Sind die Basler Gymnasien bald im Fernunterricht?
Eine Gruppe von Basler Schüler*innen fordert Fernunterricht für alle. Weshalb? Ein Treffen mit denen, die dahinterstehen.
Auf dem Instagram-Profil ist nur ein einziges Bild zu sehen. Orange-bunter Hintergrund, schwarze Schrift.
«KÖMMET ALLI DE FRITIG, 06.11.2020 UM 6I Z'OBE UF UNSERE SLACK SERVER. MIR BESPRÄCHE DIE JETZIGI COVID SITUATION AN DE GYMNASIE BASEL-STADT. MIR BRUCHE ALLI UM ÖPIS ZEREICHE. ALLI WO IN DE SLACK SERVER DRI JOINE MÖCHTE DM UNS»
Das Profil und der Slack-Kanal werden von einer Gruppe von sieben Schüler*innen unterhalten, die eine Online-Petition für Fernunterricht an Schulen lanciert haben. Ihr Claim: Mit den aktuellen COVID-19-Verordnungen seitens des Bundesamts für Gesundheit (BAG) werde ein effizienter Unterricht an weiterführenden Schulen immer schwieriger. Was steckt dahinter? Wir haben mit Vertreter*innen der Gruppe gesprochen.
Die zwei Klassenkamerad*innen Adam und Mehmet* vom Gymnasium Bäumlihof sitzen im Unternehmen Mitte. (Sie bestellen Cola und Kamillentee. Mehmet bekommt ein schlechtes Gewissen, weil er kein Münzgeld für einen vorbeischauenden Bettler parat hat.) Gerade haben sie das SRF Regionaljournal getroffen und kurz von ihrem Anliegen berichtet. Wir haben nun Zeit, ausführlicher über ihr Engagement zu sprechen.
Sie fangen an. Ihre zentralen Anliegen sind:
- Fernunterricht für alle Gymnasien in Basel.
- Ausnahmen für Schüler*innen, die nicht zuhause lernen können und wollen (Chancengleichheit).
- Der Fernunterricht soll beendet werden, wenn die «schlimmste Zeit» vorüber ist.
- Der Fernunterricht soll rasch implementiert werden, um a) ein rasches Ansteigen an Infektionszahlen zu verhindern. Und b) bei sinkenden Infektionszahlen eine möglichst rasche Rückkehr in die Schule zu ermöglichen.
Ab dem 28. Oktober 2020 starteten sie eine Petition mit genau diesen Forderungen. Sie lief eine Woche lang, fast 300 Stimmen wurden gesammelt. Auch von Schüler*innen der Gymnasien Kirschgarten und Leonhard, sowie des Wirtschaftsgymnasiums. Zusätzlich unterschrieben Eltern von Schüler*innen sowie vereinzelt Personen aus den Kantonen Aargau und Solothurn.
Warum dieses vehemente Einfordern des Fernunterrichts? Adam und Mehmet nennen folgende Vorteile:
- Vermeidung überfüllter Busse und Trams zu Stosszeiten.
- Verringerung des Ansteckungsrisikos in den Schulräumen.
- Schützen von Risikopersonen, beispielsweise Eltern.
- Maskenfreies Lernen zuhause.
- Eigenständiges Lernen wird gefördert (woraufhin u.a. das Projekt GBplus abzielt).
Ihrer Ansicht nach hat man im Frühjahr in zweierlei Hinsicht genügend Erfahrungen gesammelt: Erstens hätte sich gezeigt, dass Fernunterricht rasch implementierbar und durchführbar sei. Zweitens sind sie der Meinung, dass man dadurch effektiv dazu beigetragen habe, die Infektionszahlen nicht weiter in die Höhe zu treiben. Je länger man zuwarte, umso schwerer werde die Rückkehr in den Präsenzunterricht.
Verunsichernde Inkonsequenz
Die bisherigen Massnahmen finden Adam und Mehmet ineffizient. Seit August sind die Schulklassen wieder im Präsenzunterricht, seither ist ihre Klasse schon zweimal ins Homeoffice geschickt worden – aufgrund von COVID-19-Ansteckungen. Diese sind aber laut Direktion ausserhalb der Schule passiert. Vor allem im Sport und im Schulchor sei sowohl mit als auch ohne Maskenpflicht keine zufriedenstellende Durchführung möglich. Adam und Mehmet nervt, dass die Schuldirektion einerseits darauf poche, dass Klassenkamerad*innen nur unter sich bleiben. Andererseit aber in Kauf nehme, dass in Schwerpunktfächern eine Durchmischung von Klassen, teils auch unterschiedlicher Jahrgänge geschehe.
«Ich hoffe, dass die Schulen offen bleiben.»Anna-Katharina Schmid, Direktorin Gymnasium Bäumlihof
Adam und Mehmet sind zuversichtlich, einen Grossteil der Schüler*innen am Bäumlihof hinter sich zu wissen und wollen jetzt mit der Schuldirektion des Gymnasium Bäumlihof in Kontakt treten.
Direktorin Anna-Katharina Schmid freut sich darauf. Die Petition wurde ihr von Lehrpersonen weitergeleitet, von den Schüler*innen habe sie noch nichts gehört, sagt sie am Telefon. Ganz allgemein schätze sie Schülerengagements sehr, aber hoffe zugleich, dass die Schulen solang offen bleiben wie möglich. Dies deckt sich mit den gestrigen Aussagen Simon Thiriets vom Erziehungsdepartement im Regionaljournal.
Schmid hat einen anderen Eindruck als die Petent*innen. Die Rückmeldungen aus dem Fernunterricht im Frühjahr hätten gezeigt, dass dieser äusserst schwierig war, sowohl aufs Lernen bezogen als auch aufs Soziale. «Die Schule ist ein sicherer Ort», sagt sie. Auch wenn es teilweise durchmischte Klassen gibt. «Wir haben sehr gute Schutzmassnahmen und nie Ansteckungsfälle innerhalb der Schule gehabt.»
Wie's jetzt weitergeht, ist unklar. Ein Weiterleiten der Petition seitens Lehrpersonen reicht nicht, die betreffenden Schüler*innen müssen erst persönlich bei der Direktion vorstellig werden, bevor ihre Anliegen diskutiert werden können. Der Ball liegt also wieder bei Adam, Mehmet und ihren Mitinitiant*innen.
*Name geändert. Adam ist der einzige, der Petent*innen, der mit Namen hinsteht und auch vom Regionaljournal zitiert wurde.