Impfneid in der Community?

Bajour-Leser*innen erklären, weshalb sie für oder gegen Impfprivilegien sind. Das Resultat fällt überraschend streng aus.

Der Impfstoff gegen das Coronavirus von Moderna im Ausgabefach eines Kuehlschranks im Impfzentrum in Basel am Donnerstag, 11. Februar 2021. Das kantonale Impfzentrum Basel-Stadt in der Messe Basel wird von der Firma Meconex betrieben.
Noch haben nicht alle Menschen Zugang zum ersehnten Pieks. (Bild: Keystone / Georgios Kefalas)

«Sollen gegen das Coronavirus geimpfte Menschen gegenüber anderen Privilegien erhalten? Was findest du?», hat Samuel Hufschmid euch im Basel Briefing gefragt: Und ihr habt zahlreich geantwortet. Wenige Stunden später haben über 800 Leser*innen an der Umfrage teilgenommen. Und das war das Resultat:

57,2% sind für Privilegien

42,8 % sind gegen Vorzüge für Geimpfte

Ehrlich gesagt, das haben wir auf der Bajour-Redaktion so nicht erwartet. Wir hatten intern bei 75 Prozent Ja-Stimmen Konsens. Damit haben wir deutlich an der Realität vorbeigezielt, was uns aber umso neugieriger machte. Was sind die Gründe derer, die abgestimmt haben, Ja oder Nein zu klicken?

Deshalb hat Naomi Gregoris wieder im Briefing nachgehakt, und ihr habt wieder zahlreiche Antworten geliefert. 54 E-Mails haben uns erreicht, in denen ihr erklärt, warum ihr für oder gegen Impfprivilegien seid. Die häufigsten genannten Gründe:

1. Impfprivilegien JA – denn das Individuum hat eine Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Silvia schreibt: «Man hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Deshalb werde ich mich impfen lassen. Menschen, die sich nicht impfen lassen, nehmen diese Verantwortung nicht wahr. Sie schauen nur für sich und ihre Bedürfnisse. Wenn man die gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt, sollte man auch durch Privilegien ‹belohnt› werden.» Silvia schliessen sich mehr oder weniger acht weitere Personen an.

2. Impfprivilegien JA – aber noch nicht jetzt

«Wir können uns nicht aussuchen, ob und wann wir geimpft werden», schreibt uns Agnes. Acht weitere pflichten Agnes bei. «Wir sind für Impfprivilegien, aber bitte erst, wenn alle die Chance hatten, sich impfen zu lassen.» Genau diese Diskussion läuft auch auf Social Media – angestossen hier zum Beispiel von Autor und Satiriker Gabriel Vetter auf Twitter:

3. Impfprivilegien NEIN – denn Impfprivilegien = Impfzwang

«Ich habe auf Nein geklickt, da dies der schleichende Weg zu Impfzwang ist», schreibt uns Carolina. Und auch ihre Argumente erreichten uns von acht weiteren Personen, die finden, wenn es Impfprivilegien gäbe, käme das einem Impfzwang beinahe gleich. «Für mich geht das zu weit in meine Privatsphäre rein und ich fühle mich bevormundet», schreibt zum Beispiel Tina.

4. Impfprivilegien NEIN – wir wollen keine Zwei-Klassen-Gesellschaft

«Privilegien spalten die Gesellschaft», schreibt Anneliese. Auch Claudia ist überzeugt, dass Impfprivilegien zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft führten. Auf der einen Seite die Geimpften, Privilegierten, auf der anderen Seite die Ungeimpften, Unprivilegierten – manche schreiben auch Gestraften.

Fazit: Die Meinungen gehen weit auseinander. Viele betonen, sich impfen zu lassen, sei wichtig. Ausnahmen geben sollte es für Personen, die sich aus gesundheitlichen Gründen überhaupt nicht oder noch nicht impfen lassen können. Dazu gehören zum Beispiel Schwangere oder Kinder, aber auch Personen mit gewissen Autoimmunerkrankungen.

Im Grossen und Ganzen ist es aber eher überraschend, wie wenig man denen gönnt, die bereits geimpft sind. Aber das Problem wird sich in den nächsten Monaten hoffentlich schnell entschärfen.

Hast du noch allgemeine Fragen zur Impfung? Bajour hat einen Übersichtsartikel, in dem wir die wichtigsten Fragen zum Thema klären.

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