust der Aufenthaltsbewilligung zu ihren gewalttätigen Partnern zurückkehren und massive Gewalt weiter ertragen», sagt Mück.

Sie begrüsst das Vorhaben der Nationalrätinnen. Der drohende Verlust der Aufenthaltsgenehmigung in der Schweiz werde vom gewalttätigen Partner sehr oft als Druckmittel verwendet. «Ein Rechtsanspruch auf einen Verbleib in der Schweiz wäre eine enorme Entlastung für gewaltbetroffene Frauen», sagt Mück.

«Ich teile die Meinung, dass nicht die Opfer bestraft und ausgeschafft werden müssen, sondern die Täter.»
Pascal Messerli, SVP-Grossrat

Zur überparteilichen Allianz in Bundesbern, die eine Gesetzensanpassung fordert, gehört auch SVP-Nationalrätin Barbara Steinemann. Sie macht sich dafür stark, dass in Fällen von häuslicher Gewalt die ausländischen Ehefrauen nicht noch mit Ausschaffung bedroht werden. Ihr ist es wichtig, den Fokus auf die Täter zu legen und nicht die Opfer doppelt zu bestrafen.

Zuspruch erhält sie vom Basler SVP-Grossrat und Juristen Pascal Messerli: «Ich teile die Meinung von Barbara Steinemann, dass nicht die Opfer bestraft und ausgeschafft werden müssen, sondern die Täter», sagt er. Es brauche Massnahmen, um die Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt zu verkleinern, so Messerli: «Zur Besserstellung der Opfer von häuslicher Gewalt erachte ich es deshalb als sinnvoll, das Ausländer- und Integrationsgesetz zu präzisieren.»

So sieht das auch SP-Nationalrätin Samira Marti. Es sei in der Realität nicht so einfach zu beweisen, dass man von schwerwiegender häuslicher Gewalt betroffen sei. Marti betont im «Tagesanzeiger»: «Bei einem 4-Augen-Delikt steht oft Aussage gegen Aussage.»

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